Zum Inhalt springen

Fairplay?

  • von

(Zeitung 2006) Fairplay oder FairPlay. Adi Blum

(zurück zum Inhaltsverzeichnis)

Mit der Digitalisierung und dem Internet ist ein neues Kopierzeitalter angebrochen. Kopieren ist Alltag geworden. Auch das Veröffentlichen. Täglich kopieren wir, laden runter, laden hoch. Die CC-Lizenzen reflektieren unsere digitalen Kopiergewohnheiten und propagieren eine Aufweichung des rigiden Copyrights (all rights reserved). Wir wollen dürfen. – Aber welcher frei schaffende Autor kann es sich leisten, einen Roman oder ein Drehbuch, an dem er Jahre lang gearbeitet hat, zum kostenlosen Download im Internet anzubieten? Warum sollte er überhaupt?

Der Literaturmarkt ist wie alle Kunstmärkte ein the-winner-takes-it-all-Markt. Einige wenige werden reich. Die meisten aber – SchriftstellerInnen, LyrikerInnen, DrehbuchschreiberInnen, DramatikerInnen, AutorInnen von Computergames – müssen froh sein, wenn sie von ihrem Beruf leben können. Ohne eine gesellschaftliche Anerkennung des Berufsstandes und ein entsprechendes gesetzliches Regelwerk, welches auch die monetären Ansprüche regelt, würde bald jeglicher Anreiz fehlen, der Arbeit des Autors/der Autorin nachzugehen. Schreibe ich heute ein Buch und morgen vertreibt ein anderer eine Kopie desselben – und macht Kasse damit -, ist das nicht die beste Ausgangslage, um literarisch tätig zu werden. Und es bedeutet einen Rückfall in die Zeit, als es noch keine Regelungen der Rechte der UrheberInnen gab.

surf – sample – manipulate

Mit der Digitalisierung und dem Internet ist ein neues Kopierzeitalter angebrochen. Kopieren ist Alltag geworden. Auch das Veröffentlichen. Täglich kopieren wir, laden runter, laden hoch. Surf – sample – manipulate ist die Schreibweise einer neuen Generation geworden. Ausdruck dieser neuen Schreibweise ist zum Beispiel Open-Source-Software, welche – im Gegensatz zur proprietären Software – den BenutzerInnen den Quellcode offen legt und unter gewissen Bedingungen zur Verfügung stellt. Open-Source-Software ist ein neues Kulturgut. Sie steht für eine kreative und interaktive Arbeitsweise und für neue Freiheiten in der Redistribution. Die Weiterverwertung wird geregelt mit der GPL, der General Public License.

Ähnlich funktionieren die Lizenzen der Creative Commons. Sie sind Standardverträge, welche die öffentlichen Nutzungsrechte für Werke aller Art (Musikstücke, Videos, Texte etc.) regeln sollen. Mit einer CC-Lizenz kann ich als Autor festlegen, was mein Gegenüber mit meinem Text machen darf: ihn weiterverwenden, ihn kommerziell verwerten, ihn verändern.

Wir wollen dürfen

Die CC-Lizenzen reflektieren unsere digitalen Kopiergewohnheiten und propagieren eine Aufweichung des rigiden Copyrights (all rights reserved). Als ComputerbenutzerInnen wollen wir nicht bei jedem Copy – Paste den Urheber oder die Urheberin um Erlaubnis fragen, geschweige denn für das Kopieren von Text bezahlen. Text gehört allen. Er ist uns geschenkt, wie die Luft, die wir atmen. Im Netzwerk gebe ich, also nehme ich. Neue Formen von Öffentlichkeiten werden geschaffen. So ist das Medium gebaut.

Angesichts dieser Vision verärgert, wer ein starres und technokratisches Copyright-Regime durchziehen will. Das Vorgehen der Musikindustrie, welche NutzerInnen von P2P-Tauschbörsen rechtlich verfolgen lässt, mutet seltsam altmodisch an. Hier sind die kommerziellen Interessen am Werk. Was hat die Kampagne erreicht? Einige hat sie eingeschüchtert. Aber was sie sicher nicht geleistet hat: ein Verständnis zu wecken für die legitimen Ansprüche der RechteinhaberInnen. Eine Sensibilisierung für das Thema Urheberrecht hat nicht stattgefunden. Dem Ansehen der AutorInnen, die ihre Werke zu Markte tragen, um davon leben zu können, hat sie unter dem Strich geschadet.

Die AutorInnen sind RechteinhaberInnen. Aber sie sind auch KonsumentInnen. Ihnen gereicht eine Aufweichung des Urheberrechts, was eine CC-Lizenz letztlich darstellt, nicht zum Vorteil. Die Einkünfte von AutorInnen sind in der Regel schmal. Wenn sie vom Schreiben leben wollen, sollen sie nicht auf die Tantiemen verzichten müssen, die ihnen bei der Weiterverwertung ihres Werkes als UrheberInnen zustehen. Welcher frei schaffende Autor kann einen Roman oder ein Drehbuch, an dem er zwei Jahre lang gearbeitet hat, zum kostenlosen Download im Internet anbieten oder gar zur öffentlichen Weiterbearbeitung freigeben? Wer bezahlt ihm die ganze Arbeit? Mit der CC-Linzenz gewinnt der Autor nichts. Er verliert lediglich die Kontrolle über seinen eigenen Text.

Der beste Kopierschutz wächst in den Köpfen der Menschen

Aber die Idee der Creative Commons leistet etwas anderes, was den AutorInnen zum Vorteil gereicht. Im Gegensatz zu den Copyright-Attacken der Kulturindustrie sensibilisiert sie ein breites Publikum für das Thema Autorenrechte. Und das tut not. Die Lizenz macht durchsichtig, dass es da einen Urheber des Werks gibt, dass da jemand vielleicht Jahre gearbeitet hat, und dass der Weiterverwerter deshalb diesem Menschen gegenüber auch Verpflichtungen hat. Sei es nur schon die Verpflichtung, bei einem Upload den Namen des Urhebers oder der Urheberin zu nennen. Solche Basisarbeit kann kein noch so ausgeklügelter technischer Kopierschutz leisten. Der beste Kopierschutz wächst in den Köpfen der Menschen. Er heißt Respekt vor den UrheberInnen.

Der Umgang mit einer CC-Lizenz macht auch begreifbar, dass die Beziehung zwischen UrheberIn und KonsumentIn im Grunde eine Peer-to-peer-Beziehung ist. Sie lässt alle anonymen Zwischenhändler wie Verlage, Vertrieb, aber auch Verwertungsgesellschaften, außen vor und setzt unmittelbar auf den direkten Kontakt zwischen AutorIn und LeserIn.

Aber vom gegenseitigen Respekt alleine hat der Autor noch keine Kinder ernährt. Wäre ich als Autor bei Apples i-tunes also nicht besser bedient, wo die Menge bereits heute anstandslos zum Geldbeutel greift? Bereits heute sind auf diesem Portal neben unzähligen Songs zahlreiche Hörtexte gegen Bezahlung auf die Festplatte zu laden. Gerüchteweise soll bereits die kommende Generation von i-pods einen größeren Bildschirm haben, um das Lesen von elektronischen Büchern zu ermöglichen. Anbieter werden vor allem die großen Verlage sein. Das Digital-Rights-Management-System (DRMS), welches Apple für das Rechtemanagement entwickelt hat, heißt „FairPlay“. „FairPlay“ schränkt einerseits die unbegrenzte Nutzung der gekauften Daten ein, andererseits ist es Garant dafür, dass ein On-Demand-Geschäftsmodell wie i-tunes überhaupt realisierbar ist.

Verwertungsgesellschaften gegen Knebelverträge

Das Rechtemanagement liegt bei solchen aufs Geschäft ausgelegten Modellen in der Hand der Produzenten und der Kulturindustrie. Das ist definitiv nicht zum Vorteil der AutorInnen. Die Gewinne landen in den Kassen der Online-Shops und der Verlage, welche wiederum Verträge mit den AutorInnen haben. Wer solche Verträge einmal studiert hat, weiß, dass das meist Knebelverträge sind. Gerade beim Online-Geschäft müssten jedoch die KünstlerInnen – nebenbei gesagt – umso mehr profitieren, da die Produktions- und Vetriebskosten unvergleichlich kleiner sind als im klassischen Handel. Aber das passiert nicht.

Hält man sich vor Augen, dass mit der Google-Buchsuche (ehemals Google Print) und der europäischen digitalen Bibliothek zwei wirklich große Literatur-On-Demand-Anbieter in den Startlöchern stehen, und das Rechtemanagement, welches zur Anwendung kommen soll, noch nicht restlos geklärt ist, dann wird klar, dass die Uhr tickt.

Die Rolle der Verwertungsgesellschaften könnte eine tragende werden. Die demokratischen Strukturen, nach denen sie aufgebaut sind, garantieren Transparenz und einen fairen Schlüssel für die Aufteilung der Urheberrechtsabgaben. Es wäre jedoch noch viel Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, damit man sie als wichtige kulturelle Institutionen wahrnehmen würde. Das sind sie nämlich.

Wie wäre es, sie würden sich einmal mit den CC-Menschen an einen Tisch setzen, um gemeinsam ein i-tunes der AutorInnen initiieren? Das neue kulturverträgliche Portal hieße dann zum Beispiel „Fairplay“. Der Name wäre Programm.


Adi Blum lebt als Musiker und freier Autor in Luzern.