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3. Schauspielrecht – Arbeitsrecht

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(Beiträge zu: 42 Monate IMAG, eine Bilanz. Dezember 2012)

37,9% der RespondentInnen der Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“ arbeiten in der Sparte der Darstellenden Kunst ausschließlich selbstständig, 59,7% selbstständig und angestellt und nur mehr 2,4% ausschließlich angestellt, 75,5% der RespondentInnen in der Darstellenden Kunst in Österreich haben keine Integration ins ALVG, also auch keine Möglichkeit des Bezugs von Arbeitslosengeld. Dabei schrieb das bis Ende 2010 geltende Schauspieler*Innengesetz Anstellungen vor, und für die JuristInnen der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft war und ist klar: Wer auf der Bühne steht, muss in jedem Fall angestellt werden.

In der Anfangsphase der interministeriellen Arbeitsgruppen wurde – nicht zuletzt auf Initiative der IG Freie Theaterarbeit – die Notwendigkeit für eine Novellierung des seit 1922 unveränderten Schauspieler*Innengesetzes erkannt – nicht nur aufgrund der Diskrepanzen zwischen Arbeitsrealität und gesetzlicher Grundlagen, sondern auch, weil das Gesetz aufgrund des Alters sowohl sprachlich als auch im gesellschaftlichen Kontext am Stand von 1922 war.

Novellierung des Schauspieler*Innengesetzes – das neue Theaterarbeitsgesetz (TAG)

Gelungen in dem von Gerda Ercher (bm:ask) geleiteten konzisen Arbeitsprozess in 9 Sitzungen ist eine Adaptierung der Arbeitsbestimmungen auf der Bühne an sozialrechtliche Standards, nationale und europäische Rahmengesetzgebungen und andere juristische Normen – mit 1.1.2011 trat ein modernes Theaterarbeitsgesetz in Kraft. Weiterhin jedoch orientiert sich das Gesetz im Detail am (ganzjährigen) Spielbetrieb eines festen Hauses mit einem fixen Ensemble – eine Arbeitsform, die zwar noch die großen Häuser und Landesbühnen beschreibt, insgesamt jedoch zunehmend weniger der Arbeitsrealität entspricht.

Der Spagat zwischen Arbeitsrealität im Sektor und dem Diktum der verpflichtenden Anstellung konnte jedoch nicht gelöst werden – vor allem im Bereich nicht-hierarchischer Arbeitsverhältnisse bzw. im ganzen Feld der Freien Gruppen besteht weiterhin eine grundlegende Rechtsunsicherheit. Technisch konnte am Ende des aufwändigen Prozesses der umstrittene Geltungsbereich des Schauspieler*Innengesetzes nicht eindeutiger geklärt werden als bislang. Wer ein ‚Theaterunternehmer’ (§1) ist und darum anstellen muss, bleibt weiter offen in zweierlei Hinsicht: Auch bei klarer Rechtslage umgingen bislang kleine Theater, Mittelbühnen, große Festspiele und das breite Feld der Sommertheater das Anstellungsgebot aus Kostengründen. Diese Praxis hat sich nach der Novellierung jedoch partiell zu ändern begonnen: Im Bereich der niederösterreichischen Sommertheater ist seit 2011 eine grundlegende Veränderung der Praxis in Richtung Anstellungen zu verzeichnen und auch im Bereich der Mittelbühnen ist seit der Novellierung des Gesetzes die Zahl angestellter Arbeitsverhältnisse gestiegen, Fördermargen wurden jedoch nicht erhöht.

Da budgetär im Zuge des Novellierungsprozesses kein paralleler Diskurs für ein generelles Umdenken in der Förderpolitik initiiert werden konnte, also seit 2011 nicht mehr Geld in den ‚Töpfen’ ist, bleibt die Situation insgesamt höchst problematisch, denn nach wie vor drohen im Einzelfall rückwirkend Prüfungen der Arbeitsverhältnisse an den Bühnen durch die Gebietskrankenkassen – und diese können zu von den budgetär gering ausgestatteten Spielstätten nicht leistbaren Nach- und Strafzahlungen führen.

Die Freien Gruppen aber, die oft in nicht-hierarchischen Arbeitsverhältnissen, mit einvernehmlichen Terminabsprachen und mit einem kreativen Eigenanteil aller Beteiligten überwiegend selbstständig arbeiten (und dabei teilweise auch ihre Betriebsmittel in die Produktion einbringen), haben bislang nicht einmal das Minimalziel der Rechtssicherheit ihrer (meist) selbstständigen Arbeitsverhältnisse zugesichert bekommen, geschweige denn ist in diesem Bereich grundlegend eine Veränderung der Förderpolitik in mittelfristiger Sicht, die eine Kostenwahrheit der Anträge, eine Bindung der Fördermittel an rechtskonforme Arbeitsverhältnisse bzw. Anstellungen auch in diesem Bereich möglich machen würde. Die FilmschauspielerInnen wurden vorläufig von vornherein kategorisch aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen und versuchen nun in einer zweiten Initiative einen Anlauf für die Entwicklung eigener Paragrafen für die Integration ins neue Theaterarbeitsgesetz.

Die Novellierung selbst wurde in einem ebenso aufwändigen wie erfolgreichen Verfahren abgeschlossen. Die politische Diskussion darüber, wie und wo mit Hilfe von Rahmenbestimmungen eine Rechtssicherheit für den Freien Bereich hergestellt werden kann bzw. eine politische Initiative zur Veränderung der Fördervergaben dahingehend, dass künftig auch im Freien Bereich Anstellungen möglich werden können, ist derzeit völlig offen und es gibt keine Anbindung für eine weitere Behandlung dieser grundlegenden Problematik. Eine von der IG Freie Theaterarbeit geforderte Folgestudie darüber, wie viel mehr flächendeckende Anstellungen im darstellenden Sektor in Österreich kosten würden, fand aus Kostengründen bislang nicht statt. Die IG Freie Theaterarbeit und mit ihr der Kulturrat Österreich setzen sich mit allen verfügbaren Mitteln dafür ein, dass der Prozess nicht abgeschlossen wird, bevor diese für den Freien Theater-, Tanz- und Performancebereich existenzielle Grundfrage eine Klärung erfahren hat.

Zentral sind folgende Eckpunkte:

  • Mindestforderung: Endlich Rechtssicherheit für alle Beschäftigungsverhältnisse im performativen Bereich
  • Grundlegendes Umdenken in der Förderpolitik: Förderungen müssen die Einhaltung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen erlauben
  • Gesetzliche Regelung für die FilmschauspielerInnen



(*) Offiziell gab es im Schauspieler*Innengesetz keinen geschlechtergerechten Sprachgebrauch im Titel.

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