(26.1.04, Redebeitrag für den Kulturrat Österreich) Der Bund ist stärker in die Verantwortung zu nehmen: Eine Neuverteilung der Kultur- und Kunstkompetenzen ist notwendig, die Konkretisierung des Grundsatzes der Nicht-Diskriminierung unumgänglich. Geistiges Eigentum soll in einem differenzierten Lizenzsystem geschützt werden, das die Nutzung und Verbreitung von Information entsprechend den Wünschen der SchöpferInnen unterstützt.
Meine Damen und Herren,
der Bund hat immer eher zurückhaltend agiert, wenn es um Kompetenzen im Kunst- und Kulturbereich ging: die Bundestheater sowie Einrichtungen des Bundes (die Bundesmuseen) hat er zu seiner Angelegenheit erklärt. Alles andere wäre nach unserer derzeitigen Verfassung Sache der Länder.
Das Bundeskunstförderungsgesetz von 1988 – abseits der Verfassung – ermöglicht die Förderung von zeitgenössischer Kunst durch den Bund, wobei traditionell auf die Förderpolitik der Länder und Gemeinden Bezug genommen wird, sei es in positiver oder in negativer Hinsicht. Als gängiger Schlüssel zur Aufteilung von Finanzierungserfordernissen galt: 1/3 Bund, 1/3 Land und 1/3 Gemeinde, sofern man sich auf eine gemeinsame Finanzierung etwa von Kulturbauten, Festspielen oder anderen überregional bedeutsamen Kulturvorhaben einigen konnte. Die Fakten liegen völlig anders:
Die Gemeinden finanzieren überproportional, nämlich mehr als die Hälfte für die kulturelle Grundversorgung. Die Länder finanzieren weniger als man aus ihrer verfassungsmäßigen Kompetenz schließen würde: nämlich weniger als ein Drittel, und der Bund finanziert am wenigsten, weniger als ein Fünftel. Diese Zahlen entstammen einer aktuellen Untersuchung in Vorarlberg [Kulturinitiativen in Vorarlberg 2000-2002, Hg. IG Kultur Vorarlberg, 2004]. Auf Wien sind sie nicht übertragbar, auf die anderen Bundesländer mit der Maßgabe, dass – außer in Oberösterreich – die Länder eher weniger zur Kultur beigetragen als in Vorarlberg.
Es erhebt sich also die Frage, warum jene Ebene der öffentlichen Verwaltung, der die Verfassung die Kulturkompetenz gibt, sich weniger engagiert als die Gemeinden, für die Kulturpolitik nicht Pflicht sondern Kür ist. Nachdem, besonders in letzter Zeit, die gemeinschaftliche (drittelparitätische) Aufteilung der Pflichten so unbefriedigend funktioniert, muss man hier über andere Modelle und andere Kompetenzaufteilungen nachdenken. Ich reiße hier ein mögliches Modell [Das niederländische Modell] nur an, das die Pflichten im Einklang mit Eigeninteresse verteilt: die Gemeindeebene wäre für die Räumlichkeiten zuständig, die Landesebene für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung bis in abgelegene Gebiete. Die Bundesebene wäre für die künstlerische Produktion selbst zuständig.
Vieles Spricht jedenfalls für eine stärkere Verantwortung des Bundes abseits der deklarierten Bundeseinrichtungen. In dem Zusammenhang schweife ich kurz ab zur Medienpolitik: Kulturpolitik und Medienpolitik greifen ineinander und müssen dies tun. Das vermissen wir jetzt schmerzlich, da sich der öffentlich-rechtliche Sender als Medienunternehmen geriert, das mit Privatsendern konkurriert. Die aktuelle Rechtslage reicht nicht einmal aus, den ORF zu verpflichten, auf das zeitgenössische Kunstschaffen in diesem Land so Bezug zu nehmen, dass Seherinnen und Hörer die Erfolge der österreichischen Filmschaffenden (als Beispiel) genießen können. Dieses Land hat nicht nur Ski-Asse!
Eine Karriere wie die des Schriftstellers Michael Köhlmeier wird künftig nicht mehr möglich sein, weil der ORF als Unternehmen es nicht für notwendig hält, mit den hier lebenden Kunstschaffenden in einen fruchtbaren Austausch zu treten. Wozu dann eigentlich noch Landesstudios?! Ich halte es für absolut notwendig, den Medien – und insbesondere natürlich dem öffentlichrechtlichen Sender Aufgaben zu übertragen, die das in der Erklärung der Menschenrechte garantierte aktive und passive Informationsrecht konkret realisieren.
In diesem Zusammenhang unterstütze ich die Forderung der Filmschaffenden nach Schutz des geistigen Eigentums. Der Ausbau des Copyrights nach US-amerikanischen Vorbild schützt jedoch nicht das geistige Eigentum der Schöpferinnen und Schöpfer sondern es schafft Verwertungsmonopole, die weder den Kunstschaffenden noch den Konsument/innen nützen, im Gegenteil. Es ist deshalb unumgänglich, dass geistiges Eigentum in einem differenzierten Lizenzsystem entsprechend etwa Creative Commons geschützt wird, das die Nutzung und Verbreitung von Information entsprechend den Wünschen der Schöpfer/innen unterstützt.
Meine letzte Forderung bezieht sich auf das Grundprinzip unserer Verfassung, nämlich auf die Gleichheit vor dem Gesetz. Theoretisch hat dieser Grundsatz auch für den privatrechtlichen Teil der öffentlichen Verwaltung Geltung. Tatsache ist jedoch, dass im Bereich der Kulturförderung auf allen Ebenen Gleiches ungleich behandelt wird und – um es polemisch auszudrücken – Klassengesellschaften reproduziert werden.
Künstlerinnen sind gegenüber Künstlern benachteiligt, kleine Kultureinrichtungen gegenüber großen, der ganze Stand der Künstlerinnen und Künstler gegenüber anderen Berufsgruppen. Die Konkretisierung des Grundsatzes der Nicht-Diskriminierung (die IG Kultur spricht in diesem Zusammenhang von politischem Antirassismus) ist deshalb unumgänglich.
Forderungen:
1. Neuverteilung der Kultur- und Kunstkompetenzen:
- Stärkere Verpflichtung des Bundes zur Förderung zeitgenössischer Kunst und Kultur
- Verständigung der Gebietskörperschaften über gemeinsame Förderinteressen
- Verschiebung formaler Kompetenzen (und der entsprechenden finanziellen Mittel) hin zu den Gemeinden oder Übernahme der Verpflichtungen durch die Länder
2. Medienrecht
- Neuformulierung der allgemeinen Verpflichtungen der Medien
- Neudefinition des öffentlichen Interesses bezüglich öffentlich-rechtlicher Sender
- Neue Überlegungen zum Wettbewerbsrecht
3. Schutz geistigen Eigentums
- Urheberpersönlichkeitsrechte einbeziehen (droit moral)
- Kein Digital Rights Management (DRM), kein „trusted Computing“ sondern
- Garantie aktiver und passiver Informationsrechte und Verbot von Verwertungsmonopolen bzw. Oligopolen