(Beiträge zu: 42 Monate IMAG, eine Bilanz. Dezember 2012)
Das Kunstfördersystem des Bundes leidet an vielfachen Ineffizienzen und ist somit in vielen Fällen mitverantwortlich für die 2008 in der Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen festgestellte Prekarität. Förderungen werden intransparent vergeben, eine fehlende Begründungskultur macht die Antragstellung zur Lotterie, Kürzungen der beantragten Fördersummen gehen meistens zulasten der Honorare, der einzubringende Eigenanteil wird ebenfalls in Form von unbezahlter Arbeit geleistet, zwischen einzelnen Förderbereichen existiert eine nicht zu begründende Asymmetrie.
Dazu kommt der strukturelle Missstand, dass der Großteil der Ausgaben durch Institutionen gebunden ist, deren Subventionen nicht in Frage gestellt werden.
Unverhältnismäßigkeiten
Die Schere zwischen der Förderung von großen Institutionen und der Förderung der Kleinen, Freien ist unverhältnismäßig groß und geht trotz engagierter Aussagen des Ministeriums in den Budgetansätzen stetig weiter auseinander. Auch die Zuwendungen an Institutionen, die kulturelles Erbe verwalten oder (re-)präsentieren, machen ein Vielfaches der Zuwendungen an Gegenwartskunst aus. Wie schon im 1999 veröffentlichten „Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik in Österreich“ kritisiert wurde, beschränkt sich die Förderung zeitgenössischer Kunst auf die stets sinkenden Ermessensausgaben, was eine immer geringere Gießkannenförderung für Zeitgenössisches zur Folge hat. Dies führt dazu, dass Infrastrukturen altern und nicht aktualisiert werden können, ganz zu schweigen von deren Ausbau und davon, dass bei den Honoraren der KünstlerInnen gespart wird.
Noch verschärft wird die Situation dadurch, dass eine Trennung in Programm- und Infrastrukturförderung de facto nicht möglich ist. Wenn sich die Kunstförderung zu sehr auf Projekt-/Programm-förderung konzentriert und Infrastrukturen außer Acht lässt, hat dies mittelfristig einen Qualitätsabfall zur Folge, der letztlich wiederum zum Publikumsverlust führt. In einem ausgewogenen Förder-system gilt es, das Gleichgewicht zwischen dem Auf- bzw. Ausbau/Erhalt von Infrastrukturen und der Förderung von Inhalten zu gewährleisten. Auf politischer Ebene wird hier schnell ein Kreislauf zwischen den Zuständigkeiten von Bund und Ländern angerufen. Diese unbefriedigende Situation muss so bald wie möglich gelöst werden, da der ineffiziente Stillstand, der vor allem die Distribution der geförderten Inhalte behindert, beendet werden muss. Parallel dazu steigt der administrative Aufwand bei Abrechnungen, wodurch die Gelder, die in die Kunstproduktion fließen, weiterhin reduziert werden.
Finanzierungshöhe: Branchenübliche Honorare
Das Budget der Kunstsektion ist zugunsten der Förderung zeitgenössischer Kunst aufzustocken bzw. sind interne Umverteilungen vorzunehmen. Förderentscheidungen, die das Arbeitsrecht verletzen bzw. branchenübliche Entlohnungen (die entlang der Richtsätze der Brancheninteressenvertretungen festzulegen sind) unterschreiten, sollen künftig nicht mehr getroffen werden, um eine weitere Verarmung der KünstlerInnen zu verhindern. Auch ist der Personalstand der Kunstsektion dahingehend aufzustocken, dass transparente Verfahren (good governance) möglich sind. Branchenübliche Richtsätze sind in den jeweiligen Abteilungen anzuwenden – Informationen dazu können über die Interessenvertretungen bezogen werden.
Infrastrukturförderung als Teil der Kunstförderung Im Laufe der IMAG wurden Schlüsselinfrastrukturen identifiziert, mit deren Förderung eine nachhaltige Hebelwirkung erzielt werden kann: Infrastrukturtöpfe für Touringsupport, Einrichtung von Koproduktionshäusern auf dem gesamten Bundesgebiet, die zur Kooperation mit der lokalen Szene verpflichtet sind, Infrastrukturpools für die einzelnen Sparten. Als unterstützende Dienstleistung ist eine Haftpflichtversicherung für das Equipment von freischaffenden KünstlerInnen anzubieten.
Verfahrensstandards: Transparenz und Verhältnismäßigkeit Die Abläufe der Kunstförderung müssen transparent gemacht werden – von den Einreichkriterien bis hin zu den Begründungen der Förderentscheidungen –, um den Zugang zum Fördersystem so offen wie möglich zu halten. Dies beginnt bei einer Veröffentlichung der Abteilungsbudgets und der jeweiligen Beiratstermine. Die Entscheidungen der Beiräte (Zusagen, Kürzungen und Ablehnungen) sollen nachvollziehbar begründet werden. Die Beiräte sollen einmal jährlich in einem öffentlichen Gespräch den AntragstellerInnen zum Austausch zur Verfügung stehen. Kleinstförderungen (bis 4.000 EUR) sollten per Fördervereinbarung mit einem Bericht abgerechnet werden, was sowohl für FördergeberInnen als auch -nehmerInnen den administrativen Aufwand verringert, den Nachweis der entsprechenden Verwendung aber dennoch gewährleistet.
Kulturpolitik: Offene Strategiediskussionen in jährlicher Konferenz
Die Kunstsektion ist auch der Weiterentwicklung eines politischen Diskurses verpflichtet: So ist die Abhaltung eines jährlichen kunst-/kulturpolitischen Kongresses wünschenswert, in dem neue Entwicklungen und sich daraus ergebende Strategien diskutiert werden.
Die folgende tabellarische Auflistung ist im Laufe des IMAG-Prozesses entstanden und nicht mit einem Forderungskatalog der im Kulturrat Österreich vertretenen Interessenvertretungen gleichzusetzen. Sie zeigt jedoch die Bandbreite der Diskussionen und Notwendigkeiten, die als Bündel die soziale Lage von KünstlerInnen verbessern könnten, sowie die nicht erfolgte Umsetzung der anstehenden Probleme.
Themen | Umsetzung bm:ukk |
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Monetäre Förderungen | |
Kein verbindliches Gehaltsschema (KV) im Bereich KulturarbeiterInnen | |
Spartengerechtigkeit, Bsp. Musik: Bezahlung kompositorischer Arbeit kommt oft zu kurz. Institutionelle Förderung an Produktion/Präsentation von zeitgenössischer Musik binden | bm:ukk hat Personenförderungen angehoben |
Förderhöhen: Kostenwahrheit bei Einreichungen (Berücksichtigung von Mindesthonoraren, Probezeiten etc.) Gewährung von existenzsichernden Gagen bei Lohnabhängigkeit; Entwicklung von Mindeststandards (z.B. ÖFI arbeitet mit einer Honorar-Liste) Richtlinien der IG Kultur Österreich sowie der IGFT (siehe Materialien) | Prüfung: Berücksichtigung branchenüblicher Gagen (Mindeststandards) |
Kunstförderung soll künstlerische und kulturelle Produktion und die dafür nötige Infrastruktur fördern; Bereiche, die auf einem Markt reüssieren, sollen von Wirtschafts- und Tourismusförderung unterstützt werden: In diesem Sinne wurde 2010 ein neues Filmförderungsmodell durch das Wirtschaftsministerium geschaffen, FISA – Filmstandort Österreich | bm:ukk hat Digitalisierung der Programm- und Regionalkinos mit 1 Mio EUR gefördert |
Problematik von Haftungsfragen bei Nichtanstellung im Filmbereich (Beispiel: Kamera-Equipment) Gutachten des Dachverbands der Filmschaffenden (siehe Materialien) | |
Infrastrukturförderung | |
Hoher Produktions-/Probenaufwand versus sehr kurze Spielserien im Bereich Darstellende Kunst. Sekundärförderungen Touring-Support, Förderungen für Wiederaufnahmen und Gastspiele bereitstellen. | |
Fehlende Räume für Gastspiele und Koproduktionen: Koproduktionshäuser in allen Bundesländern | |
Geringe Durchlässigkeit der mittleren, größeren Bühnen: Stärkere Einbeziehung der Freien Szene Schlüssel für Eigenproduktion und „Zukauf“ | |
Technikpool für freie Theater- u. Tanzproduktionen, Film. Musikgruppen | |
Administration | |
Verstärkte Verknüpfung/Vernetzung von Bildung und Kunst | Ausbau des Kunstvermittlungsprogramms mit Schulen (Kooperationsprojekt „Macht / Schule / Theater“ wird fortgesetzt; Filmvermittlungsschwerpunkt), freier Eintritt Bundesmuseen für Kinder und Jugendliche |
Fragen der Transparenz und Abwicklung, Kommunikation mit Beiräten, Zusammensetzung von Jurys und Beiräten: Protokollierung der Beiratssitzungen; Einsichtnahme für AntragstellerInnen; Präsentation/Diskussion der Förderungsschwerpunkte; jährliches Hearing mit Beiräten; mehr Personal für die Kunstsektion für eine höhere Transparenz | |
Sparteneinteilung bei Förderungen erschwert Umgang mit neuartigen Projekten | Einrichtung eines Interdisziplinären Beirats in Abt. V/7 für Kooperationen mit Wissenschaft/Forschung |
Audiokunst und Musik in einem Beirat: Wunsch nach jeweils eigenen Beiräten | |
EU und Internationales | |
Stärkung internationaler Präsenz: Nachwuchsförderung stärken (auch im Kontext Mobilität); Ausbau der Auslandsateliers | „Network Call 2010“: Einmalig Vergabe von 200.000 EUR für die österreichischen Kulturforen |
Nationale Mitfinanzierung von EU-Projekten: Problematik auf Landesebene | Bereitstellung nationaler Mittel (EU-Kofinanzierungs-topf) auf Bundesebene ist erfolgt |
Geringe Teilnahme/Teilhabe an europäischen Mobilitätsprozessen: Motivation von KulturarbeiterInnen und Kulturschaffenden durch verstärkte Informationen und Förderung; ENCC hat Austauschprogramm gestartet. | |
Film | |
Neue Fördermodelle entwickeln und zusätzliche Geldquellen erschließen | |
Innovative Filmförderung: Budgetäre und personelle Ausweitung gewünscht | |
Möglichkeit der Risikoabdeckung: Haftungsmodelle | |
Stärkung der Nachwuchsförderung | Zentrale Koordinationsstelle auf Bundesebene neu geschaffen |
Generell ist festzuhalten, dass ein grundlegendes Umdenken in der Förderpolitik nicht stattgefunden hat bzw. eine gemeinsame Reflexion darüber ausgeblieben ist, wie perspektivische Veränderungen der Förderlandschaft möglich wären. Dadurch wurde zum Teil der Erfolg anderer Bereiche – etwa die Novellierung des Theaterarbeitsgesetzes (TAG in Kraft mit 2011) konterkariert, denn: die im Theaterbereich geforderten Anstellungen gemäß TAG können nur dann systematisch geleistet werden, wenn die Fördergelder Anstellungen überhaupt ermöglichen.
Daher bleiben folgende, weitergehende Forderungen bestehen:
- Deutliche Erhöhung des Fördervolumens: Erhöhung des Budgets für zeitgenössische Kunst auf 0,5% des Staatshaushaltes.
- Förderungen im freien Bereich müssen ausreichend dotiert sein, um die Einhaltung rechtskonformer Beschäftigungsverhältnisse zu gewährleisten.
- Mehr Transparenz und Zuverlässigkeit in der Kunst-/Kulturförderung und -verwaltung!