(Pressemitteilung vom 18.11.2019) Die bloße Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheber_innenrecht wird keinesfalls ausreichen: Es braucht endlich ein Vertragsrecht.
Kulturrat Österreich fordert Urheber_innenvertragsrecht (UVR) im Zuge der Umsetzung der EU-Urheberrechtsdirektive
Konkrete Schritte zur Verbesserung der sozialen Lage der Kunst-, Kultur und Medienschaffenden. Prüfsteine für die nächste Bundesregierung.
Die EU-Richtlinie zum Urheber_innenrecht ist beschlossen, nun müssen die Mitgliedsstaaten zügig handeln, denn bis Juni 2021 muss sie in nationales Recht umgesetzt werden. Die Richtlinie stattet Urheber_innen grundsätzlich mit mehr Rechten gegenüber Verwerter_innen aus.
Allerdings wird die bloße Umsetzung der Richtlinie, selbst wenn auch alle Kann-Bestimmungen in österreichisches Recht einfließen, keinesfalls ausreichen, um endlich eine grundlegende Verbesserung für die Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden als sogenannte Content-Lieferant_innen zu bewirken. Es bleibt weiterhin den Urheber_innen überlassen, sich mit ihren Produzent_innen, Verlagen, Labels usw. auf konkrete Vertragsbedingungen zu einigen. Im freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte haben sie dabei in der Regel die schlechteren Karten.
In der Buchbranche trifft man zum Beispiel auf Absatzbeteiligungen von 10 %. Bei einem Verkaufspreis von 20 Euro (excl. Mwst.) erhält der Autor/die Autorin also 2 Euro pro verkauftem Exemplar. Verhandlungsspielraum besteht bestenfalls für sehr erfolgreiche Autor_innen, alle anderen müssen nehmen, was sie kriegen. Rechnet man pro Buch eine Arbeitszeit von 6 Monaten und aufzubringende Lebenshaltungskosten von 1000 Euro pro Monat (Armutsgrenze 1.259,– €), muss der Autor, die Autorin 3000 Bücher verkaufen, um die notwendigen 6000 Euro für diese Zeit zu verdienen. Das gelingt nur wenigen, schließlich eignet sich nicht jedes Buch zum Bestseller.
Im Filmbereich wiederum hat sich die Praxis entwickelt, „Total Buy-outs“ zu vereinbaren, also die vollständige Rechteeinräumung für die gesamte Schutzdauer von 70 Jahren, zu unangemessen niedrigen Pauschalhonoraren. Wer sich nicht fügt und angemessene Honorare fordert, wird häufig von künftigen Aufträgen ausgeschlossen.
Einen Interessenausgleich kann hier nur ein Vertragsrecht bringen, das es im Zuge der Umsetzung der Richtlinie nun endlich zu realisieren gilt und das folgende Eckpunkte umfassen muss: In gemeinsamen Verhandlungen zwischen den jeweiligen Interessenvertretungen der Urheber_innen und der Verwerter_innen muss rechtsverbindlich festgelegt werden, was als angemessen und fair zu gelten hat. Mindestwerte dürfen nicht unterschritten werden. Muster- oder Normverträge müssen die Basis bilden. Das Prinzip muss lauten, dass Urheber_innen an den Erlösen aus allen Formen der Verwertung angemessen beteiligt werden und bei unerwartetem Erfolg oder unzureichenden Vereinbarungen nachträgliche Vertragsanpassungen möglich sind.
Konkret braucht es Regelungen, die folgende Punkte abdecken:
1) angemessene Vergütung sowie Unverzichtbarkeit und Unabtretbarkeit von Vergütungsansprüchen
2) zwingender Anspruch auf Beteiligung an den Verwertungserlösen
3) Anspruch auf Anpassung des Nutzungsvertrages für den Fall, dass keine angemessene Vergütung vereinbart wurde
4) Möglichkeit der Vertragsanpassung bei unerwartetem Erfolg (Bestseller-Paragraf)
5) zwingende gesetzliche Verteilungsregeln für Vergütungsansprüche
6) räumliche, zeitliche oder inhaltliche Beschränkung von Verträgen
7) gesetzliche Verankerung des Zweckübertragungsgrundsatzes
8) Unwirksamkeit der Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten
9) Ausbau der gesetzlichen Auslegungsregeln, um sicherzustellen, dass im Zweifelsfall das Werknutzungsrecht bei den Urheber_innen verbleibt
10) Rechtlich verbindliche Verfahren zur Bestimmung der angemessenen Vergütung zwischen Interessenvertretungen von Urheber_innen und von Verwerter_innen
11) Verfahren bei Nicht-Zustandekommen von Rahmenverträgen, rechtlich verbindliche Schlichtung durch Urheberrechtssenat
12) Klarstellung der Übergangsregelung für Altverträge bei Schutzfristverlängerungen
Materialien:
- EU-RL über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt
Konkrete Schritte zur Verbesserung der sozialen Lage der Kunst-, Kultur und Medienschaffenden. Prüfsteine für die nächste Bundesregierung.
Der Kulturrat Österreich arbeitet seit Jahren konsequent an der Erhebung von Problemlagen, macht Vorschläge zu deren Verbesserung und verfolgt kritisch die praktische Umsetzung von einschlägigen Maßnahmen. Unser Wissen kommt von der Basis, von jenen, die als Kunst-, Kultur- und Medienschaffende leben und arbeiten.
Die Ergebnisse der zweiten, Ende 2018 veröffentlichten Studie zur sozialen Lage in diesem Bereich haben sehr deutlich gemacht, dass es intensiver Bemühungen auf allen Ebenen bedarf, um bei der nächsten Erhebung nicht wieder sagen zu müssen: Es hat sich nichts geändert.
Wir präsentieren daher konkrete Schritte zur Verbesserung der sozialen Lage, die für die nächste Bundesregierung handlungsanleitend sein sollen.