(Offener Brief der Arge kulturelle Vielfalt, 4.3.2024) Die Arbeitsgemeinschaft Kulturelle Vielfalt (ARGE) ist die zentrale Dialogplattform der Österreichischen UNESCO-Kommission zur aktiven Beteiligung der Zivilgesellschaft am Prozess der Umsetzung der „UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ in und durch Österreich. Eine Bilanz der ARGE Kulturelle nimmt Versprechungen des Regierungsprogrammes und Forderungen aus dem Schlusskommuniqué in den Blick.
An
Herrn Bundeskanzler Nehammer,
Herrn Vizekanzler Kogler,
Herrn Bundesminister Karner,
Herrn Bundesminister Polaschek,
Herrn Bundesminister Schallenberg und
die Bildungsdirektor*innen.
Wien, 4. März 2024
Kulturelle Vielfalt schützen und fördern
Regierungsperiode 2020-2024: offene Versprechungen erfüllen! Jetzt!
Die Regierung bekennt sich im Regierungsprogramm zur UNESCO-Konvention „Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ – einem internationalen Vertrag, der die Rechte von Künstlerinnen, Kulturarbeiterinnen und kulturellen Rechte aller verbindlich verankert und Vielfalt kultureller Ausdrucksformen fernab von Marktlogik schützt.
Die zivilgesellschaftlichen Expert*innen der Arbeitsgemeinschaft „Kulturelle Vielfalt“, angesiedelt an der Österreichischen UNESCO-Kommission, legten in ihrem Schlusskommuniqué 2023 konkrete Empfehlungen vor, wie Österreich seiner Verpflichtung zum Schutz und der Förderung Vielfalt kultureller Ausdrucksformen nachkommen kann. Was bisher geschah? Einige Empfehlungen wurden umgesetzt – andere nicht.
Es ist unabdingbar, den Stimmen der Zivilgesellschaft Gehör zu schenken und vor Ablauf der Regierungsperiode noch dort nachzuschärfen, wo Versprechungen des Regierungsprogramms unerfüllt geblieben sind.
Das Regierungsprogramm verspricht:
die Verbesserung bei der Visavergabe für Verwandtenbesuche, wissenschaftlichen Austausch, Forschungszwecke und Kulturprojekte (S. 137). Dabei verpflichtet das UNESCO-Übereinkommen mit Artikel 16 Österreich ganz konkret dazu, die globalen Asymmetrien abzubauen.
Konkrete Forderungen des Schlusskommuniqués weisen den Weg, wie dies gelingen könnte:
- Einführung eines einheitlichen Aufenthaltstitels für „Künstler*in selbst/unselbstständig“, allenfalls mit Anzeigepflicht der unselbstständigen Tätigkeit an das AMS
- Bei Niederlassungsbewilligung Künstler*in: Einkommen aus anderen, nicht-künstlerischen Quellen zulassen/einrechnen
- Nutzung der im Rahmen des EU-Visakodex vorhandenen nationalen Handlungsspielräume zur Erleichterung von Einreise, Aufenthalt und Beschäftigungsbedingungen von Künstler*innen, Kultur- und Medienarbeiter*innen aus EU- Drittstaaten in Österreich.
Das Regierungsprogramm verspricht:
Die musisch-kreative Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen muss in allen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen weiter forciert werden (S. 37).
Das Schlusskommuniqué der ARGE zeigt, wie dies konkret ginge:
- Um kulturelle Bildung an Schulen nachhaltig zu unterstützen, sind sowohl die Stärkung und Professionalisierung der künstlerischen Fächer als auch der Ausbau von kultureller Projektarbeit im Rahmen des Unterrichts notwendig. Es muss sichergestellt werden, dass es in jeder Schule kompetente Ansprechpartner*innen für Belange kultureller Bildung gibt. Auch in allen Landes-Bildungsdirektionen muss die Fachkoordination für kulturelle Bildung dringend aus- statt abgebaut werden.
Das Regierungsprogramm verspricht:
die Sicherstellung der Dotierung des Künstlersozialversicherungsfonds sowie seine Evaluierung und Weiterentwicklung der Förderkriterien und des Bezieherkreises (S. 38).
Konkrete Forderungen des Schlusskommuniqués weisen den Weg, wie dies gelingen könnte:
- Anhebung des jährlich maximalen Zuschussbetrags aus dem Künstler*innen-Sozialversicherungsfonds (KSVF) und keine Aliquotierung des jährlichen Maximalbetrags bei nicht ganzjähriger Pflichtversicherung.
- Erleichterung des Zugangs zum Künstler*innen-Sozialversicherungsfonds (KSVF) sowie Ausweitung der Zuschussberechtigten. In Kultur und Medien selbstständig Tätige sowie Kulturvermittler*innen sind nach wie vor ausgeschlossen, und für Künstler*innen gilt ein restriktiver Kunstbegriff als Zugangsvoraussetzung.
Es ist Zeit, diese Versprechen aus dem Regierungsprogramm einzulösen. Die zivilgesellschaftlichen Expertinnen der Arbeitsgemeinschaft „Kulturelle Vielfalt“ appellieren an die Bundesregierung, sich ehestens den genannten Vorhaben zu widmen – und unter Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Expertinnen nun rechtzeitig vor dem Ende der Legislaturperiode konkrete Umsetzungen zu erarbeiten. Die detaillierten Forderungen des Schlusskommuniqués.
Wir ersuchen um Ihre Auskunft zum Stand der Dinge und einen Terminvorschlag, um die gemeinsame Arbeit daran aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Glauser, Institut für Kulturmanagement und Gender Studies / mdw
Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Fachverband der Film- und Musikwirtschaft
Daniela Koweindl, IG Bildende Kunst
Elisabeth Bernroitner, D–Arts
Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren
Harald Huber, Österreichischer Musikrat
Helga Schwarzwald, Verband Freier Rundfunk Österreich
Kulturrat Österreich
Peter Vieweger, AKM
Patrick Mathae, EU XXL
Sabine Reiter, mica – music austria
Yvonne Gimpel, IG Kultur Österreich
Zahra Mani, Austrian Composers