(Pressemitteilung vom 28.4.2008) Meinungsfreiheit auf Wienerisch: Plakatieren verboten oder Monopol auf wildes Plakatieren.
Das Recht auf Meinungsfreiheit ist das eine, reale Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung das andere. Plakate waren immer ein kostengünstig verfügbares Medium zur freilich begrenzten Teilnahme an öffentlichen Diskursen, und sei es (nur) zur Bewerbung von Veranstaltungen unter der Aufmerksamkeitsschwelle des Mainstreams. Davon abgesehen sind wild geklebte Plakate auch eine Bereicherung für das Stadtbild und Beleg für Vielfalt und Lebendigkeit – gerade in einer Stadt wie Wien, in der die Möglichkeiten für kommerzielle Werbung und Werbeformen im öffentlichen Raum kaum beschränkt sind und immer mehr Platz einnehmen dürfen.
Insbesondere Obrigkeiten betrachten wildes Plakatieren allerdings häufig als Belästigung, als etwas „Unordentliches“, vor allem aber als etwas schwer Kontrollierbares – und entwickeln immer wieder Aktivitäten, um dies zu verhindern. Der neueste legistische und praktische Angriff auf die Möglichkeiten des freien Plakatierens wurde mit der Gründung der Firma Kultur:Plakat (70% Tochter der Gewista) zu Jahresbeginn eingeleitet: Diese hat den Auftrag, wildes Plakatieren in Wien abzustellen.
Wirklich legal war so genanntes wildes Plakatieren auch bisher nicht – zumindest an den meisten Flächen. Der jetzige Angriff ist aber ein doppelter: Zum einen sind die für die Kultur angebotenen, angeblich für alle leistbaren (für die freie Kulturszene aber zumeist unerschwinglichen) Halbschalen nur ein kleines Geschwisterchen zu den allgegenwärtigen großen Plakatflächen, noch dazu als ausschließlicher Ersatz zum wilden Plakatieren gedacht, inkl. Flächenmiete, koordiniert und vermarktet vom de facto Monopolisten Gewista – via Kultur:Plakat.
Zum anderen wurde hier die Lizenz zum Schildbürgertum erteilt: Die Kultur:Plakat-PlakatiererInnen haben nach Angaben der Gewista auch den Auftrag, alle ihrer Meinung nach illegal angebrachten Plakate (naturgemäss praktisch alle, die nicht von ihnen selbst geklebt wurden) zu entfernen. Übrig bleiben vielerorts Fetzen, Papierschnipsel – und beinahe flächendeckend impressumlose Plakate in verschiedenen Grautönen mit dem sinnigen Aufdruck „Plakatieren verboten“. Auf telefonische Nachfrage bestätigt Daniela Grill (Gewista bzw. Kultur:Plakat), dass Kultur:Plakat Urheber dieser Plakate ist – und dass diese von der Stadt Wien wie auch von Kultur:Plakat allerorts plakatiert werden.
Daraus ergeben sich für den Kulturrat Österreich folgende Forderungen:
- Mehr freie Flächen für freies Plakatieren!
- Sofortiger Stopp der privatisierten „Hausmeisterei“ Gewista!
- Gleiches Recht für alle: Solange gewinnorientierte Unternehmen den öffentlichen Raum zuplakatieren dürfen, muss das auch für alle anderen gelten!
Informationen, Forderungen und Positionen
Texte:
Irmgard Almer (IG Kultur Wien) im Gespräch mit Peter Fuchs, Sprecher des Vereins Freies Plakat und Thomas J. Jelinek, Obmann der IG Kultur Wien zum Thema freies Plakatieren: Der öffentliche Raum gehört allen. In: Gift April/Mai 2008
Babara Stüwe-Eßl: Herr Bürgermeister! Geben Sie Plakatfreiheit! In: Gift Februar/März 2008
Nicole Delle Karth: Schöne neue Werbewelt. In: Kulturrisse 4/2007
Nicole Delle Karth: Die Sterilisation der Stadt: Wien wird schön und sauber. In: Gift Dezember 2007/ Jänner 2008
Weitere Informationen zum Thema bei: