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Ein Kahlschlag bei Ö1 steht bevor

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(Pressemitteilung vom 10.7.02) Die ORF-Kultur- und Bildungsauftragsdemontage geht weiter. Einsparungen bei Ö1 von 15 bis 20 Prozent geplant. Einstellungen von Wort-Sendungen. Radikalreduktionen bei Hörspielen.

Nicht zum ersten Mal in der laufenden Legislaturperiode zeigt sich, dass die österreichische Bundesregierung den Künstlerinnen und Künstlern ihre Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten wegreguliert.

Die voreilig als fertige Lösung verabschiedete „Künstlersozialversicherung“ ermutigt niemanden, sich künstlerisch selbständig zu betätigen, verleitet aber Kulturunternehmen dazu, bisher als Dienstnehmer beschäftigte Künstler als „neue Selbständige“ billiger zu beschäftigen, der Aufschwung in den zu Schwerpunkten erklärten Kunstsparten (Film, Architektur) ist ausgeblieben, die Umwandlung der österreichischen Kulturinstitute in Kulturforen und die Privatisierung des Österreichischen Bundesverlags haben sich als Versilberungsaktionen erwiesen und die Rundfunkreform ist ein Taschenspielertrick zur Abschaffung der Kunst- und Kulturprogramme des ORF.

Hand in Hand haben die ORF-Spitze und der Stiftungsrat des ORF die Sendung „Kunststücke“ in die Wüste und die Literatursendungen von Ö1 auf Sommerpause geschickt, und so geht es Zug und Zug mit der Ausschaltung von Kunst- und Kulturprogrammen weiter, ohne dass eine dieser Maßnahmen dem neuen ORF-Gesetz widerspricht.

Das jüngste kulturelle Ausschaltungsvorhaben des ORF bezieht sich nicht mehr auf das ORF-Fernsehprogramm, in dem bis auf die für Life-Style wie für alle Sparten der Kunst und jeden Bereich der Kultur von der Gartenschau bis zur Hochkultur zuständige Sendung „Treffpunkt Kultur“ ohnehin nichts mehr auszuschalten ist, sondern auf Wortsendungen und Hörspiel-Produktionen des ORF. Wobei für das ORF-Hörspiel zwei Ausschaltungsvarianten zur Diskussion stehen. 1. Die Halbierung der ohnehin schon nur mehr rudimentär vorhandenen Hörspielproduktion oder 2. die Halbierung der Autorenhonorare (entrichtet wird nur mehr das Sendehonorar, das Werkhonorar entfällt). Bei anderen Wortsendungen stehen diese Auswahlmöglichkeiten gar nicht mehr zur Verfügung, da diese Sendungen schon seit einem letzten Kürzungsschwung vor ein paar Jahren nur mehr mit Sendehonoraren honoriert werden.

Das Ergebnis ist in allen Fällen dasselbe: die Beendigung der professionellen Zusammenarbeit des ORF mit den Autoren, die nur mehr die Wahl haben zwischen voller Bezahlung bei halber Beschäftigung oder halber Bezahlung bei voller Beschäftigung. Weitere Auswirkungen des neuen ORF-Gesetzes sind derzeit nicht zu erkennen und leider auch keine anderen Ambitionen des ORF, als sich genauso dem Markt als Werbefläche anzudienen wie jeder x-beliebige kommerzielle Sender auch. Anstatt sich auf seinen Kulturauftrag zu besinnen, verbreitet der ORF-Pressedienst Jubelmeldungen über die Berücksichtigung des aktuellen Kunstschaffens in Österreich und der heimischen Künstlerinnen und Künstler. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich viele als reine Propaganda.

Es gab Jahre, in denen der ORF in ganz Europa von sich reden gemacht hat, weil er auf Formen, Themen und Stoffe gesetzt hat, die nicht überall anderswo ebenso vorhanden und umsetzbar waren – vom Geist dieser Jahre existiert im ORF restlos nichts mehr, er ist Geschichte. Niemand im ORF hat damals von einer „Verösterreicherung“ des Programms gesprochen. Das erklärte Ziel des ORF war, originäre Programme zu erarbeiten, die nicht genauso gut anderswo wie hier entstehen konnten. Seit geraumer Zeit wird nur mehr von der „Verösterreicherung“ des Programms gesprochen, und zwar immer dann, wenn ein weiterer Teil einer eigenständigen Programmproduktion vor seinem Aus steht. Schließlich wird das Geld dringender zur Übertragung der Formel-Eins-Qualifikationen und Formel-Eins-Rennen benötigt.

Das war bei der Glättung der Programme in den Landesstudios so der Fall, es war beim letzten verbliebenen Avantgarderest der Sendung „kunst-stücke“ so und das wird sich im August dieses Jahres bei den Wortsendungen von Ö 1 und der Hörspielproduktion des ORF ein weiteres Mal wiederholen. Mit jeder Abschaffung eines für österreichische Kunst und Künstler bedeutsamen Programms wird das ORF-Programm „österreichischer“.

Vielleicht reagiert noch der Publikumsrat des ORF ähnlich wie bei der Abschaffung der Sendung „Kunststücke“ mit „kritischen Fragen“ an die Generaldirektorin des ORF, die bei dieser Gelegenheit ihr Bedauern und ihre Absicht einer „Stärkung des österreichischen Charakters des ORF“ ausdrücken wird, um anschließend – genauso wie der ORF – die österreichischen Charakterstärken in der Deckung zu suchen.

Es gibt kein ORF-Gesetz und kein Kontrollorgan des ORF, das dieser Entwicklung entgegensteht und es gab und gibt keine mit der ORF-Reform verbundene Medienpolitik, die einer Stärkung des Bildungs- und Kulturauftrags im ORF gedient hätte oder dient. Es gab und gibt aber in dieser Legislaturperiode zahlreiche Hinweise darauf, dass Kunst und Künstler in Österreich entprofessionalisiert werden. Obwohl auch diese Regierung „die Rahmenbedingungen“ für Kunst und Künstler verbessern wollte, womit sie offenbar die Verewigung der drei mit Abstand führenden Unwörter in der österreichischen Medien- und Kulturpolitik gemeint hat. Diese lauten: „Schwerpunkt“, „Verösterreicherung“, „Rahmenbedingungen“.

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