(Pressemitteilung vom 20.11.2012)
Kulturrat Österreich fordert einen Richtungswechsel: Nein zu rassistischen Normaldiskursen
Die aktuell diskutierte Reform des Einbürgerungsrechts zeigt anschaulich, welch absurde Wendungen vor der Folie rassistischer Diskurse möglich sind: Die Formulierung überkommener Wunschbilder „perfekter ÖsterreicherInnen“ in Form von Barrieren und Hürden für Zuwanderer und Zuwanderinnen geht einher mit Thesen von „österreichischen Werten“ wie „Freiheit, Solidarität oder Gewaltenteilung“, die von Einbürgerungswilligen gefordert werden sollen, ihnen aber zugleich systematisch verwehrt werden. Dass hier über konkrete menschliche Schicksale entschieden wird, ist in diesem Prozess schon lange aus dem Blick geraten: Wie die rechtliche Praxis aussieht, welche Hürdenläufe dieses ausdifferenzierte fremdenrechtliche Regime Zuwanderern und Zuwanderinnen aufzwingt, wird dabei zwar oft nicht zur Kenntnis, jedoch billigend in Kauf genommen.
Statt einer Reflexion gesellschaftlichen Wandels wird Integration nach wie vor übersetzt als Bringschuld der Anpassung der Neuen
an die vermutete Mehrheitsgesellschaft. Das diskursive wie praktische Problem, dass die sogenannte Mehrheit keine einheitliche gesellschaftliche Gruppe ist, an die sich anzupassen überhaupt möglich wäre, wird wahlweise ausgeblendet oder aber als eigentliches Ziel hinter den rassistischen Gesetzen definiert: die Konstruktion einer vermeintlich möglichen einheitlichen StaatsbürgerInnenschaft vor der Kontrastfolie der „Anderen“, verbunden mit einen Katalog identitärer Zuschreibungen.
Staatssekretär Kurz fordert konkret dreierlei von Einbürgerungswilligen: Sprachkenntnisse der Mehrheitssprache auf dem Maturaniveau in der ersten Fremdsprache, eine dauerhafte Anstellung mit im Verhältnis überdurchschnittlich hohen Einkommen ohne Inanspruchnahme des sozialen Sicherheitsnetzes und zudem langjährige freiwillige ehrenamtliche Tätigkeiten. Das eigentlich notwendige Erfordernis eines über viele Jahre bestehenden legalen Aufenthaltstitels und eines absolut leeren Strafregisters wird damit verschärft.
Deutschkenntnisse sollten vom Staatssekretär jedoch als politische Forderung und Bringschuld des Staates im Sinne von entsprechenden Lernangeboten formuliert werden, auch an die StaatsbürgerInnen, und widersprechen im jetzigen Forderungspaket zudem dem Volksgruppengesetz, konkret der Anerkennung sprachlicher Minderheiten im Land, sowie den EU-Freizügigkeitsregeln, in denen Niederlassungsfreiheit ohne sprachliche Anforderungen formuliert wird. In der Tatsache, dass von „Führungskräften“ keinerlei Deutschkenntnisse gefordert werden, erweist sich erneut die soziale Zuschreibung der geplanten Maßnahmen und die sachliche Inkonsistenz der Forderung.
Die geforderte Anstellungsdauer von mindestens sechs Jahren im gleichen Job dagegen spricht der allgemeinen Arbeitsmarktsituation in Österreich gerade zu Hohn. Wer in Österreich kann sie vorweisen? Hier werden Vorstellungen einer angeblich heilen Welt respektive eines Arbeitsmarkts mit existierender Vollbeschäftigung der 1970er auf Zuwanderungswillige projiziert, während es zur sachlichen Unmöglichkeit, ein solches Kriterium zu erfüllen, in Wahrheit auch um die formale Legitimierung von Ausbeutung nach alter Fasson geht: Wer sechs Jahre lang nicht riskieren darf, den Job zu verlieren, ist das ideale „Testobjekt“ für die Abschaffung von arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen…
Für einige gesellschaftliche Sektoren des Arbeitsmarktes bedeutet eine solche Regelung überhaupt den vorprogrammierten Ausschluss: Im Feld der Kunst-, Kultur- und Medienarbeit waren und sind durchgehende Anstellungen von sechs Jahren und mehr immer schon die Ausnahme, nicht die Regel. Die realen Einbürgerungschancen nach einer solchen Regel sind also für diesen Sektor gleich Null.
Die Einführung einer verpflichtenden Aktivität freiwilligen gesellschaftlichen Engagements verurteilt sich überhaupt gleich selbst: Offenbar soll hier die freiwillige Gratisarbeitsleistung dort gefordert werden, wo der Ausfall der NormalbügerInnen, die nicht mehr ohne Bezahlung arbeiten wollen, abgefedert werden muss – ausgerechnet als Zwangsverpflichtung von Personen, die heute in den Blaulichtorganisationen nicht nur kaum willkommen sind, sondern zum Teil noch explizit von Freiwilligenarbeit ausgeschlossen werden.
Es geht also nicht, wie von Kurz formuliert, um die Erleichterung der Einbürgerung, sondern um deren abermalige Verschärfung – verbrämt mit dem Zuckerl vor der Nase, „schon“ nach sechs Jahren eine potenzielle Chance auf eine StaatsbürgerInnenschaft zu haben. Zeitgleich werden Containerlager für die Unterbringung von AsylwerberInnen geplant und die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge für xenophobe Hetze benutzt – statt zumindest Kindern Basisrechte wie Ausbildung und eine gefängnislose Bleibemöglichkeit zuzugestehen.
Wer heute Einbürgerungen weiter erschwert, arbeitet konkret an der Delegitimierung der Grundsätze der Demokratie.