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Ist der Programmauftrag des ORF noch erfüllt?

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(Offener Brief vom 12.10.05) Wird das Land Wien wegen Nicht-Erfüllung des Programmauftrages einen Antrag an den Bundeskommunikationsenat (die Aufsichtsbehörde des ORF) richten?

Offener Brief an Landeshauptmann und SPÖ-Wien Vorsitzenden Dr. Michael Häupl | plus: erste Antwort

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!

Der ORF plant mit Jahresbeginn 2006 die Einstellung der Sendung „Tipp – die Kulturwoche“. Bis heute ist ungeklärt, ob es eine Nachfolgesendung geben wird. Wird „Tipp – die Kulturwoche“ ersatzlos abgeschafft, so ist das TV-Programm künftig auf eine einzige Sendung reduziert, die sich explizit der Kultur, selten genug auch der zeitgenössischen Kunst widmet („Treffpunkt Kultur“).

Die Programmverantwortlichen des ORF schreiten damit den Weg zur Ausschaltung von Kunst und Kultur fort. Quantität und insbesondere Qualität der ORF-Sendungen sind auf einem Tiefstand angelangt! Bereits mit der Einstellung der Sendung kunst-stücke im Herbst 2002 und dem vorangegangenen Verschwinden von zahlreichen Sendetypen zur Vermittlung von Kunst und Kultur (z.B. Büchermagazin, Galerienrundblick, Apropos Film, etc.) hat der ORF zunehmend Abstand von den Vorgaben für einen gebühreneinhebenden öffentlich-rechtlichen Sender genommen.

Der Kulturrat Österreich sieht die Erfüllung des Programmauftrages des ORF in folgenden Punkten längst gefährdet:

  • umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen kulturellen Fragen
  • Vermittlung und Förderung von Kunst und Kultur
  • angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion
  • Vermittlung eines vielfältigen kulturellen Angebots

Das ORF-Gesetz sieht verschiedene Möglichkeiten vor, bei Verletzung von Bestimmungen des Bundesgesetzes – etwa bei Verletzung des Programmauftrages – Beschwerde bzw. Anträge an den Bundeskommunikationssenat zu richten. Der Bundeskommunikationssenat (dem die Rechtsaufsicht obliegt) hat über behauptete Verletzungen von Bestimmungen des ORF-Gesetzes zu entscheiden, wenn z.B. ein Land einen solchen Antrag stellt (siehe Rundfunkgesetz, BGBl. I Nr. 83/2001, § 36. (1) 2. a).

  • Sieht das Land Wien den Programmauftrag des ORF noch erfüllt?

Der ORF ist unter anderem verpflichtet, „ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anzubieten. Das Angebot hat sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen. Das ausgewogene Gesamtprogramm muss anspruchsvolle Inhalte gleichwertig enthalten. Insbesondere Sendungen in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich durch hohe Qualität auszuzeichnen.“

Sollte „Tipp – die Kulturwoche“ ersatzlos gestrichen werden:

  • Wird das Land Wien – vorausgesetzt unter Ihnen als Landeshauptmann – sein Recht wahrnehmen und einen Antrag an den Bundeskommunikationssenat richten?
  • Werden Sie als Landeshauptmann bzw. wird Ihre Partei nach den Wahlen für die Einbringung eines solchen Antrages Sorge tragen?

Wir ersuchen um Antwort auf unsere Fragen vor der Wiener Landtagswahl 2005 und planen Ihre Antwort auf der Website des Kulturrat Österreich unter www.kulturrat.at zu veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen,

Daniela Koweindl

Kulturrat Österreich


In einer ersten Reaktion kondoliert das Büro des Stadtrates für Kultur und Wissenschaft den Kulturschaffenden. Antworten auf die Fragen des Kulturrat Österreich sind keine eingelangt.

Reaktion aus dem Büro des Stadtrates für Kultur und Wissenschaft vom 18.10.05:

Betreff: Ihr Mail an Bürgermeister Michael Häupl/SPÖ-Homepage

Sehr geehrte Frau Koweindl,
Die geplante Einstellung der Sendung „Tipp – Die Kulturwoche“ ist sehr bedauerlich und ein Verlust für kulturinteressierte Zuschauer und für Kulturschaffende gleichermaßen. Selbstverständlich wird auch die Stadt Wien ihren Protest entsprechend deutlich zum Ausdruck bringen. Die Einstellung von Kultur-Formaten im ORF-Fernsehen sollte immer ein Alarmsignal sein und ein wichtiger Anlass, den ORF aufzufordern, seinem gesetzlichen Auftrag im Interesse der Kulturinteressierten und Kulturschaffenden in diesem Land nachzukommen.

Mit freundlichen Grüßen,

Saskia Sautner

Büro des Stadtrates für Kultur und Wissenschaft der Stadt Wien

Mag. Saskia SAUTNER
Mediensprecherin
Büro des Stadtrates für Kultur und Wissenschaft

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