(16.10.03, Redebeitrag für das konsortium.Netz.kultur)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Vielleicht darf ich mir zunächst eine persönliche Bemerkung erlauben. Als Künstler und Autor zahlreicher Werke bin ich immer sehr unangenehm berührt, wenn die Industrie den Anschein erweckt, hier die Interessen der Autoren und Urheber vertreten zu können. Und wenn hier Industrievertreter in einer Doppelrolle als Verwertungsgesellschaftsvertreter auftreten, verstärkt das mein Unbehagen noch.
Kurz gesagt: Diese Urheberrechtsnovelle wird von den Vertretern der Netzkultur abgelehnt. Die darin enthaltenen Lizenzbestimmungen für den Softwarekauf zum Beispiel, die Softwaremiete et cetera sind im Interesse großer Konzerne, aber wohl nicht im Sinne der Benutzer und auch nicht im Sinne von Klein- und Mittelbetrieben, wie sie in der österreichischen Softwarebranche hauptsächlich anzutreffen sind. Die Einschränkungen der freien Werksnutzung in digitalen Medien ist wohl ein Schlag ins Gesicht all jener, die für eine offene und demokratische Informationsgesellschaft eintreten, und der so genannte Schutz technischer Kopierschutzmaßnahmen hat katastrophale Konsequenzen für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu Gunsten der Etablierung von marktbeherrschenden Konzernkartellen.
Dass die Informationsgesellschaft mehr als nur ein Schlagwort ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass in den letzten Jahren zwischen den Inhabern von Informationsgütern einerseits und den ProduzentInnen und BenutzerInnen andererseits ein heftiger Streit entbrannt ist. Die neuen Konflikte in der Verteilung von Wohlstand beziehen sich inzwischen mehr auf die ungreifbare Welt des geistigen Eigentums – „intellectual property“ – und der Vertriebsrechte als auf die traditionelle Wertschöpfung materieller Güter oder Energie in der Produktion. Es entsteht dabei ein Konflikt zwischen dem öffentlichen Interesse und privaten Interessen, zwischen der breiten Öffentlichkeit und virtuellen Kartellen, die sich durch extreme Marktkonzentration der Medien und IP-Konglomerate gebildet haben.
Entscheidungen, die jetzt diesbezüglich getroffen werden, haben eine entscheidende Wirkung für die Zukunft kultureller Gestaltung. Statt Barrieren und Monopolstrukturen zu errichten sollte die Fragestellung vielmehr sein, wie der freie Fluss von Information gefördert werden kann. Und hier ist Gefahr im Verzug, denn zunehmend werden Informationslandschaften geschaffen, in denen dieser Fluss einer Architektur der Kontrolle unterworfen ist, reguliert wird, Systemen der Eingrenzung unterworfen ist, deren Sicherheit sehr trügerisch ist. Zunehmend werden Grenzen errichtet, und der allseits beobachtbare Trend zur Kontrollgesellschaft steht wohl im Widerspruch zu einem offenen Austausch in einer vernetzten Wissensgesellschaft.
Dies bedeutet nicht nur eine Verarmung, sondern raubt auch die Grundlagen einer Mitgestaltung der Zukunft. Einflussreiche Kritiker wie Laurence Lessig, der Rechtsexperte an der Stanford University, zeichnen ein sehr düsteres Bild vom kulturellen Potential unter den Bedingungen nahezu lückenloser Kontrolle geistigen Eigentums. Entgegen dem weit verbreiteten Argument, dass der Ausbau des Urheberrechts den kulturellen Produzenten zu Gute kommt, schadet es der Mehrheit von ihnen. Statt der Entwicklung elektronischer Betonwände für Ideen, Gedanken und Kunst sind die Sicherung einer reichhaltigen öffentlichen Sphäre und die Etablierung digitaler Commons eine notwendige Voraussetzung für nachhaltige Informationslandschaften. Die öffentlichen Ressourcen der kulturellen Gestaltung müssen auch in der digitalen Umwelt geschützt werden. Virtueller „Landraub“ hingegen, der alle geistigen Leistungen und Methoden patentieren will, produziert die ökologische Katastrophe der Kultur. Es braucht daher dringend eine neue Politik der Commons, damit sich Netzwerke in der digitalen Info-Sphäre zum Vorteil für die demokratische Gesellschaft entwickeln können.
Der amerikanische Rechtsgelehrte Eben Moglen fand dazu den Vergleich: Wenn man einen Laib Brot per Knopfdruck massenhaft vervielfältigen könnte, sodass jeder Mensch einen bekommt – welche Gründe kann es geben, diese Grundversorgung zu verbieten?
Abschließend möchte ich sagen, dass die Verschärfung des Urheberrechts in immer weiteren Kreisen ein Umdenken auslöst und immer mehr Wissenschaftler, Kulturschaffende, Programmierer, aber auch kommerzielle Dienstleister erkennen, dass für eine demokratisch offene und dynamische Gesellschaft der freie Zugang zu den Ressourcen der Gestaltung erhalten bleiben muss.