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Sozialversicherung für KünstlerInnen? Zum Tatort Kulturpolitik #4

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Schritte Richtung Sozialversicherung unter einem Dach – oder nicht.

Kulturrat Österreich

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„Sozialversicherung für KünstlerInnen!“ war das Thema einer vom Kulturrat Österreich Ende November 2009 im Wiener Literaturhaus veranstalteten Diskussion. Auf dem Podium tauschten Walter Pöltner (Sektionschef im Sozialministerium / BMASK) und Daniela Koweindl (Kulturrat Österreich) unter der Moderation von Politikwissenschaftlerin Monika Mokre aktuelle Überlegungen zur Verbesserung der bestehenden Sozialversicherungssysteme aus und informierten über Inhalte aus Sitzungen einer hierzu seit Frühling 2009 bestehenden, interministeriell besetzten Arbeitsgruppe. Walter Pöltner leitet diese Arbeitsgruppe, Daniela Koweindl nimmt als Interessenvertreterin daran teil.

(v.l.n.r.: Daniela Koweindl/ Kulturrat Österreich, Monika Mokre/ FOKUS, Walter Pöltner/ BMASK)

Eingebettet ist diese Debatte in das Gesamtprojekt, die soziale Lage der KünstlerInnen zu verbessern, die sich – wie die Ergebnisse der vom BMUKK hierzu in Auftrag gegebenen Studie bewiesen haben – durchaus alarmierend darstellt. Als Konsequenz daraus hat das BMUKK unter Federführung von Sektionschefin Andrea Ecker interministerielle Arbeitsgruppen zu diversen Themen eingerichtet, die Verbesserungsmaßnahmen entwickeln sollen. Dass Sozialversicherungsprobleme Teil des Dilemmas sind, hat die Studie unmissverständlich klargelegt.

In dieser Veranstaltung des Kulturrat Österreich standen nun erstmals die konkret angedachten Verbesserungsmöglichkeiten der Sozialversicherungssituation von KünstlerInnen öffentlich zur Diskussion.

Für den Kulturrat Österreich skizzierte Daniela Koweindl einleitend die Problemlagen: Mehrfache Pflichtversicherungen mit dem Resultat, die zentralen Benefits der einzelnen Versicherungen (z.B. Arbeitslosengeld) nicht in Anspruch nehmen zu können; Scheinselbstständigkeit; Undurchsichtigkeit; Inkompatibilität der sozialen Sicherungsnetze mit Mehrfachversicherungen; gravierende Versicherungslücken; aber auch: Vorteile einer Mehrfachversicherung bei ÄrztInnenwahl oder relativ hohe pflichtversicherungsfreie Einkünfte, wenn in einer (von mehreren) Beschäftigungsform(en) die Versicherungsgrenzen gut genutzt werden können. Anschließend referierte sie kurz den Diskussionsprozess seit dem Frühjahr 2009: Dass Mehrfachversicherungen für viele Kunstschaffende ein Problem bedeuten, hat die Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen festgestellt. In der Studie wurden zwar leider keine Zahlen zu Mehrfachversicherungen, sondern lediglich zu Mehrfachbeschäftigung erhoben; bei den offenen Fragen nach Verbesserungsvorschlägen war die Abschaffung von Doppel- und Mehrfachversicherungen allerdings eine häufig genannte Forderung. Diese Problematik wurde gleich zu Beginn des Arbeitsprozesses in den IMAGs aufgegriffen und eine entsprechende Unter-AG zum Thema Sozialversicherung eingerichtet, als deren Ziel eine Gesetzesvorlage zur Verbesserung der Sozialversicherungssituation von KünstlerInnen definiert wurde. Die vage Idee aus dem BMASK: Ein so genanntes Künstlersozialversicherungsstrukturgesetz, das zu einer „Sozialverscherung unter einem Dach“ für Kunst- und Kulturschaffende führt als Ergebnis anpeilen. Aktueller Stand: Vorarbeiten zur Definition der Probleme, Suche nach Lösungsansätzen und Verbündeten bei SozialpartnerInnen und Versicherungsanstalten. Ein Gesetzesvorschlag soll – sofern letztlich die Vorteile eines solchen Konzepts überwiegen – zum Jahresende 2010 beschlussreif vorliegen.

Walter Pöltner begann sein einführendes Statement mit der Feststellung, dass es seitens des BMASK keine fertige Vision gebe, sondern dass diese gemeinsam erarbeitet werden müsse. Als zentrales Problem sah er u.a. die Kompliziertheit: Sozialversicherung als Blackbox – niemand weiß Genaues darüber. Seine persönliche Vision beschrieb er so: „Ich gehe zu meiner Sozialversicherungs(SV)-Stelle und diese verarbeitet meine SV-Angelegenheiten.“ Das komplizierte Aushandeln zwischen den SV-TrägerInnen solle intern delegiert im Backoffice stattfinden. Ein solches Kompetenzzentrum hätte auch den Vorteil eines „Identitätshafens“ für Kunst- und Kulturschaffende wie für SV-MitarbeiterInnen. Seine „aktuell schwierigste Aufgabe“, erklärte Pöltner später, sei es „Kunst- und Kulturschaffende für eine gesetzliche Änderung zu begeistern“.

Im weiteren Verlauf des Abends beschrieb Pöltner sowohl Eckpunkte als auch Möglichkeiten des geplanten Gesetzes, wie es sich für ihn zum aktuellen Diskussionsstand darstellte.

Zunächst zu den Eckpunkten:
# Das geplante Gesetz kann nur ein erster Schritt sein: Wichtig sind entsprechend die Perspektiven, die das Gesetz bereitstellt.
# Die Umsetzung soll kostenneutral ausfallen – allein schon aus Gründen der Durchsetzbarkeit.
# Grundfesten des österreichischen Sozialversicherungswesens werden nicht angerührt: Tätigkeitsbezogene Pflichtversicherung bleibt. Nicht infrage kommt eine personenbezogene Sozialversicherung respektive umfassende Wahlfreiheiten für Versicherte.
# Als letzter Schritt vor Gesetzwerdung muss ein Screening punkto Verbesserungen/ Verschlechterungen erfolgen: Wenn dieses Screening negativ ausfällt, wird das Projekt abgesagt.

Möglichkeiten respektive Auszuhandelndes:
# Minimalvariante: One-Stop-Shop.
# Zuständigkeit: SVA oder GKK oder andere.
# Sozialversicherungszusammenführung für alle, die einer Mehrfachversicherung unterliegen; oder eine festgelegte Sozialversicherung grundsätzlich für alle Tätigkeiten im Kunst/Kulturbereich.
# Definition KünstlerIn über eine Liste künstlerischer Berufe oder anders (soll erst am Schluss verhandelt werden).
# Einbeziehung kunstnaher Tätigkeiten: ja/ nein.
# Opting Out Möglichkeit zu Beginn.
# Einbeziehung Arbeitslosenversicherung für alle künstlerischen Tätigkeiten.
# Möglicher oder notwendiger Umbau des Künstlersozialversicherungsfondsgesetzes (KSVFG).
# Konstruktion zur „Mitnahme“ des sozialversicherungsfreien Bonus von Mehrfachversicherungen (derzeit kann bis zur Jahresgeringfügigkeitsgrenze in einer weiteren Beschäftigungsform sozialversicherungsfrei dazuverdient werden.)

Als Ergebnis kann wohl festgehalten werden, dass der Prozess zwar gerade erst beginnt, aber großes Potential hat. Konkreteres werden aber erst Verhandlungen und weitere Arbeitsergebnisse im ersten Halbjahr 2010 ergeben.

(Dezember 2009)

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