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Kulturmanagement

  • von

(Zeitung 2006) Kein rotes Tuch – Keine Heilslehre. Tasos Zembylas

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Kulturmanagement umfasst in erster Linie Kernaufgaben im Bereich Führung, Planung, Organisation, des Marketing und des Controlling eines Betriebs bzw. eines Projekts. Diese Aufgaben sind im Laufe des 20. Jahrhunderts immer stärker als eigenständige Berufsfelder wahrgenommen worden. Einige Gründe sind zu nennen: die quantitative Erweiterung und die Binnendifferenzierung der Kulturmärkte, die Kostenexplosion im Produktions- und Vermarktungsbereich, der fortschreitende Arbeitsteilungsprozess u.a.

In gewinnorientierten Kulturorganisationen war es historisch gesehen immer klar, dass ManagerInnen eine zentrale Rolle spielen, denn das Ziel solcher Unternehmen ist neben der Existenzsicherung der wirtschaftliche Erfolg. Anders ist es im Nonprofit-Bereich sowie in Kulturorganisationen der öffentlichen Hand. Hier hatte in der Regel die künstlerische Intendanz auch die Hausleitung inne und der Betrieb musste nicht immer kostendeckend geführt werden. Die Betonung liegt hier bei „hatte“, weil sich seit den 1980er Jahren ein Veränderungsprozess im Nonprofit-Bereich beobachten lässt: Personen mit einer wirtschaftlichen oder juristischen Grundausbildung übernehmen die Geschäftsleitung und greifen in den Entscheidungsbereich von anderen leitenden Personen mit künstlerischer und kunstwissenschaftlicher Fachkompetenz ein. Dabei besteht freilich die Gefahr, kulturelle Inhalte sekundären Vermittlungs- und Managementzielen unterzuordnen.

Management als Aktionsfeld

Kulturmanagement repräsentiert ein Aktionsfeld, in dem Entscheidungen vorbereitet und getroffen, dann Maßnahmen geplant und umgesetzt werden. Management ist, verkürzt gesagt, ein Tun, ein Vollzug. Seine Wirkung ist konstitutiv und regulativ, weil es die Bedingungen für die Realisation, Verbreitung, Vermittlung und Rezeption von kulturellen Gütern und Leistungen schafft und/oder beeinflusst.

Wenn das Handeln von ManagerInnen in den Vordergrund gesetzt wird, kommt auch eine mehr oder weniger konkrete Vorstellung von Handlungsrationalität ins Spiel. Aus dem Glauben an diese Handlungsrationalität heraus wird die Erwartung gehegt, dass KulturmanagerInnen ihr Handlungsfeld richtig einschätzen können, das heißt

  • ihre Organisation effektiv und effizient planen,
  • die Produkte ihrer Organisation klar und konsistent definieren,
  • den Markt (Angebot und Nachfrage) für ein bestimmtes Produkt realistisch erfassen und quantifizieren sowie
  • bei verschiedenen Optionen zwischen Pro und Kontra abwägen.

Ich möchte Rationalität nicht als Aberglaube desavouieren, aber alle diese Annahmen sind fragwürdig. Wirtschaftliches Denken ist im Wesentlichen quantitativ ausgerichtet, weil normative Fragestellungen sowohl von der Mainstream-Ökonomie als auch von der Betriebswirtschaftslehre weitgehend abgelehnt werden. Die Betriebswirtschaftslehre und in der Folge die Kulturmanagementlehre werden entsprechend dieser Selbstdefinition als positive, das heißt wertneutrale Wissenschaften dargestellt.

Diese Annahmen sind bekannt; allgemein bekannt ist auch die Tatsache, dass sie umstritten sind. Sowohl die Unterstreichung der Relevanz ökonomischer Aspekte auf der einen Seite als auch der von KritikerInnen formulierte Vorwurf des Reduktionismus auf der anderen Seite sind berechtigt und ernst zu nehmen. Entscheidend ist meines Erachtens aber auch die Art und Weise, wie wir diese kontroversen Sichtweisen diskutieren. Um Dogmatismus und geistige Unbeweglichkeit zu vermeiden, wäre es empfehlenswert, auf zwei potentielle Gefahren zu achten:

Erstens zu versuchen, essentialistische Positionen zu vermeiden. Es gibt nicht ‚nur eine‘, womöglich auch ‚einzig richtige‘ Sichtweise, die auf einer Wesenseinsicht beruht. Kulturorganisationen erscheinen oft wie Vexierbilder, das heißt sie weisen je nach Betrachtungsperspektive und Situation unterschiedliche Eigenschaften auf. Ihre multiple Identität fordert uns auf, sie in ihrer Komplexität und inhärenten Widersprüchen zu sehen. So kann es uns gelingen, ökonomische, kulturpolitische und kulturalistische Aspekte simultan wahrzunehmen. (Das gleiche gilt auch für Kulturgüter. Sie sind kontextsensitiv und können daher unterschiedliche funktionale Merkmale entwickeln. Sowohl ihre symbolische als auch ihre ökonomische Dimension erscheinen mir als immanente Aspekte von Kulturgütern.)

Mein zweiter Vorschlag betrifft die Ablegung der Kategorien „richtig“ oder „falsch“; stattdessen sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf die praktische Signifikanz der verschiedenen Argumente konzentrieren. Welche Präferenzen, Entscheidungsoptionen und Handlungsmuster werden bevorzugt, wenn jemand den Kultursektor beispielsweise als Industriesektor bzw. als Kreativindustrie denkt, oder wenn Kulturmanagement vorwiegend als angewandte Betriebswirtschaftslehre gedacht wird.

Jedenfalls erwächst aus dieser Erwartungshaltung auch ein Rechtfertigungsdruck, der auf KulturmanagerInnen lastet. Entscheidend ist hier, wem die einzelnen KulturmanagerInnen Rede und Antwort stehen müssen: den AktionärInnen, den Eigentümer-Innen und GeldgeberInnen, den Beschäftigten, den Kunst- und Kulturschaffenden, der Öffentlichkeit? Die Rechtfertigungskontexte können also sehr verschieden sein und deshalb müssen KulturmanagerInnen ihr Handeln aus unterschiedlichen Perspektiven reflektieren können.

KulturmanagerIn als soziale Rolle

Eine soziale Rolle, wie jede Berufsrolle, basiert auf stereotypen Zuschreibungen und konkreten Erwartungshaltungen. Als sozialer Prototyp gegenwärtiger postindustrieller Gesellschaften verkörpert er nicht nur Erfolg, Macht und Reichtum, sondern auch das ideale, wie wohl auch mythisch aufgebaute Bild eines nüchternen, tatkräftigen und zugleich pragmatischen Menschen. Man braucht sich also nicht wundern, wenn KulturpolitikerInnen stets auf der Suche nach ManagerInnen und (teuren) Beratungsfirmen sind, um defizitäre Stadttheater, in die Krise geratene Museen und schwach besuchte Musikfestivals in manchen Tourismusregionen wieder auf Vordermann zu bringen. Diese Tendenz zur „Vermanagerung“ des Kultursektors ist zweifelsohne empirisch nachweisbar. („Vermanagerung“ wird hier als Kritik gegen die Marginalisierung der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den produktiven Leistungen von Kulturorganisationen gebraucht.)

Wird am Managementwesen die Welt genesen? Diese Frage riecht nach einer versteckten Heilslehre und es lohnt sich etwas genauer hinzuschauen, um die Berufsbilder von und die Erwartungen an KulturmanagerInnen zu verstehen. Im Folgenden werde ich vier Berufsbilder erwähnen – wohlwissend, dass die Wirklichkeit viel komplexer und widersprüchlicher ist.

  • Kulturmanagement als die „Kopfregion einer Organisation“. Die Kopf-Metapher ist assoziiert mit der Funktion der Führung und Steuerung, aber auch mit der Idee der Vernünftigkeit und Reflektiertheit. Gleichzeitig wird den Kulturschaffenden stillschweigend das Attribut des Irrationalen zugeschrieben, um so die Rolle des Managements zu legitimieren. Unübersehbar wird also hier ein Führungsanspruch geltend gemacht.
  • KulturmanagerIn als SchnittstellenmanagerIn. Die Metapher der Schnittstelle setzt mindestens zwei distinkte Bereiche, die sich überschneiden, voraus. Demnach wird suggeriert, dass KulturmanagerInnen das prekäre Verhältnis zwischen kulturellen Inhalten, ihrer Vermarktung und Vermittlung anerkennen. Kulturmanagement soll Lösungen für systemische Zielkonflikte anbieten. Die Funktion des Kulturmanagements besteht folglich in der Kommunikation und Versöhnung zwischen der Welt der Kultur und der Welt der Ökonomie.
  • KulturmanagerIn als ErmöglicherIn von Kultur. „Ermöglichen“ wird vorerst pragmatisch verstanden, wobei die führende Rolle des Kulturmanagements in Hinblick auf die Sicherung der nötigen Ressourcen für die Realisierung von Projekten hervorgehoben wird. Hier wird der Typus des/der sachlichen Planers/in forciert. Tendenziell wird der Fokus vom „Was“ auf das „Wie“ verlegt.
  • KulturmanagerIn als GeburtshelferIn. Diese Metapher, die auf Sokrates zurückgeht, akzentuiert noch stärker die Involvierung der ManagerInnen im kreativen Prozess. Damit unterstreicht man die Absicht mit Kulturschaffenden eng zusammenzuarbeiten. In diesem Fall wird das aktive Mitwirken des Kulturmanagements im Konzeptions- und Produktionsprozess betont.

Diese unterschiedlichen idealtypischen Berufsbilder suggerieren verschiedene Arbeitsstile bzw. Arbeitskulturen und Arbeitsbeziehungen. In der Realität können wir trotz mancher Differenzen auch viele Gemeinsamkeiten entdecken, wie z.B. gleiche Abwehrreaktionen gegenüber kulturpolitischen Interventionen und ähnliche Immunisierungsstrategien gegen Veränderungen und Evaluierungsversuche. Solche Verhaltensregularitäten erklären sich einerseits durch die Machtasymmetrie zwischen Kulturpolitik und den einzelnen Kulturorganisationen, andererseits stellt der Aufbau von Barrieren und Widerständen ein Phänomen dar, das in sämtlichen bürokratischen Prozessen beobachtbar ist.

Nachwort

Kulturmanagement als eigenständiger Beruf hat sich seit den 1960er Jahren international zunehmend etabliert. Seine Wirkung in Kulturorganisationen ist selten konfliktfrei. Kulturmanagement kann im kooperativen Geist kulturunterstützend sein; oft ist es aber mit Denkstilen und Handlungsroutinen behaftet, die mit der Produktionslogik vieler Kulturschaffender inkompatibel sind. Der Wille zur Effizienz allein kann jedoch die Vormacht von KulturmanagerInnen nicht legitimieren, denn Kulturorganisationen (insb. im Non-Profit-Bereich) sind primär zielorientiert und ihre Ziele sind bekanntlich nicht ökonomisch, sondern kulturell.


Tasos Zembylas ist am Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft „IKM“: an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien tätig