(21.2.02) Theaterschaffende stellen dem Gesetzgeber und den zuständigen Regierungsmitgliedern ein schlechtes Zeugnis aus: Die „Entschärfung“ der Versicherungsverhältnisse ist nicht geglückt!
Nach ca. einem Jahr „Neue Selbständigenversicherung“ und Künstlersozialversicherungsfonds zur sozialen Absicherung der Künstler/innen und der damit verbundenen Versicherungspflicht zeigt sich, dass die Entschärfung der Versicherungsverhältnisse nicht geglückt ist. Dies ergab eine Befragung der IG Freie Theaterarbeit unter Freien Theater- und Tanzschaffenden Österreichs zum Jahreswechsel 2001/2002.
Bereits die Mehrheit der Freien Theaterschaffenden (60,87 %) ist als „Neue Selbständige“ bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichert, doch nur 24,64% erhalten Zuschüsse aus dem dafür eingerichteten Künstlersozialversicherungsfonds. Nur 2,9 % sind mit den Sozialversicherungsregelungen für Künstler/innen zufrieden. 60 % der Freien Theaterschaffenden geben an, nicht zufrieden zu sein.
Die Ursachen der großen Unzufriedenheit sind:
- Die Höhe der Beiträge, die für Selbständige bei 23,9% liegen und für viele seit Anfang des Jahres 2001 in Summe höher geworden sind, weil alle Erwerbseinkommen in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden.
- Die Informationspolitik des Künstlersozialversicherungs-fonds, der 42 % der Befragten ein schlechtes Zeugnis ausstellen, ein schlechteres als jener der SVA der gewerblichen Wirtschaft. Das gibt insofern zu denken, als der Fonds im Vergleich zur SVA eine sehr kleine Einrichtung ist, die nicht mit der Gesamtheit der Selbständigen, Gewerbetreibenden und Unternehmer/innen zu tun hat, sondern nur mit dem vergleichsweise kleinen Ausschnitt der Künstler/innen. Hier besteht offenbar Handlungsbedarf für die Geschäftsführung des Fonds. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Interessenverbände einen Schwerpunkt „Weitergabe von Informationen über Versicherungsfragen“ gesetzt und ihre Mitglieder in Aussendungen, Rundschreiben, Veranstaltungen, Individualberatungen informiert haben.
- Unzufriedenheit verursachen weiters der entstehende Verwaltungsaufwand für die Versicherung bei der SVA (36,23 %) und der Aufwand zum Erhalt eines Zuschusses beim Künstler-Sozialversicherungsfonds (30,43 %).
- Fast ein Viertel der Befragten ist mit der Zuschusshöhe des Künstler-Sozialversicherungsfonds (derzeit maximal 72,67 € pro Monat) nicht einverstanden.
Verbesserungswünsche
Die freie Wahl der Art der Versicherung ist fast 64 % ein Anliegen. Dies würde dem System in Deutschland entsprechen, wo alle Erwerbstätigen einer Versicherungspflicht unterliegen, nicht aber einer bestimmten Versicherungsanstalt zwingend zugeordnet sind. Wenn bereits andere Pflichtversicherungen vorliegen, sollen keine zusätzlichen Pflichtversicherungsbeiträge in der Neuen-Selbständigenversicherung eingehoben werden.
Wichtig ist den Befragten die Ausdehnung des Versicherungsschutzes insbesondere für den Fall der Arbeitslosigkeit (59,42 %), aber auch im Bereich Krankengeld (49,28 %), auf das Neue Selbständige derzeit keinen Anspruch haben. Die Beitragsleistung nach Selbsteinschätzung durch die Versicherten (deutsches Modell) findet keine große Resonnanz.
Eine Frage betraf die Grundsicherung für Theaterschaffende: 78,26 % halten das Thema für diskussionswürdig, 7,25 % lehnen die Diskussion über dieses Thema ab. 14,49 % haben sich zu dem Thema nicht geäußert.
Schlussfolgerungen
Diese Ergebnisse lassen deutlich erkennen, dass mit der Einrichtung des Künstlersozialversicherungsfonds die „Entschärfung“ der Versicherungsverhältnisse nicht geglückt ist. Mehr als die Hälfte der Befragten (55,07%) bekommt keinerlei Zuschuss, weder vom Fonds noch vom IG-Netz, je ungefähr ein Viertel erhalten Zuschüsse vom Fonds oder vom IG-Netz.
Das Ziel der Interessenvertretungen zu Beginn der Verhandlungen (noch mit Staatssekretär Wittmann) war, dass alle Kunstschaffenden innerhalb eines begrenzten Einkommensspektrums nur einen Teil der anfallenden Sozialversicherungsbeiträge selbst bezahlen und ein weiterer Anteil von einem fiktiven Arbeitgeber (Fonds) übernommen wird. Angesichts eines überwiegenden Anteils an Theaterschaffenden, die keinen Zuschuss erhalten, muss man den Erfolg der bisherigen Maßnahmen in Frage stellen. Den Interessenvertretungen erwächst daraus ein neues Verhandlungsmandat.
Die Fragen und die Ergebnisse
Die Fragebögen wurden an 700 Theaterschaffende verteilt. Die IGFT hatte einen Rücklauf von 9,86%. Der Anteil der Männer lag bei 37,5%, der der Frauen bei 62,5%. Mit Ausnahme Tirols, kamen aus allen Bundesländern Fragebögen zurück.
Sind Sie mit der derzeitigen Regelung zur Versicherung von Künstler/innen zufrieden?
- Zufrieden 2,90%
- teilweise zufrieden 34,78%
- nicht zufrieden 60,87%
- keine Angabe 1,45%
Sind Sie derzeit pflichtversichert?
- Neue Selbständige 60,87%
- Andere Pflichtversicherung 43,48%
- Anderweitig, z.B privat 14,49%
- Nicht versichert 2,90%
Dass man in Summe auf über 100 % kommt, liegt daran, dass es viele Personen gibt, die (mit erhöhtem Verwaltungsaufwand) nicht nur bei einer Versicherung (pflicht-)versichert sind, sondern z. B. als Freie Dienstnehmer bei der Gebietskrankenkasse und zusätzlich als neue Selbständige versichert sind.
Falls Sie nicht oder nur teilweise mit der derzeitigen Regelung der „Künstler-Sozialversicherung“ zufrieden sind, mit welchen Versicherungsumständen sind Sie nicht zufrieden?
- Mit der Höhe der Versicherungsbeiträge 57,97%
- Mit dem Informationsservice der SVA 33,33%
- Mit dem bei Ihnen entstehenden Verwaltungsaufwand für die Versicherung bei der SVA 36,23%
- Mit dem Informationsservice des KSVF 42,03%
- Mit dem Aufwand zum Erhalt eines Zuschusses aus dem KSVF 30,43%
- Mit der Höhe des Zuschusses aus dem KSVF 24,64%
- Mit dem Informationsservice des IG-Netzes 1,45%
- Mit dem Aufwand zum Erhalt eines Zuschusses aus dem IG-Netz 0 %
- Mit der Höhe der Zuschüsse aus dem IG-Netz 2,90%
Welche Bestandteile des Künstlersozialversicherungsfondsgesetzes sollten geändert werden?
- Freie Versicherungswahl bei bereits vorliegenden gleichartigen privaten Versicherungen oder Pflichtversicherungen 63,77%
- Leistung von Versicherungsbeiträgen nach dem von Ihnen selbst geschätzten Einkommen (Einkommenssteuererklärung) 21,74%
- Ausdehnung der Versicherungsleistungen auf Krankengeldbezug 49,28%
- Ausdehnung der Versicherung auf eine Arbeitslosigkeitsversicherung 59,42%