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Copyright

  • von

(Zeitung 2006) Eine kurze Auflistung von Mißverständnissen. Paul Stepan

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Copyright, oder hierzulande das Urheberrecht, ist in letzter Zeit immer öfter Anlass für hitzige Diskussionen. Diskussionen, die im Unterschied zu vielen anderen keine klaren Demarkationslinien aufweisen, in denen es also nicht zu den üblichen Lagerbildungen zwischen links und rechts oder Progressiven und Konservativen kommt. Auch in der hiesigen Debatte geht alles durcheinander und so manche, die zu Eigentumsrechten generell ein ambivalentes Verhältnis haben, finden sich plötzlich als verbissene VerfechterInnen von geistigem Eigentum wieder, während Leute, die Eigentum als die zentrale Triebkraft unserer Gesellschaft sehen, plötzlich als GegnerInnen des Urheberrechts auftreten. In diesem Artikel möchte ich kurz auf die häufigsten Missverständnisse hinweisen und Fragen an all jene richten, die das Urheberrecht ohne Wenn und Aber verfechten.

Ökonomische Grundlagen

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass ich Ökonom bin und daher dem Copyright gegenüber fast zwangsläufig kritisch eingestellt. (Ich verwende im Weiteren den Begriff „copyright“ und nicht Urheberrecht, da die hiesigen Debatten ohnehin meist aus dem angloamerikanischen Raum importiert sind und sich auch argumentativ darauf stützen.) Es gibt keinen Volkswirt und keine Volkswirtin, der/die das Copyright unumwunden für etwas Positives hält (anders als JuristInnen, die das Copyright manchmal aus dem Naturrecht herleiten). Die Gründe, warum ÖkonomInnen das Copyright als eine Art defizitäre Krücke empfinden, liegen auf der Hand, denn Information hat aus ökonomischer Sicht zwei Eigenschaften: Zum Ersten ist sie nicht rival im Konsum, d.h. der Konsum eines Musikstücks wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass eine andere Person dasselbe Musikstück hört. Oder einfacher gesagt: Mehrere Personen können gleichzeitig ein Lied hören. Anders bei einem Apfel, der nicht von zwei Personen gleichzeitig aufgegessen werden kann. Und zum Zweiten können Menschen vom Konsum nicht ausgeschlossen werden (z.B. terrestrisches Fernsehen), auch wenn das nicht für alle Fälle gilt.

Treffen beide Eigenschaften auf ein Gut zu, so spricht man in der Ökonomie von einem öffentlichen Gut (im Unterschied zu Gütern im öffentlichen Besitz!). Information ist demnach also ein öffentliches Gut. Aus ökonomischer Sicht gibt es gute Gründe, warum öffentliche Güter nicht privat bereitgestellt werden können oder zumindest nicht in einer gesellschaftlich effizienten Menge. Bei mehr oder weniger reinen öffentlichen Gütern (Leuchttürmen, terrestrischem Rundfunk, Landesverteidigung usw.) finden sich nur sehr wenige Menschen, die dafür freiwillig Mittel beisteuern würden. Die meisten würden darauf hoffen, dass andere für die Bereitstellung sorgen und sie selbst davon profitieren können. Deshalb hebt der Staat für viele dieser Leistungen Steuern ein und stellt diese Güter und Dienstleistungen bereit.

Im Falle des Copyrights stellt der Staat nun nicht die Güter oder Dienstleistungen direkt bereit, sondern er gewährt eine indirekte Subvention in Form einer gesetzlichen Sonderstellung. Geistiges Eigentum ist weit stärker geschützt als anderes Eigentum wie beispielsweise Grund und Boden, Kartoffeln oder Sonnencreme, da über die normalen Eigentumsrechte hinausgehend auch der Gebrauch und die Verwendung geschützt sind. Man kann eine CD kaufen und anhören, aber man darf die Musik nicht verändern oder weiterverarbeiten oder sie in einem Film verwenden, denn die/der EigentümerIn kann es untersagen. In der Fachliteratur wird die Parallele zu einer Kartoffelbäuerin gezogen, die ihren KundInnen verbietet, aus ihren Kartoffeln Pommes frites oder Chips zu machen, und ihnen nur die Verwendung für Salzkartoffeln erlaubt. Erste Frage an die VerfechterInnen eines strengen Copyrights: Was ist an diesem Vergleich falsch? Warum sollten diese Rechte für geistiges Eigentum gelten und für Kartoffeln nicht?

Copyright als Anreiz, kreativ zu sein

Das Copyright soll Kreativität ermöglichen. Durch ein temporäres Monopol soll es Kreativen möglich sein, ihre Fixkosten wieder hereinzuspielen. Dass dieses Monopol aus Gründen der wohlfahrtsökonomischen Effizienz so kurz wie nur unbedingt notwendig sein soll, ist nachvollziehbar. Allerdings tauchten bereits in den 1930er Jahren Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahme auf.

Seitdem gehen in der Ökonomie die Meinungen auseinander, ob das Copyright Anreize zur Produktion setzt oder nicht. Einigkeit besteht aber darüber, dass es nie mehr sein kann als ein notwendiges Übel, da der starke Schutz immaterieller Güter nicht nur Kreativität fördert, sondern diese durch anfallende Transaktionskosten auch wieder beträchtlich hemmt. Als Alternative zu den Anreizen durch das Copyright wurden auch immer wieder andere Möglichkeiten der Remuneration diskutiert (Der Vorteil der Alternativen liegt darin, dass Ideen (bzw. deren Realisierungen) an sich nicht mehr geschützt sind und sofort weiterentwickelt werden können (siehe z.B. Open-Source-Bewegung oder Creative Commons). Lawrence Lessig, der Begründer der Creative-Commons-Lizenzierungsplattform, spricht im Zusammenhang mit dem Copyright von einer „permission culture“ – nichts geht ohne Erlaubnis und daher geht auch nur wenig.

Im Grunde dreht sich alles um die eine zentrale Frage: Wie können kreative Leistungen remuneriert werden? In der Wissenschaft geschieht dies in Europa über öffentliche Bereitstellung, im angloamerikanischen Raum teils über öffentliche, teils über wohltätige Bereitstellung, in keinem Fall aber über Marktmechanismen.

In Europa werden die meisten Kunstsparten (Musik, Theater, Film etc.) aus öffentlichen Mitteln entweder höchstgradig subventioniert oder voll ausfinanziert. Dazu kommt der volle urheberrechtliche Schutz – aus wohlfahrtsökonomischer Sicht der blanke Wahnsinn. Beispielsweise bekommen Filme, die in Österreich in aller Regel ausfinanziert sind, den vollen urheberrechtlichen Schutz noch als Sahnehäubchen draufgesetzt. Dieser lockere Umgang mit einem Instrument wie dem Copyright rächt sich denn auch, da die volle Finanzierung auf der einen Seite und der überaus starke Schutz auf der anderen Seite zwei Anreizmechanismen sind, die einander blockieren. In der heimischen Filmindustrie zeigt sich das ganz deutlich: Die Anreize zu produzieren sind vorhanden, allerdings sind die Anreize, öffentlich finanzierte Filme zu vertreiben und auszuwerten, gelinde gesagt, unterentwickelt. Zweite Frage: Wenn das Copyright derart essenziell für Kreative ist, wie kann dann die Höhe der Förderquote erklärt werden? Wenn das Copyright die Verleihung eines temporären Monopols ist, um die Fixkosten der Entwicklung wieder erwirtschaften zu können, warum braucht dann ein von vornherein ausfinanzierter Film noch das Copyright?

Leider verteidigen auch viele Kreative in Europa das Copyright auf Grund einer falsche Analogie: ‚Was für den Megablockbuster Titanic gut ist, muss auch für mich gut sein’. Wenn europäische KünstlerInnen das Copyright so vehement verteidigen, müssen sie sich darauf einstellen, dass PolitikerInnen, eben darauf verweisend, nach und nach Subventionen kürzen werden und das Feld „ökonomisieren“ wollen. Wenn dieses Recht derart verteidigt wird, muss man davon ausgehen, dass dadurch substanzielle Werte generiert werden.

Hier die letzte Frage: Hand aufs Herz, wer würde, vor die Wahl zwischen Copyright und der gängigen Subventionspraxis gestellt, das Copyright als Einnahmequelle bevorzugen? Für den Filmbereich hieße das, 100% Eigenanteil auf eigenes Risiko wieder hereinbringen zu müssen – das wäre das schlagartige Aus für den gesamten österreichischen Film mit Ausnahme von ein paar vereinzelten Kleinstproduktionen. Und ganz so unrealistisch ist das nicht, denn GATS und TRIPS winken ohnehin schon freundlich über den großen Teich.


Paul Stepan ist Kulturökonom an der Erasmus Universität Rotterdam.


Literatur

  • Arrow, Kenneth J. 1962. “Economic Welfare and the Allocation of Resources for Invention.” In The Rate and Direction of Inventive Activity, edited by Kenneth J Arrow, 609–25. Princeton: Princeton University Press.
  • Boldrin, Michele, and Levine, David, „The Case against Intellectual Property,“ The American Economic Review, Papers and Proceedings, 2002, 92(2), 209-212.
  • Boldrin, Michele, and David Levine. 2005. Against Intellectual Monopoly. Working Paper http://www.dklevine.com/general/intellectual/against.htm. (last updated November 11, 2005)
  • Lessig, Lawrence. 2004. Free Culture:
How Big Media Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity. The Penguin Press, USA
  • Plant, Arnold. 1934. The economic aspects of copyright in books. Economica 1: 167-195.
  • Shavell, Steven and van Ypersele, Tanguy. 2001. Rewards Versus Intellectual Property Rights. Journal of Law and Economics 44: 525–548.
  • Landes, William, and Douglas Lichtman. 2003. Indirect liability for copyright infringement: An economic perspective. Working Paper No. 179. University of Chicago John M. Olin Law & Economics