Zum Inhalt springen

Dancing Stars

  • von

(Zeitung 2006) Der Tanz um die Bewegungsfreiheit der Kunst. Petja Dimitrova/Marty Huber

(zurück zum Inhaltsverzeichnis)

Mehrmals wird in dieser Veröffentlichung auf ein Fundament unserer Gesellschaft hingewiesen, das immer öfter verteidigt werden muss: die Freiheit der Kunst. Über die neuen Einschränkungen fremdenrechtlicher Art für KünstlerInnen, die nicht aus EU- oder EWR-Staaten stammen, hat schon Doris Einwallner in ihrem Artikel berichtet. Wie verhält es sich jedoch mit den Innenansichten von Kunstschaffenden und KulturveranstalterInnen? Gibt es doch das Selbstbild von gelebter „Multikulturalität“, und das nicht nur im bewahrerischen, traditionellen Sinn von Kultur, sondern sehr wohl gedacht als zeitgenössische Offenheit für Entwicklungen von KünstlerInnen, egal welcher Nationalität, Religion, sexueller Orientierung, Hautfarbe etc.

Der zeitgenössische Kunstmarkt ist angeblich frei von plumpem Rassismus, ist offen für alles, was sich verkaufen lässt, ist weltbürgerlich und sowieso nomadisch, wie auch die KünstlerInnen − und ist damit die wohl einzig funktionierende Verbindung von ungebremsten Kapitalflüssen und Mobilität von Menschen. Dass dem nur in einem sehr elitären Spitzenfeld zuzustimmen ist, zeigen schon die Änderungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes. In Österreich wird es wie schon bisher möglich sein, KünstlerInnen, WissenschafterInnen und SportlerInnen in kürzester Zeit die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn sie nur genug soziales und auch wirtschaftliches Kapital abwerfen.

Aber wohin werden Kunst- und Kulturschaffende verdrängt, die weiterhin oder zukünftig in Österreich arbeiten und legal leben wollen, ohne in diese Kategorie zu fallen? In Ehen mit PartnerInnen mit dem richtigen Pass? Und dann müssen sie beweisen, dass sie auch wirklich verheiratet sind. Es gibt keinen Aufenthaltsstatus mehr aufgrund künstlerischer Tätigkeit, der längerfristiges Planen erlauben würde. Also, wie frei ist die Kunst und ihre Ausübung?

Reduktion auf Folklore und Ethno-Food

Zurück zur Frage nach dem Selbstbild einer sich öffentlich (nach außen hin?) offen präsentierenden Kulturnation. Warum hängt auf dem Burgtheater keine Protestfahne gegen diese Verschlechterung, wie im Zuge der Widerstandsbewegungen 2000, wo auf eben so einer Fahne zu lesen war, aus welchen Nationen die Angehörigen des Ensembles sind? Zwischen Weltoffenheit und einer Absage an den plumpen Rassismus jener Tage schwang da auch ein wenig Exotik mit, und es war ein Symbol für die Anreicherung der Kulturnation Österreich. Gegen den Rassismus unserer Tage gibt es kein öffentliches Anzeichen eines wie auch immer gearteten Rückgrats. Vielleicht freut sich ja so manche Leitung sogar über die Prekarisierung der Verhältnisse, wer weiß? Aber nicht nur aus der Verschlechterung von Aufenthaltstiteln und somit der Arbeitsverhältnisse insgesamt wird Nutzen gezogen, sondern wie eh und je auch aus der Exotisierbarkeit von künstlerischen Arbeiten. Es wäre ein Einfaches, Beispiele der Alltagskultur heranzuziehen, wo das Angebot kulinarischer Spezialitäten aus diversen Ländern als Gradmesser für die Offenheit einer Gesellschaft herangezogen wird.

Dass diese Reduktion auf Folklore und Ethno-Food das Gegenteil von gut ist, haben schon andere treffend bemerkt. Aber auch im zeitgenössisch-hochkulturellen Kunstveranstaltungsbetrieb fühlt man sich bemüßigt, Ethnisierungen fortzuschreiben und zu vertiefen. Als Beispiel sei die Kunsthalle Wien angeführt, die sich laut ihrer Website als „Werkstatt, als Labor, als Verhandlungsort zeitgenössischer ästhetischer und gesellschaftlicher Positionen, als heiße Zone des kulturellen Transfers“ definiert. In ihren Betitelungen von Ausstellungen, die sich bestimmten Ländern oder Erdteilen widmen, zeigt sich diese Struktur simpel und klar. Spezifischen Ländern bzw. Regionen werden Beschreibungen einer zu fixierenden Identität oder auch Projektionen hegemonialer Strukturen beigemengt und anderen nicht. Auszugsweise waren das zum einen „Cuba – Landschaften der Sehnsucht“ (1999), „Kapital & Karma“ (Schwerpunkt Indien, 2002) „Africa Screams“ (2004), „Black, Brown, White“ (Schwerpunkt Südafrika, 2006), und zum anderen „Norden“ (Schwerpunkt Nordeuropa, 2000) und die 2007 stattfindende Ausstellung „Americans“. Während die Länder des Südens und der Karibik alle mit exotisierenden, rassisierenden oder religiösen Beschreibungen bedacht werden, brauchen die Regionen des hegemonialen Nordens keine dieser blumigen Teaser um Publikum in die Kunsthalle zu locken. „Flash Afrique“ (2001), eine Ausstellung zur zeitgenössischen Fotografie in Westafrika, wurde fleißig mit allzu bekannten Klischees beworben: „Afrika: Terra incognita? Das Herz der Finsternis? Vielleicht gar der ‚schicke Kontinent’“.

Die Erweiterung des Interventionsraumes: Dancing in the Streets

Ein anderer Schauplatz für Auseinandersetzungen um migrantische Positionen im Kunstfeld ist der Bereich der Kunst im öffentlichen Raum. Zwei der aus diesem Budgettopf der Stadt Wien geförderten Projekte wollen wir im Folgenden gegenüberstellen: „arbeiten gegen rassismen“ (initiiert von Daniela Koweindl und Martin Krenn, 2005) und „Geschichte(n) vor Ort“ (kuratiert von Michal Kolecek, Margarethe Makovec und Roland Schöny, 2006). „Geschichte(n) vor Ort“ wollte in einem durch eine 200-jährige Zuwanderungsgeschichte geprägten Stadtviertel Volkertmarkt im zweiten Wiener Gemeindebezirk mit Interventionen zum Dialog mit dem lokalen Alltag aufrufen. Neben den KünstlerInnen der lokalen Szene waren auch KünstlerInnen mit Bezug zu den Herkunftsländern der BewohnerInnen eingeladen, um „Kunstprojekte zu realisieren, welche persönliche Geschichten im Sinne typischer Biografien aufgreifen, in Richtung Fiktion und Utopie weiterdenken und umgekehrt auch politische Geschichte der unmittelbaren Umgebung mitreflektieren sollten“. Ganz abgesehen davon, dass das Eröffnungsfest sich wiederum der schon oben angesprochenen Exotisierungen bediente (ein Blick auf das Programm genügt: „Gipsy Info: Feuriges Roma-Quartett aus Ex-YU, hat furios den Balkan intus! Azra: Turkish Pop-Trio mit Sängerin & und Bouzouki, orientalisch-mediterran! Transasia: Bangla Deshis mit klassischer Tabla, Harmonium, Flamencogitarre!“) und die Reduktion von gesellschaftlichen Brennpunkten auf biografische Einzelschicksale allzu gerne vorangetrieben wird: Das Gros der Interventionen ist weniger an emanzipatorischen Fragestellungen interessiert bzw. wurden künstlerische Formen gewählt, die der angeführten Intention offenkundig nicht dienlich sind. Zum leichteren Verständnis ein Beispiel: „Global Parking“ der Gruppe Kamera Skura versuchte durch die Markierung von Parkplätzen auf die Verbauung des Stadtraumes und auf die Bewirtschaftung von Abstellplätzen hinzuweisen. Dass sie aber ausgerechnet religiöse Symbole benutzten, um Bodenmarkierungen auf den Parkplätzen anzubringen, irritiert in wahrscheinlich unbedachter Weise. Die Reduktion von Diversität auf unterschiedliche Religionen ist gerade heutzutage eine fatale Verstärkung gängiger Diskurse. Die Ausnahme innerhalb des Projektes ist die Arbeit „Istiklal Allee“ von Michael Blum, eine Installation in der Heinestraße. Er zeigt die Geschichte der Straßenumbenennung eben dieser Heinestraße seit dem 19. Jahrhundert und wirft auch einen Blick in die Zukunft, indem er die Straße in „Istiklal Allee“ umbenennt, eine Referenz an die weltberühmte Istiklal Caddesi (Unabhängigkeitsstraße) in Istanbul.

Das von KünstlerInnen und AktivistInnen gemeinsam entwickelte Projekt „arbeiten gegen rassismen“ besetzte Werbeflächen entlang der Straßenbahnlinie D mit verschiedenen Plakatmotiven. Die Plakatserie zeigte unterschiedliche künstlerische und aktivistische Positionen, die Wirkungsweisen von Rassismen sowie Widerstandsformen dagegen thematisieren. Das Besondere an diesem Projekt waren die Verknüpfungen zwischen künstlerischen wie auch aktivistischen Ausdrucksformen und sein wesentlich größeres Maß an interventorischem Potenzial. Ziel der Zusammenarbeit von KünstlerInnen und AktivistInnen war es, eine Allianz gegen Rassismus und Antisemitismus zu bilden sowie Öffentlichkeiten dafür zu schaffen und gemeinsam rassistischer Normalität entgegenzutreten. Diese Normalität fand ihren Ausdruck in der Weigerung der Wiener Linien, gewisse Sujets auch auf die Straßenbahnen zu affichieren. Die Projektgruppe ließ sich aber nicht auf die Forderung der Wiener Linien ein, bestimmte Sujets aus dem Projekt herauszunehmen, und sagte die Kooperation mit den Wiener Linien ab. Deren Ansinnen war nichts anderes als ein Versuch, die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks zu beschränken. „Werbung“ im schlechtesten Sinn für eines der in Zusammenarbeit mit der Schwarzen Frauen Community und dem Künstlerinnenkollektiv Klub Zwei (Simone Bader, Jo Schmeiser) entstandenen Plakate mit der emanzipatorischen, politischen Forderung: „Österreich braucht ein Antidiskriminierungsgesetz!“ Eines, das seinen Namen auch verdient und nicht nur den Minimalanforderungen der EU entspricht!


Petja Dimitrova ist bildende Künstlerin. Derzeit ist sie Mitarbeiterin der Initiative Minderheiten im EU-Projekt zur Bekämpfung von Rassismus am Arbeitsmarkt.

Marty Huber ist Sprecherin der IG Kultur Österreich und als Dramaturgin und queere Aktivistin tätig.



Links

www.arbeitengegenrassismen.net
www.schwarzefrauen.net
www.klubzwei.at