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Arbeitzeitverlängerung?

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(Stellungnahme vom 22. Juni 2018) Kulturrat Österreich nimmt gegen die Verlängerung der Arbeitszeit Stellung.

NEIN zum 12-Stunden-Tag!

… und zu allen anderen Angriffen auf Sozial- und Arbeitsrechte

Aufruf zur Demonstration
Samstag 30. Juni 2018 14h
Treffpunkt Westbahnhof Wien


Stellungnahme des Kulturrat Österreich zum Initiativantrag 303/A vom 14.6.2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

  1. Eine „Normalarbeitszeit“ von 40h/Woche ist bereits zu hoch angesetzt. In zahlreichen Kollektivverträgen liegt die „Normalarbeitszeit“ schon seit langem darunter – aus guten Gründen. Lange Arbeitszeiten machen krank und erhöhen die Unfallgefahr. Bekanntlich wurden Arbeitszeitverkürzungen im Lauf der Geschichte aus einer Vielzahl von Gründen durchgeführt, und nicht zuletzt, um angemessene Ruhe- und Erholungszeiten oder eine ansatzweise Vereinbarkeit von Kinderbetreuungspflichten und Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Zur Erinnerung: Die Reduzierung der „Normalarbeitszeit“ auf 8h/Tag wurde in Österreich 1918 eingeführt – ein Zurück um 100 Jahre ist völlig absurd.
  2. Die betonte „Freiwilligkeit“ bei 12-Stunden-Tagen ist nicht gegeben: Nach dem aktuellen Entwurf kommt den DienstgeberInnen eine Anordnungsmöglichkeit zu, die DienstnehmerInnen dürfen dann nicht ohne Begründung ablehnen – eine Ablehnung angeordneter Überstunden bleibt wie schon bisher Grund für eine fristlose Entlassung.
  3. Insbesondere betreffend geteilte Dienste: Das Forcieren des Konzepts Arbeit-Essen-Arbeit-Kurzschlaf-Arbeit im Rad mit einer generellen Verkürzung von täglichen Mindestruhezeiten (bspw. im Tourismus, von 11 auf 8 Stunden) ist ganz einfach unmenschlich, setzt Körper und Psyche einer Belastung aus, die in niemandes Interesse sein kann, und verletzt das Recht auf Privatleben.
  4. Das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz schützen die Rechte von Arbeitnehmer_innen (die mitnichten ihren jeweiligen Dienstgeber_innen mit gleicher Verhandlungsmacht gegenüberstehen). Die vorliegenden Änderungsvorschläge enthalten ausschließlich Verschlechterungen dieses Schutzes. Im wesentlichen konzentriert sich der Initiativantrag auf vier Punkte: Ermöglichen von längeren Arbeitszeiten, wo es bisher nicht möglich war (inkl. partielle Reduktion der finanziellen Abgeltung durch Überstundenzuschläge); Ausschalten von Betriebsrät_innen und/ oder Arbeitsmedizin in Fällen, wo diese bisher entscheidungsfindend einbezogen waren; Streichen von Schutzmaßnahmen gegen Überarbeitung (Stichwort: Ruhezeit); Einschränkung der Geltung des Arbeitszeitgesetzes in einem absehbar großen Ausmaß (vgl. z. B. Ausdehnung All-in-Verträge). Eine Maßnahme zur „bessere[n] Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit“ (vgl. Begründung) enthält der vorgeschlagene Gesetzestext dagegen nicht. Ebenso fehlen Schutzregelungen gegen Missbrauch.
  5. Die vorgeschlagene Erweiterung des §42b ASVG betreffend Verdachtsfälle von Versicherungsmissbrauch zielt ausschließlich auf Dienstnehmer_innen ab und illustriert die Zielrichtung der Gesetzesnovelle: Arbeitnehmer_innen werden unter Generalverdacht gestellt, ihre Rechte werden ausgehöhlt! Auch hier erfolgt eine Ver­schlechterung der Situation von Beschäftigten, wenn, wie man annehmen kann, Ressour­cen für das Monitoring gegen Sozialbetrug (etwa aufgrund von informeller Arbeit, un(ter)dokumentierter Arbeit, Scheinselbstständigkeit etc.) für Kontrollzwecke einge­setzt werden. Doch nicht Arbeitnehmer_innen betreiben Lohndumping und Sozialbetrug, sondern Arbeitgeber_innen, die Arbeitnehmer_innen ausbeuten.
  6. 12-Stunden-Tage vernichten Arbeitsplätze. Grundsätzlich gilt es, einen Bedarf an Mehrarbeit zuallererst durch die hohe Anzahl an Erwerbslosen abzudecken (Stichwort Arbeitsumverteilung). Mitzudenken sind zudem vorgegebene Pflichten für Erwerbslose in der Arbeitssuche: Zusammen mit z. B. zu akzeptierenden Wegzeiten werden aus 12 Stunden 16 – pro Tag! Einen spontanen Umzug können sich viele nicht leisten, und wie das mit Kinderbetreuungspflichten vereinbar sein soll, hat wohl noch niemand überlegt.
  7. Im Kunst-, Kultur- und Medienbereich sind Arbeitsverhältnisse, sofern sie überhaupt Anstellungen sind, divers und häufig geprägt von einem Missverhältnis zwischen Arbeitsleistungen und Ruhezeiten. Freiwillige Mehrarbeit – auch unbezahlt – ist eher Standard als Ausnahme. Im Konfliktfall – wenn dieses Missverhältnis zu ausgeprägt oder einseitig eingefordert wird – schützen jedoch die bisherigen Arbeitnehmer_innenrechte. Die geplante Aushebelung dieser Rechte führt weder zu einer besseren Bezahlung noch zu einem besseren Arbeitsverhältnis, sondern absehbar lediglich zu einer weiteren Erhöhung von Wochenarbeitsstunden bei unveränderter Entlohnung.
  8. Zur Illustration das Beispiel Film: Hier wurde die 60h-Woche mittels Kollektivvertrag erlaubt. Das schnelle und letztlich bis heute dauerhafte Ergebnis: Die 60h-Woche ist Normalität, wer weniger arbeiten möchte, muss sich eine andere Art von Erwerb suchen. Wer sich entschließt, so kontinuierlich zu arbeiten wie möglich, muss Abstriche in seinem/ihrem persönlichen Leben machen. Wie eine Studie von L&R Sozialforschung zur sozialen Lage der Filmschaffenden zeigt, ziehen diese Arbeitszeiten schwere Folgen nach sich: 35% der Filmschaffenden leben in Einpersonenhaushalten und weitere 40% in Mehrpersonenhaushalten ohne Kinder (unter 14 Jahren). Das heißt, dass 75% der Filmschaffenden nicht mit (kleinen) Kindern leben.
  9. Sämtliche angestrebten Gesetzesänderungen sind ein Angriff auf bestehende Arbeitnehmer_innenrechte. Sie zielen einzig und allein auf Vorteile für die Arbeitgeber_innenseite und den Ausbau ihrer Machtposition ab. Der Kulturrat Österreich lehnt den vorliegenden Initiativantrag daher zur Gänze ab.
  10. Für eine detaillierte Auflistung der Probleme und Folgen und deren Einschätzung verweisen wir auf andere vorliegende Stellungnahmen, insbesondere jene der Bundesarbeiterkammer und der Gewerkschaften. Den Stellungnahmen unserer Mitgliedsverbände schließen wir uns an.

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