(Zeitung 2006) Projektmitarbeit ja. Arbeitsplatz, Infrastruktur nein. Eva Blimlinger
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Vor mehr als zehn Jahren, im Februar 1996 – das heißt, genaugenommen haben wir schon wieder ein gedankliches Jubiläumsjahr, doch was soll es da zu feiern geben? -, beschloss die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzler Viktor Klima und Vizekanzler Wolfgang Schüssel zur Erreichung der Maastrichtkriterien eines der so genannten Sparpakete. Die im Vertrag von Maastricht im Februar 1992 festgelegten Kriterien verlangten eine drastische Reduzierung des Budgetdefizits. Diese Reduzierung sollte vor allem durch eine massive Kürzung der Staatsausgaben erfolgen, was vor allem den gesamten Öffentlichen Dienst und damit auch die HochschullehrerInnen inklusive der externen LektorInnen und jene Personen, die auf Transferleistungen angewiesen sind – hier vor allem auch Studierende – betraf. Strukturanpassungsgesetz nannte die Bundesregierung diese Maßnahme, die in zwei Richtungen eine Zäsur markiert: Einerseits wurde dadurch die Bildungs-, Wissenschafts-, aber auch die Sozialpolitik, wie sie seit den 70er Jahren umgesetzt, wenn auch nicht forciert wurde, definitiv beendet. Andererseits war dies auch der Beginn der bis heute durchgeführten grundsätzlichen strukturellen Änderungen – um nicht zu sagen Zerstörungen – im Sozial-, Bildungs- und Wissenschaftsbereich.
Kürzungen und kosmetische Korrekturen
Gespart muss werden, lautete die simple und politisch konzeptlose Devise, die auch der damalige Bundesminister für Wissenschaft und im Übrigen auch Kunst Rudolf Scholten ohne Wenn und Aber umzusetzen bereit war. Und selbstverständlich wurde bei denen gespart, die in hierarchischen und noch dazu ständischen Organisationen wie der Universität am unteren Ende stehen und auf Grund der spezifischen Situation wenig und schlecht organisiert sind. Die Lehrauftragsremuneration für Lehrbeauftragte sollte um 29% gekürzt werden. Die Studierenden wurden ebenfalls mit drastischen Maßnahmen konfrontiert: Die Familienbeihilfe sollte nur mehr bis zum vollendeten 26. Lebensjahr ausbezahlt werden. Die Regelstudiendauer durfte pro Studienabschnitt nur um je ein Semester überschritten werden, sonst würde es keine Familienbeihilfe geben, und wenn es keine Familienbeihilfe mehr gibt, gibt es keinen Bezug des Halbpreispasses der ÖBB, keinen Kinderabsetzbetrag, keine Waisenpension und keine Unterhaltsansprüche. Die Mitversicherungsmöglichkeit bei den Eltern wurde ebenfalls an Leistungsnachweise geknüpft. Die Freifahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln am Studienort wurde gänzlich gestrichen, nachdem schon im Sparpaket I (1995) ein Selbstbehalt eingeführt worden war. Die Studierenden begannen mit Streikvorbereitungen. Das Aktionskomitee Externer LektorInnen konstituierte sich. Die HochschullehrerInnen planten Protestversammlungen und die Bestreikung der Lehre. Am Ende des Protestes, der im Wesentlichen über das damals an den Universitäten bereits relativ lückenlos vorhandene Internet und E-Mails vor sich ging, stand der eine oder andere Erfolg, da und dort eine kosmetische Korrektur, nicht 29, sondern nur (!) 17% Kürzung für die Externen.
Angesichts der heutigen Situation, zehn Jahre später, ist man geradezu geneigt, die damaligen Sparefroh-Tage herbeizusehnen, die paar Prozent hinzunehmen, alles nicht so schlimm, denn wie sich gezeigt hat, war dies lediglich der Beginn. Aufbauend – genaugenommen müsste man abbauend schreiben – auf den gesetzlichen Maßnahmen, die SPÖ und ÖVP in den 1990er Jahren nach und nach beschlossen, war ab 2000 der Weg für die FPÖ/ÖVP und dann die ÖVP/FPÖ(BZÖ) frei, um noch bestehende Strukturen endgültig zu zerstören.
Immer wieder werden in der politischen Veröffentlichung – weil von Diskussion lässt sich nicht wirklich schreiben – die gleichen Schlagwörter bemüht, also zeitgemäßes Wording: Flexibilität, Mobilität, Eigenverantwortlichkeit, weniger Staat, mehr Privat oder schlanker Staat, auch lean management, Synergieeffekte und Teams, Exzellenz und Elite, Leistung, employability, selfness, Content, Evaluierung und so weiter und so weiter, und selbstverständlich ist alles nur mehr ein Projekt. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Das dahinter stehende – politische? / wirtschaftspolitische? – Programm ist klar sowie vielfach analysiert und beschrieben. Es ist überflüssig, zum wiederholten Male zu erklären, was mit Flexibilität oder Mobilität nun wirklich gemeint ist, oder dass Synergieeffekt nichts anderes meint als Abbau von Stellen und Auflösung von Strukturen.
Leistung und Exzellenz
Die seit Jahren beschlossenen und durchgesetzten Maßnahmen im Bereich der Universitäten, der Wissenschaft und damit auch in mittelbarer Weise der Kunst und Kultur zeigen bereits die beabsichtigten Wirkungen. Als Beispiel seien hier die ehemaligen Externen LektorInnen genannt. Durch das Universitätsgesetz 2002, das vor allem die Autonomie der Universitäten zum Ziel hatte – auch das ein in der Bedeutung politisch verkehrtes Schlagwort – wurde die durch eine eigene gesetzliche Regelung normierte Situation der Lehrbeauftragten abgeschafft. In der Realität bedeutet dies, dass es an vielen Universitäten insgesamt zu einem drastischen Rückgang der Lehrbeauftragten gekommen ist. Das Argument, sie seien zu teuer, nimmt bei einem Stundenlohn zwischen umgerechnet 10 und 15 Euro, brutto wohlgemerkt, doch etwas Wunder. Viele wären froh, zumindest jene Bezahlung zu bekommen, die sie 1996 noch bekamen. Wer es noch schaffte, einen Lehrauftrag zu ergattern, war zunächst mit obskuren Werkverträgen konfrontiert, dann wiederum mit geringfügigen Beschäftigungen und anderen Seltsamkeiten. Besonders bemerkenswert ist, dass habilitierte Lehrbeauftragte etwa an der Universität Wien für eine Semesterstunde ein Entgelt von € 466,50 für das ganze Semester erhalten. Wären sie nicht habilitiert, wären es € 948,30. Die Absurdität, dass in einer Institution jene, die höher qualifiziert sind – und die Universitäten halten an den formalen Qualifikationskriterien Mag., Dr., Univ.-Doz. in dieser Form bis dato fest -, um mehr als die Hälfte weniger als niedriger Qualifizierte bekommen, vermag trotz vieler Gespräche niemand zu erklären. Leistung und Exzellenz sind eben gefragt!
Projektmitarbeit ja. Arbeitsplatz, Infrastruktur nein
Die mobilen und flexiblen freien WissenschafterInnen, also jene, die ausschließlich auf zeitlich befristete Arbeitszusammenhänge angewiesen sind, und hier wiederum vor allem auf Projekte, müssen einerseits als Ichlinge agieren, um andererseits als Wirlinge überhaupt Beschäftigung zu finden: Stichwort EU-Projekte und die notwendige institutionelle Anbindung. Sofort wird aber immer – selbstverständlich informell – von Seiten der Institution klargestellt, Mitarbeit ja, aber Arbeitsplatz, Infrastruktur nein, das geht nicht, kein Platz, kein Geld, ja vielleicht der eine oder andere Betrag für Overheadkosten. Der Beschluss über ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – also, kurz gesagt, Exzellenz Universität Gugging – zeigt, es ist keine Frage des Geldes. Das gibt es, vor allem in Fülle! Es ist – wie banal – eine Frage der Verteilung und der politischen Absicht.
Eva Blimlinger ist Historikerin und Beamtin. Zwischen 1998 und 2004 war sie Forschungskoordinatorin der Historikerkommission, seither ist sie Projektkoordinatorin für Kunst & Forschungsförderung an der Universität für angewandte Kunst.