(26.1.04, Redebeitrag für den Kulturrat Österreich) Bildung setzt Kultur voraus, ebenso erschließt sich die Kultur erst durch Bildung. Recht auf Bildung und Recht auf Kultur müssen in der Österreichischen Verfassung festgeschrieben werden, ebenso der Schutz des geistigen Eigentums. Dies soll beitragen, mehr Bewusstsein für den Wert der Kreativität zu schaffen. Notwendig ist auch eine Kulturverträglichkeitsprüfung, der alle Gesetzesvorhaben zu unterziehen sind.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,
ich spreche im Namen des Kulturrats Österreich und des Dachverbandes der Filmschaffenden und möchte unsere Forderungen in Bezug auf die Österreichische Verfassung vor dem Konvent formulieren.
Kunst und Kultur haben in der Vergangenheit des Europas der Nationalstaaten eine große Rolle gespielt. Bei der gegenwärtigen Entwicklung eines gemeinschaftlichen Europa unter Wahrung der kulturellen Vielfalt müssen das Recht auf Kultur und der Schutz des geistigen Eigentums in der Verfassung verankert werden, wie es auch in der künftigen EU-Verfassung vorgesehen ist.
Unsere erste Forderung lautet also nach Verankerung des
Schutzes des geistigen Eigentums in der Verfassung.
Geistige Eigentumsrechte sind ein Anreiz zur Kreation und Investition im künstlerischen Bereich (Musik, Film, Publikationen, Theater, Fernsehsendungen, Software etc.), der zur Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Innovation beiträgt. Der Anteil dieser Aktivitäten am BIP der EU ist erheblich (ca. 6%) und hat eine steigende Tendenz. Außerdem umfaßt dieses Gebiet wichtige kulturelle, soziale und technologische Aspekte, die zur Ausarbeitung einer kohärenten Politik in diesem Bereich in Erwägung gezogen werden müssen. Die geistigen Eigentumsrechte wurden erheblich harmonisiert, um Handelsschranken zu beseitigen und den rechtlichen Rahmen neuen Nutzungsformen anzupassen.
Spätestens seit der Diskussion über die Rechtmäßigkeit von Musik-Downloads aus dem Internet steht der Begriff „Geistiges Eigentum“ auch im Zentrum vieler öffentlicher Debatten. Vieles hat sich geändert, seit der größere Mehrwert nicht mehr mit materiellen Leistungen, sondern mit immateriellen Schöpfungen erzielt wird.
Der Schutz des geistigen Eigentums ist eine der Voraussetzungen für ein lebendiges kulturelles Leben.
Bereits in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 10.12.1948 Art. 27 Abs. 2 wurde formuliert „Jedermann hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die sich für ihn als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst ergeben.“
In der Charta der Grundrechte der Union wird in Abs. 2 Art. 17 der Satz formuliert „Geistiges Eigentum wird geschützt“. Nach unserer Auffassung wird er der Bedeutung, die dem Schutz des geistigen Eigentums zukommt, nicht gerecht. Durch die unmittelbare Anknüpfung an das in Abs. 1 von Art. 17 behandelte materielle Eigentum umfasst die Formulierung nur die vermögensrechtliche Seite des geistigen Eigentums.
Während für Umweltschutz und den Verbraucherschutz ein hohes Schutzniveau ausdrücklich vorgeschrieben wird, fehlt eine entsprechende Bestimmung in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums, insbesondere des Urheberrechts. Es kann nicht angehen, dass das ebenso wichtige Urheberpersönlichkeitsrecht (droit moral) unberücksichtigt bleibt.
Eine Verankerung des Schutzes von geistigem Eigentum in der Verfassung wird dazu beitragen, mehr Bewußtsein für den Wert der Kreativität zu schaffen.
Forderung nach Verankerung des Rechts auf Kultur in der Verfassung
Im Artikel II 14 der Charta der Grundrechte der Union wurde das Recht auf Bildung verankert. Wir fordern daß dieses Recht und das Recht auf Kultur in der Österreichischen Verfassung festgeschrieben werden. Bildung setzt Kultur voraus, ebenso erschließt sich die Kultur erst durch Bildung. Kultur umfasst dabei die gesamte Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen, die aktive Rezeption, die Kultureinrichtungen sowie die Einrichtungen der kulturellen Bildung. Für die weitere Entwicklung der Gesellschaft ist die Kultur ein unverzichtbarer Humus, Anstoß und Wirtschaftsfaktor.
Wir fordern eine Kulturverträglichkeitsprüfung
Bei den Verhandlungen in Maastricht im Jahr 1992 haben die Mitgliedstaaten beschlossen, dass die Europäische Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Wertegemeinschaft sein soll. Mit dem Artikel 151 des Vertrags von Amsterdam (vormals Art. 128) haben sich die Mitgliedstaaten zur Kultur als wichtigem Bestandteil der Europäischen Union bekannt.
Im Absatz 4 hat sich die Europäische Union verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit auch in den anderen Politikbereichen die kulturellen Aspekte zu berücksichtigen (Kulturverträglichkeitsklausel). Das heißt, die EU sollte z.B. auch in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen die kulturelle Dimension reflektieren.
In Deutschland hat die Regierungskoalition im Koalitionsvertrag von 2002 festgelegt, daß bei allen Gesetzesvorhaben eine Kulturverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
Damit hat die Kulturstaatsministerin ein Instrumentarium in der Hand, das es ihr erlaubt, alle Gesetzesvorhaben auf ihre Kulturverträglichkeit hin zu überprüfen und Aktionen auslösen, wenn zum Beispiel in den Bereichen der Steuer- oder der Sozialgesetzgebung unmittelbar oder mittelbar der Kulturbereich positiv wie negativ berührt ist.
Wir erwarten deshalb, dass die so genannte Kulturverträglichkeitsprüfung aus dem Amsterdamer Vertrag als kulturelles Schutzprogramm Eingang in die österreichische Verfassung findet.
Zum Schluß möchte ich noch der Erwartung Ausdruckgeben, daß in der künftigen österreichischen Verfassung im Einklang mit der EU-Grundrechtscharta sowohl weibliche als auch männliche Formen verwendet werden, und nicht mit Platzmangel oder schlanker Form argumentiert wird.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.