(Beiträge zu: 42 Monate IMAG, eine Bilanz. Dezember 2012)
Als Mitte/Ende der 1990er Jahre deutlich wurde, dass das Sozialversicherungssystem in Österreich unter dem Vorzeichen der Pflichtversicherung für alle umgestaltet werden sollte, war noch allerorts klar, dass es spezielle Lösungen für Kunst-, Kultur- und Medienschaffende brauchen würde. In Verhandlungen mit der damals noch SPÖ-geführten Regierung wurden folgende Eckpunkte außer Streit gestellt:
- Zuschuss respektive Übernahme der „DienstgeberInnenbeiträge“ zur Sozialversicherung von selbstständig erwerbstätigen Kunst- und Kulturschaffenden
- keine Verschlechterungen im Bereich Einkommen und Sozialversicherung durch neue Regelungen
- Erhalt des Zugangs zum AMS bzw. zu Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Zuschuss mit Hürden
Tatsächlich eingeführt wurde das KSVF-Gesetz 2001 – auf Betreiben von Kunststaatssekretär Franz Morak unter Schwarz-Blau. Von den ursprünglichen Eckpunkten blieb nicht viel übrig: Der Fonds sollte ausschließlich für KünstlerInnen zur Verfügung stehen, wobei der letztlich enthaltene äußerst enge KünstlerInnenbegriff den potenziellen BezieherInnenkreis rigoros klein hielt und gemeinsam mit den finanziellen Schranken (Unter- und Obergrenzen für Einkommen) den Fonds als politisches Instrument generell unattraktiv machte. Vor allem die eingezogene Einkommensuntergrenze – die der Intention einer Förderung der sozialen Absicherung diametral entgegengesetzt wirkt und meist rückwirkend über Rückzahlungsforderungen durchgesetzt wird – war bald Anlass für Proteste.
Zudem wurde der Zugang zu AMS und Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für Zuschuss-BezieherInnen wie auch alle anderen Pflichtversicherten zusehends eingeschränkt und schließlich überhaupt unmöglich gemacht. Erst seit Einführung des KünstlerInnensozialversicherungsstrukturge-setzes (KSVSG) mit 1.1.2011 gibt es nun immerhin wieder die Möglichkeit, KSVF-BezieherIn und AMS-LeistungsbezieherIn zu sein – allerdings strikt hintereinander, und nur per Bescheid des KSVF. Der Bezug orientiert sich weiterhin an dem seit zehn Jahren unveränderten KünstlerInnenbegriff aus dem KSVF-Gesetz und schließt Lehre und Vermittlung grundsätzlich als künstlerische Tätigkeiten aus.
Mutlose Novelle
Die erste und bisher letzte breiter angelegte Novelle des KSVFG (2008), angestoßen von intensiven Protesten der KünstlerInnen und deren Interessenvertretungen, brachte in einzelnen Punkten Erleichterungen, jedoch keine strukturellen Änderungen des kleinteiligen Instruments – der KünstlerInnenbegriff wurde hingegen ebenso wenig abgeschafft wie die Einkommensuntergrenze. Das, obwohl zu diesem Zeitpunkt längst klar war, dass die anfangs „befürchteten“ 10.000 bis 20.000 BezieherInnen einer Fonds-Unterstützung mit diesem Gesetz nicht einmal annähernd zu erreichen sind – im Gegenteil waren es seit 2001 jährlich etwa 4.500 ZuschussbezieherInnen, von denen je rund 1.500 im Nachhinein Rückzahlungsforderungen erhalten haben. Das derzeit nach den Regeln des Fonds unverteilbare Fonds-Vermögen wuchs unterdessen in den mittleren zweistelligen Millionenbereich.
In den Interministeriellen Arbeitsgruppen (IMAG) wurde das Topic Verbesserung des KSVF blockiert. Das Credo des bm:ukk war von Beginn an: Am KSVFG wird nichts geändert – aufgrund der Einschätzung einer politischen Nichtdurchsetzbarkeit.
Unnötiger Kuhhandel
Tatsächlich war der KSVF als Ganzes dann erst im Frühsommer 2012 Thema: Kurz vor der Sommerpause wurde im Parlament beschlossen, dass im KSVFG die sogenannte Pensionsklausel fällt. Kunstschaffende mit aufrechten Pensionsansprüchen können nun wieder regulär Zuschüsse aus dem Fonds beziehen. Im Gegenzug wurde die umstrittene Reduzierung der Content-Abgaben, die den Fonds speisen, für einen Zeitraum von zunächst fünf Jahren beschlossen. Dadurch wird sich das Fondsvermögen auf die Hälfte verringern. KünstlerInnen und ihre Vertretungen sind empört über diesen unnötigen Kuhhandel und den perspektivischen Raubzug an Reserven, die der Verbesserung ihrer prekären Existenzverhältnisse zugute hätten kommen sollen. Die Umsetzung der Sofortmaßnahmen des Kulturrat Österreich (im Wesentlichen am Stand von 2005) bleibt nach wie vor dringend geboten.
Forderungen zum Künstler*Innen-Sozialversicherungsfondsgesetz im Vergleich zur Umsetzung im Zeitraum der IMAG
Forderungen | Umsetzung |
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Ausweitung des Kreises der ZuschussbezieherInnen auf Kunst-, Kultur- und Medienschaffende. Nicht ein Kunstbegriff, sondern die Arbeitssituation muss ausschlaggebend für einen Zuschuss sein. | |
Streichung der „künstlerischen Befähigung“ als Anspruchsbegründung. Voraussetzung für einen Zuschuss zur sozialen Absicherung darf nicht eine von außen postulierte Qualität oder ein sich der Bewertung entziehender vager Kunstbegriff sein, sondern die berufsspezifische Arbeitssituation von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. | |
Keine Altersdiskriminierung bei Zuschüssen – ersatzlose Streichung der Pensionsklausel §17 (7). Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen müssen wieder für alle BezieherInnen von Pensionsleistungen einschließlich Witwen-, Waisen-, (Teil-) Invalidenpensionen usw. sowie unabhängig vom Lebensalter möglich sein – also immer dann, wenn auch Sozialversicherungsbeiträge aufgrund selbstständiger Erwerbstätigkeit eingezahlt werden. | Eingeführt mit der KSVFG-Novelle 2008, wurde die Pensionsklausel im Sommer 2012 rückwirkend ab Einführung abgeschafft. |
Zuschüsse zur Pflichtversicherung auch für KleinstverdienerInnen. Streichung der Mindesteinkommensgrenze aus künstlerischer Tätigkeit als Anspruchsvoraussetzung für einen Zuschuss aus dem Künstler*Innen-Sozialversicherungsfonds. | |
Ausweitung des Zuschusses. Der Zuschuss soll von allen ZuschussbezieherInnen (nicht nur von solchen mit sehr geringem Einkommen) für alle Zweige der Pflichtversicherung (Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung sowie Vorsorgebeitrag) bzw. ggf. auch für die freiwillige Arbeitslosenversicherung bezogen werden können. | |
Angleichung der oberen Einkommensgrenze. Die Einkommensobergrenze (die maximalen Gesamteinkünfte, bis zu denen ein Zuschuss bezogen werden kann) soll gleich der Höchstbemessungsgrundlage in der Sozialversicherung sein. | |
Fixer Zuschuss bei Einkommen unter der halben Höchstbemessungsgrundlage. Festlegung der Zuschusshöhe in diesen Fällen auf einen Fixbetrag in Höhe von 50% der Versicherungsbeiträge, die sich rechnerisch aus einem Einkommen in der Höhe der halben Höchstbeitragsgrundlage ergeben. | |
Keine Aliquotierung des Fixbetrags. Dieser Fixbetrag muss – wie auch die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge – unabhängig von der Anzahl der Pflichtversicherungsmonate in einem Kalenderjahr sein. Keine Aliquotierung des Fixbetrags für Zuschüsse bei nicht durchgehender Pflichtversicherung im gesamten Kalenderjahr! Auch die Beiträge zur Pflichtversicherung werden schließlich nicht aliquotiert. | |
50% Zuschuss für Einkommen über der halben Höchstbemessungsgrundlage. Festlegung der Höhe des Zuschusses auf 50% der Beitragsleistung für jene Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden, deren Einkommen über der halben Höchstbemessungsgrundlage liegt. | |
Keine rückwirkenden Eingriffe. Aufhebung der Option, bereits geleistete Zuschüsse des Künstler*Innen-Sozialversicherungsfonds bei Nicht-Erreichen der Mindesteinkommensgrenze bzw. Überschreiten der Höchsteinkommensgrenze zurückzufordern. | |
EinzahlerInnen. Ausweitung des EinzahlerInnenkreises in den Künstler*Innen-Sozialversicherungsfonds auf alle regelmäßigen AuftraggeberInnen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden sowie auf kommerzielle AnbieterInnen von Infrastruktur, die den „Konsum“ von Kunst, Kultur und Medien ermöglicht. (Änderungen im „K-SVFG“ und „Kunstförderungsbeitragsgesetz“ notwendig). | Reduzierung der Einnahmen des KSVF als „Gegengeschäft“ zur Abschaffung der Pensionsklausel, vorerst befristet auf fünf Jahre. Prognostizierte Reduzierung des Fonds-Vermögens auf nahezu die Hälfte des Standes von 2012. |
Verpflichtende Beitragsleistung des Bundes an den Künstler*Innen-Sozialversicherungsfonds. Und: Rücknahme der aktuellen Einnahmenreduktion! | |
Mitspracherecht der Betroffenen. Der Kulturrat Österreich fordert darüber hinaus mindestens zwei Sitze im Kuratorium des Künstler*Innen-Sozialversicherungsfonds, um eine Mitsprache von InteressenvertreterInnen der selbstständig erwerbstätigen Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden zu gewährleisten. |
Diese Erstmaßnahmen sind umso leichter und rascher umzusetzen, als sämtliche Änderungen ausschließlich das „Künstler*Innen-Sozialversicherungsfondsgesetz“ und das „Kunstförderungsbeitragsgesetz“ betreffen. Ein Eingriff in die Sozialversicherungsgesetze ist zur Umsetzung der Sofortmaßnahmen nicht notwendig.
Auch wenn alle genannten Sofortmaßnahmen umgesetzt sind, ist damit lediglich ein kleiner Schritt getan. Die Forderung nach einer weiteren Verbesserung der sozialen Absicherung von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden bleibt auch danach bestehen. Ziel muss die Schaffung einer sozialen Absicherung sein, die der prekären Arbeitssituation – nicht nur! – von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden Rechnung trägt.
(*) Offiziell gibt es im Künstler*Innen-Sozialversicherungsfondsgesetz keinen geschlechtergerechten Sprachgebrauch im Titel.