(Pressemitteilung vom 23.11.2018)
Die zentralen Ergebnisse belegen nun zehn Jahre nach der ersten Studie allzu deutlich:
Es besteht akuter Handlungsbedarf!
Rund 37 % der Kunstschaffenden leben von einem Gesamteinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle. Für rund 50 % liegt das jährliche Nettoeinkommen aus künstlerischer Tätigkeit unverändert unter 5.000,- Euro. Und die Lücken in der sozialen Absicherung sind nach wie vor besorgniserregend weit verbreitet: 42% der befragten darstellenden Künstler_innen haben keine durchgehende Pensionsversicherung. Auch in der Krankenversicherung fehlt je nach Kunstsparte 5% bis 17% der Künstler_innen ein durchgehender Versicherungsschutz.
Nach wie vor? Unverändert? Die nun veröffentlichte Studie ist ein Follow-Up zu der 2008 ebenfalls im Auftrag des Bundeskanzleramts durchgeführten Studie zur sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern in Österreich. Bereits 2008 erhielten wir einen ernüchternden Befund. Die zentralen Ergebnisse belegen nun zehn Jahre später allzu deutlich: Es besteht nach wie vor akuter Handlungsbedarf.
Der Gender Pay Gap ist geschrumpft, aber weiterhin enorm groß. Vor zehn Jahren erzielten Künstlerinnen über 35% geringere Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit gegenüber ihren Kollegen. Nun sind es je nach künstlerischer Sparte zwischen 29,15%,(Film) und 22,2% (Literatur). Das zumindest geringfügige Schließen der Einkommensschere hängt auch mit den vermehrten Anstrengungen aus dem Kunst- und Kulturbereich selbst zusammen. (Stellvertretend sei für den Film FC Gloria). Bei den persönlichen Gesamteinkommen ist lediglich für die ausschließlich Selbstständigen ein deutlicherer Einkommensanstieg zu verzeichnen, während unselbstständig tätige Künstlerinnen und Künstler für den Vergleichszeitraum 2007/2017 ein Einkommensplus von nur 3% aufweisen. Überhaupt keine Veränderung im Gesamteinkommen zeigt sich bei der im Feld weit verbreiteten Kombination von selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit.
Wenig überraschend fallen auch die Ergebnisse zur Einschätzung von Belastungen und der Lebensqualität aus. Als zentrale Probleme werden unsichere und unregelmäßige Einkommen sowie die schwierige soziale Absicherung, insbesondere im Alter und bei Erwerbslosigkeit, genannt. Das subjektive Wohlbefinden rangiert dementsprechend auf einem niedrigen Niveau: Während ein Viertel der Gesamtbevölkerung ein hohes Maß an Lebensqualität empfindet, gibt mehr als die Hälfte der Kunstschaffenden an, ein niedriges Wohlbefinden zu haben.
Nachhaltige Veränderungen waren aufgrund der weitgehend gleichbleibenden Rahmenbedingungen kaum zu erwarten – die als Reaktion auf die Studie 2008 durchgeführten Verbesserungsmaßnahmen konnten Problemlagen punktuell entschärften, waren jedoch längst nicht ausreichend, grundlegende Verbesserungen zu bewirken. Umso dringender ist es, jetzt aktiv zu werden. Die Situation ist derart akut, dass sich auch Kunstminister Blümel in einer ersten Reaktion veranlasst fühlt, über das aktuelle Regierungsprogramm hinaus Änderungsbedarf festzustellen und eine Arbeitsaufnahme anzukündigen. „Die Aufarbeitung der sozio-ökonomischen Situation der Kunstschaffenden und die Entwicklung derer sozial- und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen [ … ] wird vor allem von den Interessensvertretungen vorangetrieben,“ konstatiert auch die aktuelle Studie. Wir gehen davon aus, dass unser erneuertes Gesprächsangebot an den Bundesminister nun doch angenommen wird, und sind gespannt.
Die Studie
„Soziale Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler/innen in Österreich“ 2018
Ein Update der Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“ 2008
Petra Wetzel, unter Mitarbeit von Lisa Danzer (L&R Sozialforschung)
Veronika Ratzenböck, Anja Lungstraß, Günther Landsteiner (österreichische kulturdokumentation)
Die soeben veröffentlichte Follow-up-Studie zur sozialen Lage von Künstler_innen, beauftragt und veröffentlicht von der Kunst- und Kultursektion im Bundeskanzleramt, durchgeführt von L&R Social Research und der Kulturdokumentation Österreich, wurde im gleichen Design wie 2008 aufgesetzt. Abgefragt und veröffentlicht sind daher erneut Daten und Zahlen zur individuellen Situation von Künstler_innen, nicht aber zu Strukturen im Feld oder Kulturarbeiter_innen in einem größeren Kontext. Erstmals mituntersucht wurde die soziale Lage von Kultur- und Kunstvermittler_innen.
- Langfassung
- Kurzfassung
- Überblick zu Berichten und Studie auf der Website des Bundeskanzleramts
- OTS Bundesminister Blümel
Kommentare/ Aussendungen von Interessenvertretungen
(wird laufend ergänzt):
- Kommentar der IG Freie Theater zur Studie zur sozialen Lage von Kunstschaffenden in Österreich