(Offener Brief vom 29.5.2020) Das Ziel muss sein, dass alle gemeinnützigen Vereine auch unter Bedingungen der Corona-Maßnahmen gut durch die Krise kommen und so bald wie möglich ihre Arbeit wieder aufnehmen können
Kulturrat Österreich legt Liste notwendiger Bedingungen für Richtlinien vor
Offener Brief
Sehr geehrte Frau Ministerin Köstinger,
sehr geehrter Herr Minister Kogler,
sehr geehrter Herr Minister Blümel,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Mayer,
Die bisherige gesetzliche Grundlage (Härtefall-Fonds-Gesetz) für ein finanzielles Auffangen der Finanzierungslücken durch die Corona-Maßnahmen wurde nicht umgesetzt. Nun wird eine neue Grundlage im Parlament vorbereitet. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden, halten wir es für unerlässlich, parallel zur parlamentarischen Ausgestaltung bereits jetzt Richtlinien und konkrete Umsetzungsschritte zu entwickeln, die das Überleben der Vereine sichern.
Zentrale Eckpunkte müssen sein:
1. Zuschüsse zu/Übernahme laufender Betriebskosten für nicht nutzbare Räumlichkeiten (Veranstaltungsräume, Ateliers, Probenräume, Werkstätten etc.), wie Miete, Energie- und Kommunikationskosten.
2. Deckung des entstandenen finanziellen Schadens im Maßnahmenzeitraum, ab 10. 3. bis zumindest Jahresende. Dabei sind zu berücksichtigen:
a) Einnahmenausfälle, ermittelt auf der Basis eines vergleichbaren Durchrechnungszeitraums
Erläuterung: Das Veranstaltungsverbot hat massive Einnahmenausfälle (Koproduktionsbeiträge, Mieteinnahmen, Tickets, Spenden, Sponsoring etc.) zur Folge. Bei kleinen Kulturvereinen machen diese Erlöse im Schnitt 60-80% der Gesamteinnahmen aus. Bei Vereinen von Künstler_innen entfällt praktisch die gesamte Einnahmenstruktur. Fixkosten- bzw. Betriebskostenzuschüsse ermöglichen zwar den Erhalt der Infrastruktur, greifen jedoch zu kurz, da Mittel die normalerweise zur Aufrechterhaltung der Vereinsaktivitäten, beispielsweise die Vorbereitung weiterer Produktionen bzw. Programme verwendet werden, nicht mehr zur Verfügung stehen. Ein besonderes Problem ergibt sich auch für jene Künstler_innen-Kollektive, die einen Verein zur Verwaltung ihrer Einnahmen/ Ausgaben betreiben und je nach Produktionsphase auch angestellt sind (gemäß Theaterarbeitsgesetz). Fixkosten entstehen hier in erster Linie durch Personalkosten und nur zu geringem Teil durch die Infrastruktur (z.B. Anmietung von Probenräumen).
Ohne Berücksichtigung von Einnahmenausfällen würde zwar die Infrastruktur (sofern vorhanden) erhalten, jedoch keine weitere Aktivität mehr möglich sein. In Konsequenz wäre mit einem massiven Anstieg der Ansuchen um Kulturfördermittel seitens der Kunst- und Kulturvereine zu rechnen, um wieder in eine Aktivität kommen zu können. Erschwerend wiegt die Tatsache, dass nun wieder mögliche Veranstaltungen nur mit erhöhten Aufwendungen bei geringeren Einnahmen (z.B. Publikumsobergrenzen) realisierbar sind. Eine zumindest anteilige Kompensation auch der Einnahmenausfälle ist daher dringend erforderlich. Zur Bemessung braucht es einen vergleichbaren Durchrechnungszeitraum. Hier ist zu unterscheiden zwischen jenen Veranstalter_innen, die ein regelmäßiges Programm haben, und jenen, die z.B. ein jährlich stattfindendes Festival organisieren, das nun nicht durchgeführt werden kann.
b) Vorleistungen für nun nicht durchführbare Aktivitäten (frustrierte Aufwendungen)
Erläuterung: Künstlerische Produktionen, Veranstaltungen/Kulturaktivitäten haben eine lange Vorlaufzeit (Konzeptentwicklung, Verhandlungen von Koproduktionen sowie Leistungen und Zuschüssen aus diesen Vertragskonstrukten, Reisekosten, Vertragsverhandlungen mit Künstler_innen und Vortragenden, Realisierungskosten, Werbekosten wie Drucksorten etc.), viele technische, künstlerische und organisatorische Leistungen wurden bereits erbracht bzw. ausbezahlt, die nun nicht mehr in Anspruch genommen werden können bzw. obsolet sind (ausbezahlte Honorare, nicht eingelangte Koproduktionsgelder, Stornokosten, Drucksorten etc.).
3. Zuschüsse zu Personalkosten in jenen Fällen, in denen das Corona-Kurzarbeitsmodell nicht greift
Erläuterung: Das Corona-Kurzarbeitsmodell greift bei vielen kleinen Kunst- und Kulturvereinen nicht, da diese anders als größere Betriebe funktionieren. Sehr viel wird im Ehrenamt oder in geringfügigen Anstellungen erbracht (z.B. Koordinierung des Betriebs und der Ehrenamtlichen), sowie von Neuen Selbstständigen (die auf Honorarbasis Leistungen für die Vereine erbringen, wie Produktionsleitung, Programmierung von Veranstaltungsprogrammen etc.). Bei Künstler_innen-Vereinen handelt es sich oft um wochenweise Anstellungen (Probewoche) oder andere kurze Zeiträume – Förderungen für Produktionen (bereits ab relativ kleinen Beträgen) gehen aber nicht direkt an Künstler_innen sondern an z. B. Vereine, decken aber nicht die gesamten notwendigen Kosten der Produktion. Aufgrund anderer Einnahmenausfälle (v. a. Koproduktionsgelder, siehe oben) sind es dann die Gehälter der Künstler_innen selbst, die nicht mehr gezahlt werden können.
Sehr viel wird auch im Ehrenamt oder in geringfügigen Anstellungen erbracht (z.B. Koordinierung des Betriebs und der Ehrenamtlichen), sowie von Neuen Selbstständigen (die auf Honorarbasis Leistungen für die Vereine erbringen, wie Produktionsleitung, Programmierung von Veranstaltungsprogrammen etc.).
4. Mehrkosten durch erforderliche Adaptionen und Investitionen
Erläuterung: Mit der COVID-19 Lockerungsverordnung ist ein schrittweise Wiederaufnahme der Aktivitäten der Kunst- und Kulturvereine wieder im Bereich des Möglichen. Viele der angekündigten Regeln erfordern jedoch Investitionen bzw. verursachen Mehrkosten, um den Betrieb bei Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen aufnehmen zu können, z.B. Anschaffung von Plexiglas, Desinfektionsmittelspender, Masken, Bodenmarkierungen, Reinigungsmittel sowie insbesondere mehr Aufsichts- und Reinigungspersonal. Müssen Sessel für fix zugewiesene Plätze angeschafft (oder geleast) werden, Klimaanlagen erneuert werden, so sind wesentlich größere Investitionen erforderlich. Hier wäre eine Investitionspauschale für GWG (z.B. EUR 500,- / Verein) sowie eine Investitionsförderung für allfällige größere Anschaffungen erforderlich.
Die Umstellung auf alternative Arbeitsweisen, insbesondere digitale Veröffentlichungsmöglichkeiten werden aktuell viel von Kulturveranstalter_innen nachgefragt (z.B. Live-Streamings). Hierfür fehlt es jedoch zumeist an dem entsprechenden Know-how sowie an Soft- und Hardware. Ebenso stellen Kultureinrichtungen auf Telearbeit um, auch hier sind EDV-Investitionen erforderlich. Dazu kommen notwendige Investitionen in schützende Infrastruktur bei partieller Wieder-Eröffnung (z.B. Adaptierung Lüftung, technische Barrieren, fallweise auch Testungen).
5. Diskriminierungsfreier Zugang für alle gemeinnützigen Vereine. Staffelung nach Eigenfinanzierungsanteil unter Berücksichtigung der Förderungen, aber keine Ausschlüsse.
Das Ziel muss sein, dass alle gemeinnützigen Vereine auch unter Bedingungen der Corona-Maßnahmen gut durch die Krise kommen und so bald wie möglich ihre Arbeit wieder aufnehmen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Vorstand Kulturrat Österreich