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UrheberInnenvertragsrecht? Theorie und Praxis.

  • von

(Dokumentation vom Jänner 2011) Kulturrat Österreich

Was hilft es? Wem hilft es? Was braucht es zusätzlich?

In aktuellen Debatten und Diskursen um das UrheberInnenrecht droht ein zentraler Aspekt regelmäßig unterzugehen: das Recht auf angemessene Vergütung der UrheberInnen – durch diejenigen, die die Verwertungsrechte von ihnen erwerben, um daraus einen ökonomischen Gewinn zu ziehen ‒ VerwerterInnen, ProduzentInnen, VerlegerInnen. In Ermangelung eines UrheberInnenvertragsrechts ist es in Österreich UrheberInnen und ProduzentInnen überlassen, sich auf konkrete Vertragsbedingungen zu einigen. Insbesondere die Frage der Honorierung, aber auch andere Nutzungsbedingungen unterliegen folglich dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte, bei dem UrheberInnen in der Regel die schlechteren Karten haben.

Der Kulturrat Österreich hat die Forderung nach einem UrheberInnenvertragsrecht seit längerem auf der Agenda und unternimmt nun, auch mit Blick auf die Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen in Österreich und die nachfolgenden interministeriellen Arbeitsgruppen (IMAG), neuerlich einen konkreten Anlauf, um eine entsprechende Gesetzesinitiative in Gang zu bringen. Die Veranstaltung am 14.12. ist diesbezüglich als Auftakt zu verstehen, der einerseits einer Bestandsaufnahme, andererseits einem intensiven Blick auf die gesetzliche Lage in Deutschland gewidmet war, wo es seit nunmehr bald zehn Jahren ein UrheberInnenvertragsrecht gibt.

Als Gast eingeladen war der Münchner Fachanwalt für UrheberInnen- und Medienrecht Victor Struppler, der insbesondere deutsche LiteraturübersetzerInnen mit Unterstützung des ÜbersetzerInnenverbands VdÜ und der Gewerkschaft ver.di, in der die ÜbersetzerInnen in Deutschland organisiert sind, bei der praktischen juristischen Durchsetzung des UrheberInnenvertragsrechts vertritt. Im Gespräch mit ihm vervollständigten Maria Anna Kollmann vom Dachverband der Filmschaffenden und Werner Richter von der Übersetzergemeinschaft das Podium. Beide Verbände lobbyieren seit Jahrzehnten für ein UrheberInnenvertragsrecht in Österreich. Werner Richter war zudem als Mitglied von ver.di und VdÜ aktiv in die Verhandlungen zwischen ÜbersetzerInnen und Verlagen um gemeinsame Vergütungsregeln auf der Basis des UrheberInnenvertragsrecht involviert.

Nach einer kurzen Einführung in das Thema durch Maria Anna Kollmann begann Victor Struppler den Abend mit einem Überblick über die Entwicklung des deutschen UrheberInnenvertragsrechts mit dem Hinweis, dass es streng juristisch auch in Deutschland kein eigenes Gesetz dieses Namens gibt, sondern dessen Bestandteile in verschiedenen Normen geregelt sind. Kern jedes UrheberInnenvertragsrechts ist die Regelung der Vergütungsansprüche, sowohl in den unmittelbaren Verträgen, aber auch und insbesondere im weiteren Verlauf der Rechtenutzung.

Vertragsrechtliche Bestimmungen gibt es in Deutschland seit Beginn des 20. Jahrhunderts – seinerzeit geregelt im Verlagsrecht, ganz einfach deswegen, weil die Verwertung durch Verlage damals praktisch die einzige bekannte Verwertungsform war. Die Geschichte der Rechtssprechung zur Urhebervergütung begann de facto in den 1930er Jahren, als neue Formen der Rechtenutzung, also die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke über bis dahin unbekannte Distributionskanäle, eine gewisse Breitenwirkung zu entfalten begannen. Hier benannte Victor Struppler auch drei Kernpunkte seines (UrheberInnen-)Rechtsverständnisses: Die Durchsetzung neuer Gesetze sei immer nur eine Wegmarke, die praktische Auslegung werde anschließend von den Gerichten bestimmt (was üblicherweise lange Zeitläufe benötigt); die Überlassung von Nutzungsrechten solle immer sehr strikt erfolgen und möglichst keine Überlassung unbekannter Nutzungsarten einschließen; und JuristInnen hätten qua Position einen eigenen Blick auf gesellschaftliche Probleme, der immer auch mitzureflektieren sei.

Eine weitere Wegmarke war die Novelle des deutschen UrheberInnenrechtsgesetzes 1965, durch die der Bestsellerparagraph eingeführt wurde, allerdings versehen mit kurzen Verjährungsfristen und extrem rigorosen Voraussetzungen. Seit damals ist aber klar, dass ein urheberrechtlicher Vergütungsanspruch nicht nur unmittelbar im Austausch gegen Verwertungsrechte zusteht, sondern auch für Verwertungsergebnisse im Zeitverlauf. Zentraler war allerdings das Verbot der Übertragung unbekannter Nutzungsarten, das im aktuellen UrheberInnenrechtsgesetz jedoch nicht mehr existiert (wurde vor kurzem mit Verweis auf die zahllosen Schwierigkeiten bei der Nutzung verwaister Werke – allerdings generell – abgeschafft).

Im Verhandlungswege konnten beginnend mit den 1970er Jahren Interessenverbände der UrheberInnen Norm- und Tarifverträge mit VerwerterInnenverbänden aushandeln und Vergütungsempfehlungen etablieren. Gleichwohl gibt es bis heute vielfältige Versuche, diese zu umgehen.

Mit einer Novelle des Urheberrechtsgesetzes im Jahr 2002, dem Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen, sollte die „gestörte Vertragsparität“ zwischen UrheberInnen und VerwerterInnen ausgeglichen werden. Dies folgte zum einen der politischen Einsicht, dass die gesetzliche Lage unzureichend war, verbunden aber auch mit einem Druck von außen durch die Inforichtlinie der EU, die neben vielen anderen gesellschaftlich relevanten Implikationen auch eine Verbesserung der Vergütungsansprüche von UrheberInnen als Auftrag an die nationalen Parlamente enthielt. Im Gesetzgebungsprozess signalisierten VerwerterInnenverbände Bereitschaft, statt einer zwangsweisen gesetzlichen Regelung ohne neues Gesetz etwas für die UrheberInnen – insbesondere übrigens für die ÜbersetzerInnen – tun zu wollen (was aber später in zum Teil haarsträubender Manier ignoriert wurde). Der Gesetzgeber folgte danach weitgehend dem intensiven Wunsch, einen Konsens zu organisieren, der, wie wir alle wissen, unter kapitalistischen Verhältnissen zwischen ökonomisch Abhängigen und Verwertenden schlicht nicht möglich ist. Vor der Überleitung in das Gespräch zur konkreten Aushandlungsgeschichte in Deutschland referierte Victor Struppler noch im Schnelldurchlauf die zentralen Bestandteile:

Die Vergütung für die Einräumung von Nutzungsrechten hat angemessen zu sein. Angemessen ist die Vergütung dann, wenn sie entweder auszuhandelnden Vergütungsregeln (zwischen Verbänden der VerwerterInnen und UrheberInnen) entspricht, oder aber wenn sie der zum Zeitpunkt der Nutzung üblichen und redlichen Vergütung entspricht. Entspricht die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht der angemessenen, kann der/die UrheberIn unbeschadet der Unterschrift im Vertrag eine solche nachträglich fordern und einklagen (auch unmittelbar nach Vertragsabschluss). Sobald ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Vergütung und den Erträgen und Vorteilen durch die Nutzung der Rechte eintritt, ist dafür weiter angemessen zu vergüten. Diese doch recht unkonkreten Formulierungen im Gesetz sowie das Nichtvorsehen verpflichtender schlichtender Instanzen hatten allerdings – durchaus absehbare – Folgen für die Anwendbarkeit des Gesetzes in der Praxis, wie auch die Gerichte stets anmerkten

Das Gespräch um die praktische Auseinandersetzung um das deutsche UrheberInnenvertragsrecht konzentrierte sich in der Folge nachvollziehbarerweise auf die Position der ÜbersetzerInnen: Zum einen haben sich die ÜbersetzerInnen sehr aktiv in die Lobbyarbeit vor der Gesetzwerdung eingebracht und führen den Löwenanteil der derzeitigen Gerichtsverfahren zum novellierten Urhebervertragsrecht, zuletzt mit fünf Urteilen vor dem deutschen Bundesgerichtshof im Jahr 2009 (auch deshalb, weil sie – im Gegensatz etwa zu JournalistInnen, die bei einer Klage gegen ihren Verlag praktisch zum Wohnortwechsel gezwungen sind – relativ ortsungebunden arbeiten können). Zudem war die Vergütungssituation der ÜbersetzerInnen bekanntermaßen so schlecht (und ist es weitgehend nach wie vor), dass die Unangemessenheit ihrer üblichen Honorare und die Notwendigkeit, die Position dieser speziellen Berufsgruppe zu verbessern, sogar in den Gesetzeserläuterungen explizit angeführt wurde – als Teil der Begründung für Notwendigkeit des Gesetzes.

Werner Richter berichtete über den Aktivismus sowohl auf Seiten der ÜbersetzerInnen, die unter anderem eine Fähre charterten, um vielen Bundestagsabgeordneten ein persönliches Buch von jeweils einer/m ÜbersetzerIn zu überbringen, als auch auf Seiten der VerwerterInnen, die viel Geld in die Hand nahmen, um das Gesetz noch zu stoppen (eine Inseratenkampagne oder auch der „Druck“ eines leeren Buches, mit dem die heraufbeschworene Gefahr vermittelt werden sollte, die angemessene Vergütung von UrheberInnen werde dazu führen, dass keine Bücher mehr erscheinen können). Als besonders perfide erwies sich die Verhandlungsstrategie des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, der sich im Vorfeld der Gesetzwerdung als Verhandlungspartner für gemeinsame Vergütungsregeln präsentierte (und deren ProponentInnen versprachen, diese aushandeln zu wollen), nach dem Inkrafttreten jedoch plötzlich verkündete, keinerlei Verhandlungsmandat dafür zu haben.

So ist es auch kein Wunder, dass die Intention des Gesetzes – binnen einiger Jahre in allen relevanten Sparten beiderseits anerkannte Vergütungsregeln abgeschlossen zu haben – bislang wenig realen Niederschlag gefunden hat: Bis dato gibt es erst zwei Vergütungsregeln, eine für AutorInnen deutschsprachiger Belletristik, die Mitte der 2000er angesichts massiv fallender Vergütungen in ihrem Bereich mit dem Abschluss immerhin „Untergrenzen“ eingezogen haben, und eine für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten. Letztere wird in der Praxis zögerlich angewendet– in der Regel unter Verweis der ZeitungsverlegerInnen auf das Wörtchen „hauptberuflich“.

Als letzten Punkt im Podiumsgespräch stellte Maria Anna Kollmann die österreichische Situation dar: Die letzten beiden Initiativen, ein UrheberInnenvertragsrecht in Österreich einzuführen, sind im Sand verlaufen. Die erste – Ende der 1990er durch den damaligen Kunststaatssekretär Wittmann – fiel dem Regierungswechsel 2000 zum Opfer. Die zweite im Zuge der Anpassung des österreichischen Urheberrechtsgesetzes an die „Inforichtlinie“ der EU in den Jahren 2002/2003 scheiterte ebenfalls: Während damals in der ersten Gesetzesvorlage – für viele sehr überraschend – rudimentäre Teile eines UrheberInnenvertragsrechts enthalten waren, flogen diese im Zuge einer Neuwahl wieder aus dem Entwurf, allerdings wohl auch aufgrund massiver Lobbyarbeit seitens der Verwertungsverbände und auch mit Blick auf die strittige Einführung in Deutschland. In der zweiten Gesetzesvorlage 2003 war von alledem nichts mehr vorhanden, und diese wurde dann weitgehend analog dem Entwurf beschlossen. Zudem gibt es insbesondere im Filmbereich österreichische Besonderheiten, sowohl was die Rechteverteilung betrifft (die cessio legis, die per Gesetz alle Verwertungsrechte den ProduzentInnen einräumt), als auch durch die de facto Monopolstellung des größten Auftraggebers im Filmbereich, dem ORF, der sich zudem in aller Regel sämtliche Rechte mit Einmalzahlungen, den sogenannten buyout-Verträgen, sichert.

Die nachfolgende Publikumsdiskussion drehte sich um spartenspezifische Details sowie auch um grundlegendere Fragen zu Rechten und den Möglichkeiten, diese gegenüber VerwerterInnen, AuftraggeberInnen und insbesondere im Zuge von Wettbewerben zu behalten – um anschließend Vergütungsansprüche geltend machen zu können.

Conclusio: Wir brauchen ein UrheberInnenvertragsrecht. Und starke Verbände, die unsere Interessen dabei durchsetzen können, unter anderem auch über eine effektive und geistreiche Öffentlichkeitsarbeit. Weiters Geld, um notfalls auf Gerichtsebene für die Durchsetzung der gesetzlich vorgesehenen Rechte zu sorgen, sowie eine juristische Möglichkeit, die nicht mehr auf die einzelnen UrheberInnen als KlägerInnen abzielt (weil dies vor allem in kleinen Märkten wie Österreich oft mit der Gefahr einhergeht, dass Klagende zwar für andere Verbesserungen erreichen, selbst aber keine Aufträge mehr bekommen).

Zuletzt als Vorschau: In einer zweiten Podiumsdiskussion werden wir zunächst zwei PolitikerInnen zu Gast haben, die beide im vergangenen Jahr mit Beiträgen zur Verbesserung/Novellierung der UrheberInnengesetze aufgefallen sind. Diese Veranstaltung könnte eine Basis für eine breitere Forcierung und Entwicklung entsprechenden politischen Drucks in Richtung Einführung eines UrheberInnenvertragsrechts werden.

Weitere Informationen:

# Fred Breinersdorfer: Erläuterungen zum neuen Urhebervertragsrecht.

# Vergleich altes UVR Deutschland zu neuem Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern.

# Ausführliche Sammlung zu Judikatur aber auch parlamentarischen Aushandlungsprzess zum UrheberInnenvertragsrechts in Deutschland: Seite des Inst. für Urheber und Medienrecht München

# irights.info : Praktischer Pool zu allen Fragen des UrheberInnenrechts

# Leitsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Übersetzervergütung

# Text der bereits abgeschlossenen Vergütungsregeln.

# Homepage des Verbands deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. mit Erläuterungen

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