(Text und Petition der IG Kultur Österreich vom 13. Februar 2017) Wien läuft Gefahr, aufgrund eines Hochhausbaues zugunsten der Wirtschaftsinteressen eines privaten Investors, den Status als UNESCO-Weltkulturerbe zu verlieren. Dagegen wurde nun eine Petition eingerichtet, die von zahlreichen AkteurInnen, Interessensverbänden, NGOs, sowie einer breiten Öffentlichkeit getragen wird.
Ausgangslage
Auf Ansuchen Österreichs und Wunsch Wiens hat die UNESCO das „Historische Zentrum“ der Bundeshauptstadt 2001 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Letzten September verpflichtete sich der Staat Österreich in der Agenda 2030 die Anstrengungen zum Schutz und zur Wahrung des Weltkultur- und Weltnaturerbes zu verstärken.
Am Rande der Kernzone steht das Hotel InterContinental auf einem Grundstück mit dem Wiener Eislaufverein. Hotel- und Grundstückseigentümer Immobilieninvestor Michael Tojner möchte dem Gebäude ein 73 Meter Hochhaus mit Luxuswohnungen zur Seite stellen. Genau dieses gefährdet den Status des Weltkulturerbes Wiens.
Folgen
Nach harscher Kritik von UNESCO, Architekturvereinigungen, dem Fachbeirat für Stadtgestaltung und vielen anderen hat Planungsstadträtin Vassilakou im Frühling als Notbremse eine Nachdenkpause verordnet. Gibt es keine Änderungen am Ausmaß des Projekts, setzt die UNESCO das „Historische Zentrum Wiens“ auf die Rote Liste für gefährdete Kulturgüter. Als nachfolgenden Schritt könnte Wien seinen Status als Weltkulturerbe endgültig verlieren.
Pikantes Detail dazu aus dem Verfahren zur städtebaulichen Entwicklung auf dem Gelände: Eine der abschließenden Empfehlungen sieht die Erstellung eines Masterplan Glacis vor, „der eine gesamthaft fundierte Strategie für bauliche Entwicklungen im Nahbereich des Weltkulturerbes darstellen soll“. Die wesentliche Neuerung darin ist die Aufhebung der bis dahin gültigen Ausschlusszonen für Hochhäuser.
Ist das Weltkulturerbe einmal weg, stehen weiteren Luxus-Hochhausprojekten im historischen Zentrum Wiens und dessen naher Umgebung Tür und Tor offen. Dem ersten erfolgreich durchgeboxten Projekt werden zahlreiche weitere in vermarktungstechnischer Bestlage folgen. Die Planungsinstrumente der Stadt bieten davor keinen Schutz. Sie stehen bereits in Richtung Höhenentwicklung.
Argumente für und gegen den Bau
Argumente für den Bau ließen sich wie folgt zusammenfassen:
- Das Hochhausprojekt führe zu einer Aktivierung der Zone und der Eislaufflächen.
- Außerdem würden zusätzliche Räume mit Aufenthaltsqualität geschaffen (Platzbildung vor dem Konzerthaus, Eingangsbereich WEV und Vorfahrt zum Hotel InterContinental).
- Es würde Wien als Kongresszentrum stärken mit zusätzlichen Veranstaltungs- und Unterbringungsmöglichkeiten.
Die Argumente sind für sich schlüssig, allerdings benötigen sie keinen Luxusbau. Der Bau in dieser Form liefert diese Vorteile bestenfalls als Nebeneffekte und auch die nur unter massiven Eingriff in den öffentlichen Raum (die Eislauffläche müsste versetzt werden) und wohl auch mit geringem Effekt (Kongressorte gibt es bereits zuhauf, wie das Austria Center oder jedes beliebige Luxushotel). Auch das Konzerthaus ist nicht auf den privaten Investor angewiesen, die Platzbildung der Nebeneffekt eines massiven Eingriffes. Öffnung und Durchwegung des Raumes ist nicht vom Hochhaus abhängig, es stellt dafür sogar eher ein Hindernis dar.
Der Interessenkonflikt zwischen Bau oder nicht ist eben keiner zwischen Aktivierung urbanen Raumes und auf der anderen Seite Wahrung kulturellen Erbes. Der Konflikt besteht genau genommen zwischen öffentlichem Interesse der Allgemeinheit und ökonomischen Interesse eines privaten Investors.
Im öffentlichen Interesse spricht jedenfalls dagegen:
- Bestehende Regelungen weiter aufzuweichen und die Kernzone für den Bau von Hochhausprojekten weiter zu öffnen
- Der Ausverkauf des historischen Wiens
- Ausbeutung öffentlichen Raumes zugunsten privater wirtschaftlicher Interessen
- Steigende Mietpreise und weitere Verdrängung weniger vermögender Menschen an die Peripherie
- Ein drastisch verändertes Stadtbild und der Verlust der Einzigartigkeit des historischen Stadtkerns
- Schaden für das internationale Ansehen Wiens und für den Tourismus durch den drohenden Verlust des Status des Weltkulturerbes
Petition
Die Stadt macht dabei weiterhin keine gute Figur. Sie gab bisher auch nur soweit nach, soweit öffentlicher Druck vorhanden war. Wir haben uns bereits früh zu dieser Sache geäußert. Neben der IG Kultur positionierten sich in der Sache viele Interessensverbände, NGOs und Vereine. Gerhard Ruiss Aufruf wurde von über 300 prominenten Kulturschaffenden im In- und Ausland getragen, darunter Paulus Manker, Erika Pluhar, Gustav Peichl, Olga Flor, Michael Heltau, Margherita Spiluttini, Ioan Holender, Sybille Fritsch, Friedrich Achleitner, Anna Mitgutsch, Franzobel, Karin Fleischanderl, Paul Gulda, Renate Welsh, Josef Winkler, Adriana Czernin, Paul Gulda, Sabine Plakolm, Franz Schuh u.v.a. Hier die komplette Liste. Auch Architekturvereinigungen und zahlreiche namhafte Architektinnen und Architekten stoßen sich an dem Projekt. Ein Umdenken wird wahrscheinlich nur unter massivem öffentlichen Druck stattfinden, weshalb eine Petition eingerichtet wurde.
Die Forderungen:
- Der sofortige Stopp des Umwidmungsverfahrens.
- Der Neustart und die Revision des Projekts unter Einhaltung der Auflagen der UNESCO.
- Freihaltung des öffentlichen Raums und Erhalt des niedrigschwelligen Zugangs zum Gelände des Wiener Eislaufvereins.
- Festlegung der Kern- und Pufferzonen sämtlicher Wiener Welterbestätten als Auschlussgebiete für Hochzonungen mit privaten Nutzungen in den zugrundeliegenden Planungsinstrumenten (Managementplan, Masterplan Glacis, Hochhauskonzept).
- Rückhaltlose Offenlegung in allen Vorhaben der Stadtplanung zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit.