(16.10.03, Redebeitrag für die IG Freie Theaterarbeit und die IG Bildende Kunst)
Meine Damen und Herren,
das europäische Urheberrecht ist ein Kind der Aufklärung. Deshalb handelt es zunächst von Gleichstellung: der Gleichstellung der Schöpfer und Schöpferinnen künstlerischer Erzeugnisse mit den Besitzern von materiellen Gütern.
Das Urheberrecht gibt den Künstler/innen das Verfügungsrecht über ihre Werke und geht davon aus, dass z.B. Verleger und Dichterin auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandeln und freien Willens Verträge zum Nutzen beider miteinander abschließen. Weil sich das Urheberrecht jedoch zu einer Wertschöpfungsmaschine entwickelt hat, ist das Urheberrecht heute ein Verwerter- und Erbenrecht. Ein Beispiel: vor ca. zwei Jahren hat die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz gesagt, dass die Halbjahresabrechnung ihres Verlags Suhrkamp sich auf 4.000 D-Mark beläuft. Ich wünsche ihr, dass es seither wesentlich mehr geworden ist, doch das ist unwahrscheinlich. Und der Suhrkampverlag? Ohne das überprüft zu haben: ich gehe davon aus, dass der Verlag mit Streeruwitz-Werken mehr als den Gegenwert von 200 Taschenbüchern, also jedenfalls mehr als die Autorin selbst, verdient hat. Und der Verlag kann noch lang mit ihr verdienen, vielleicht noch hundert Jahre lang, wenn sie selbst nichts mehr hat als – vielleicht – ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof. Denn bekanntlich beträgt die urheberrechtliche Schutzfrist 70 Jahre post mortem auctoris. Es können also auch die Erben von Künstlerinnen überschlägig gerechnet zumindest doppelt so lang, vielleicht auch doppelt so viel wie die Künstlerinnen selbst verdienen, Verwerter ein Vielfaches davon. Anstelle von Schutzfristverlängerungen, die den Künstlerinnen nichts nützen, wäre es angebracht gewesen und ist es noch immer, die nach wie vor schwierige wirtschaftliche Situation der Künstler selbst und damit auch die ihres Umfelds zu verbessern – mit den Mitteln des Urheberrechts (nicht des Copyright) und zum Vorteil der Allgemeinheit.
Die aktuelle Entwicklung des amerikanischen Copyright, die auf Europa übergreift, zeigt, was auf uns alle zukommt, wenn nicht Künstlerinnen sondern Weltkonzerne die Rechte an wichtigen Inhalten besitzen: ihnen geht es um zwei Dinge: 1. Monopolisierung und absolute Kontrolle von Content. 2. um die gnadenlose Kriminalisierung all jener, die – nach ihrer Ansicht – Eigentumsrechte an Werken verletzt haben. Derzeit ist eine dreistellige Zahl an „Normalbürgerinnen“ in den USA deswegen angeklagt (oft trifft es die Eltern von minderjährigen Kazaa-Nutzern und -Nutzerinnen). DRM Digital Rights Management statt Kopie zum eigenen Gebrauch – das wäre ein schlechter Tausch, nicht nur für die Künstlerinnen sondern auch für die Allgemeinheit: neben der Kriminalisierung gewöhnlicher Bürgerinnen wird der Öffentlichkeit der Zugang zu Kunst und zu vielen anderen Arten von Inhalten entzogen. Bildungsmöglichkeiten werden eingeschränkt und wissenschaftliche Arbeit verhindert. Für all das, meine Damen und Herren könnte ich Ihnen ganz konkrete Beispiele nennen, die Ihnen die Haare zu Berge stehen lassen würden.
Wird hingegen das Urheberrecht so gestaltet, dass es diesen Namen verdient und Urheberinnen und Urhebern mehr Rechte und bessere Verdienstmöglichkeiten zubilligt, bleiben deren Schöpfungen der Allgemeinheit jedenfalls zugänglich. Künstler schaffen ihre Werke ja für die Öffentlichkeit. Die Künstler haben auch kein Problem mit der Kopie zum eigenen Gebrauch, für die sie mit Pauschalabgaben entschädigt werden. Sie würden auch die von inländischen Konsumentinnen und Konsumenten aufgebrachten Gelder wieder den regionalen Wirtschaftskreisläufen zuführen. Das gilt sicher nicht für diejenigen, die sich jetzt für DRM stark machen.
Und hier meine konkreten Vorschläge: Der im Sommer 2002 vom Bundesministerium für Justiz vorgelegte Entwurf für eine Urheberrechtsgesetznovelle zeigt den Weg – schade nur, dass er nicht in der ursprünglichen Form umgesetzt wurde.
- 1. Es war ein sogenannter Bestsellerparagraph vorgesehen, der Schriftstellerinnen und Schriftstellern eine stärkere Position gegenüber ihren Verlagen einräumt. Diese Regelung würde teilweise ausgleichen, dass Verhandlungen über Verträge nicht auf gleicher Augenhöhe ablaufen, sondern David mit Goliath verhandelt – in einer Zeit ohne Steinschleudern.
- 2. Es war die Klärung der Rechtsstellung von Schauspielerinnen und Schauspielern vorgesehen, deren Rechte im geltenden Gesetz teilweise so verklausuliert formuliert sind, dass viel Raum für Unsicherheit und Streit bleibt.
- 3. Es waren verbesserte Auskunftsrechte für Urheber/innen vorgesehen, was z.B. die Verwendung von Werken in Schulbüchern betrifft.
- 4. Die Zweckübertragungstheorie sollte eingeführt werden, ein ganz wichtiges Instrument, damit Urheber nicht ihrer Rechte bis auf den letzten Faden entkleidet werden. Wer kennt nicht die unanständigen Verträge, in denen Urheberinnen ihre Rechte für immerdar und für alle noch unbekannten Nutzungsarten abtreten. Auch das hätte der Entwurf untersagt.
Für notwendig halte ich weiters die Streichung der Cessio Legis, ein Überbleibsel aus der Zeit, als in Österreich noch namhafte private Geldbeträge in die Filmproduktion investiert wurden. Heute werden Filmhersteller dafür belohnt, dass sie aus Steuermitteln Filme herstellen.
Das Folgerecht muss noch nicht, kann aber und soll umgehend in das österreichische Urheberrecht implementiert werden.
Für sinnvoll erachte ich eine verbesserte Kontrolle von Verwertungsgesellschaften, die treuhändig, aber nicht immer nachvollziehbar Rechte für Künstlerinnen wahrnehmen.
Ich fordere die Abgeordneten zum Nationalrat auf, das Urheberrecht wieder zu einem solchen zu machen, damit Künstler/innen sich ihren Lebensunterhalt selbst auch mit dem Rechtebestand, den sie schaffen, verdienen können. Das würde nicht nur dem Kunstleben in Österreich gut tun, sondern auch namhafte Beträge, die inländische Konsument/innen z.B. über die Abgabe auf Speichermedien aufbringen, wieder im Inland dem Wirtschaftskreislauf zuführen.
Natürlich geht das nur im europäischen Gleichklang. Das wäre also ein lohnendes Arbeitsfeld für Repräsentantinnen unserer Kulturnation.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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