(Zeitung 2006) Kunstförderung seit 2000. Elisabeth Mayerhofer
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Die Ausgaben für Kunst und Kultur sind seit dem Antritt von Schwarz-Farbe gesunken. Und das nicht wenig. Im Jahr 2004 gab der Bund so wenig Geld aus wie noch nie seit 1995, dem Jahr, seit dem vergleichbare Daten vorliegen. In Zahlen gesprochen belaufen sich die Ausgaben des Bundes für Kunst/Kultur 2004 auf 0,78% der gesamten Bundesausgaben, bzw. 3,13‰ gemessen am BIP. Am stärksten von den Rückgängen betroffen war dabei das Bundeskanzleramt, das traditionell für die Förderung zeitgenössischer Kunst zuständig ist. Innerhalb der FördernehmerInnen sind die Kürzungen genauso ungleich verteilt wie die Fördersummen. Eine Konstante zieht sich allerdings durch: Wer wenig kriegt, wird auch stark gekürzt. So zum Beispiel Kulturinitiativen oder bildende Kunst. Dabei wird zwar insgesamt wenig eingespart, aber es läppert sich doch zusammen. In den Bereichen selbst fehlt dadurch ein großer Teil der ohnehin eher schmal bemessenen Gelder, sodass praktischerweise qua Förderverteilung auch gleich direkt in die Bereiche hineinregiert werden kann. Denn Förderentzug macht sich allemal besser als direkte Zensur, das hat der spiritus rector der scheidenden Regierung als Landeshauptmann in Kärnten gleich einmal vorgezeigt. So wird hierzulande nun einmal mit HandbeißerInnen verfahren.
Totengräber und Friedhofsverwalter
Ein näherer Blick auf die Ausgabenstruktur zeigt, dass sich der diskrete Staatssekretär Morak nicht nur als Totengräber einer lebendigen, kritischen Kunstszene verstanden hat, sondern auch gleichzeitig als Friedhofsverwalter. Denn die Einrichtungen der Repräsentationskultur profitierten nachhaltig von den neuen Akzentsetzungen. Etabliertes wurde üppiger gefördert als je zuvor. Ja, je uninspirierter und je freier von jeglichen aktuellen Diskursen die Inhalte aufgearbeitet wurden, desto besser. Eine rückwärts gerichtete, in Backhendlseligkeit schwelgende Verwaltung des kulturellen Erbes scheint ab 2000 zum kulturellen Leitbild geworden zu sein. Dementsprechend fließt seither der größte Teil der Bundesausgaben in den Erhalt bzw. die Bespielung von Großinstitutionen und -veranstaltungen. An diesem Punkt verschmelzen verschiedene konservative Ansätze zu einem fatalen Amalgam: Konservative, zentralistische Repräsentationspolitik lässt sich über finanziell abhängige Großinstitutionen natürlich gut durchziehen. Andererseits findet sich hier auch wieder ein Reflex der alten Mär für ökonomisch Halbgebildete, der „Umwegrentabilität“, wieder, die besagt, dass ausgegebene Subventionen x-fach wieder eingespielt werden – beispielsweise über Nächtigungszahlen oder andere, zumeist touristische Effekte. Was ja schön und gut sein mag, aber als Rechtfertigung für die Subvention von Kunst/Kultur leider zu kurz greift, denn dass dabei auch Alternativen mitbedacht werden müssen, wird ganz nonchalant unter den Teppich gekehrt: Was bringt einer Region nachhaltigeren Nutzen – ein neues Festival oder eine Betriebsansiedlung? In vielen Fällen sieht es dann für Kunst und Kultur nicht gut aus und die engen Grenzen einer ökonomischen Legitimation für Kunstförderung treten offensichtlich zu Tage.
Leider – und auch das hat die scheidende Regierung deutlich vor Augen geführt – werden hanebüchene Ansätze weder durch Wiederholung noch durch Implementierung richtig oder besser. So zum Beispiel, wenn Projekte, die eigentlich unter Kulturtourismus fallen, aus dem Kunstbudget gefördert werden in der Hoffnung, dass hier indirekt Gelder für den Fiskus erwirtschaftet werden können. Auch an diesem Punkt stellt sich die Frage nach den politischen Zielen. Die zur Verfügung gestellten Mittel Gewinn bringend zu investieren dürfte wohl kaum Zweck und Aufgabe des Kunststaatssekretariats sein, dessen geringe Dotierung allein schon jegliche Bemühung in diese Richtung bestenfalls herzig, an sich politisch fahrlässig erscheinen lässt.
Corporate Staatssekretär
Dieses Vorgehen ruft Erinnerungen an Versprechungen auf den Plan, die 2000 abgegeben wurden, als sich die Regierung durch feuchte Kellergänge zur Angelobung schlich: Die Pluralität von Förderstellen zum Beispiel, die das viel gescholtene „StaatskünstlerInnentum“ abschaffen sollte. Umgesetzt wurde davon allerdings nichts – nicht einmal die staatliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen, das denkbar leicht umsetzbare Liebkind neoliberaler Kunstpolitik, wurde auf die Reihe gebracht. Ganz zu schweigen von der Schaffung steuerlicher Anreize für Sponsoring oder von der Neufassung des Stiftungsgesetzes. Stattdessen wird mit öffentlichen Geldern eine immer risikoscheuere Reproduktionskunst gefördert, wie sie die meisten Unternehmen gerne unterstützen würden. Das BKA agiert mittlerweile wie ein Großkonzern mit philanthropischer Neigung. Worauf sich die hiesige Szene einstellt, wenn beispielsweise das Kunsthistorische Museum eine Geburtstagsparty für den Staatssekretär schmeißt. Kakanischer Untertanengeist und privatwirtschaftliches Denken gehen hier eine unselige Verbindung ein.
Worse governance
Letzteres zeigt sich auch in der Verschlechterung der Verfahrensstandards in einem Klima, wo eine kulturpolitische Debatte mit dem Versand von Presseaussendungen und Werbematerial verwechselt wird. Dass das tatsächlich so ist, wurde mittlerweile sozialwissenschaftlich untermauert, ist doch genug Zeit vorhanden, Studien anzufertigen. Eine Arbeit des IKM stellt dem BKA auch in qualitativer Hinsicht ein ungünstiges Zeugnis aus. Konkret wird ihm Klüngelwirtschaft sowie die Intransparenz von Entscheidungen attestiert. Hierbei handelt es sich um Befunde, die teilweise bereits 1996 gestellt wurden. Sämtliche Mängel in der Verwaltung, die bereits unter der stets schwer kritisierten großen Koalition (der Gerüchten nach auch die ÖVP angehört haben soll) festgestellt wurden, sind unverändert fortgeführt worden. Wurde der sozialdemokratische Stil nun doch goutiert, oder zeugt dies eher von mangelndem politischen Gestaltungswillen und unzureichender Durchsetzungskraft? Ein näherer Blick auf die kritisierten Punkte zeigt, dass hier mehr grundsätzliche Gemeinsamkeiten vorhanden sind, als den Kunstschaffenden lieb ist. Die konsequente Verweigerung transparenter Entscheidungsstrukturen, nicht vorhandene kulturpolitische Zielsetzungen und die geradezu pathologisch wirkende Angst vor einem kritischen öffentlichen Diskurs sowie vor qualifizierter Weiterbildung von BeamtInnen in einem internationalen Kontext prägen die Kunstpolitik des Bundes ebenso wie die der Stadt Wien.
Creative Industries – Kennen Sie den?
Die außerordentlich bedenklichen inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen konservativer und sozialdemokratischer Kulturpolitik setzen sich auch in den Creative Industries fort, der neuen Hoffnung österreichischer KulturpolitikerInnen. Dieser Bereich, der in zahlreichen Auftragsstudien als Konjunkturmotor dargestellt wird, dessen Wachstumsquoten weit über denen der restlichen Wirtschaftszweige liegen, wird nun im Gießkannenprinzip mit Projektförderungen zur Entwicklung marktgängiger Produkte bedacht, die im Juryverfahren vergeben werden. Damit aber die Wertschätzung der öffentlichen Hand nicht nur in schnödem Mammon ausgedrückt wird, dürfen Autofirmen ihre neuen Modelle gleich in voll finanzierten Museumsquartieren vorstellen oder werden Einzelmarken als Imageträgerinnen für die Stadt Wien noch zusätzlich beworben. Dieser fast schon suizidäre Mangel an Eigeninteresse des Staates wirkt selbst aus US-amerikanischer Sicht zumindest befremdlich, wenn die USA als Extremfall eines Staates genommen werden, der sich aus der Kunstförderung zurückgezogen hat. Derartige Ausrutscher können nur mit der mangelnden internationalen Versiertheit hiesiger EntscheidungsträgerInnen erklärt werden, die die Vorteile des historisch gewachsenen Systems einer starken öffentlichen Kulturförderung nicht verstehen, sich aber genauso wenig in einer gemischten Förderlandschaft verorten können und deshalb den überstürzten Ausverkauf symbolischen Kapitals als gewiefte Strategie erachten. Die Öffnung der Kunstförderung für PrivatsponsorInnen bedeutet nicht, dass die öffentliche Hand Kunstinstitutionen aufbaut und bereit stellt, damit dort dann Autos schick präsentiert werden können, sondern dass beispielsweise Autofirmen den Erhalt jener Institutionen unterstützen. Umgekehrt also! Auch noch zu ergänzen wäre, dass PolitikerInnen und BeamtInnen nach wie vor Angestellte der öffentlichen Hand sind und keine MäzenInnen, die fernab jeder Legitimation und Transparenz nach Gutdünken Gelder verschenken. Das ohnehin nicht besonders ausgeprägte Gespür für eine saubere Trennung zwischen öffentlicher Funktion und privaten Vorlieben hat seit 2000 rapide abgenommen. Eine zukunftsorientierte Kulturpolitik ist hier auf jeden Fall nicht zu erkennen.
Elisabeth Mayerhofer ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich und Mitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien FOKUS
Die verwendeten Zahlen entstammen den Berichten zur Kulturfinanzierung des Bundes für 2003, 2003 und 2004, hrsg. v. IKM Wien.