(Beiträge zu: 42 Monate IMAG, eine Bilanz. Dezember 2012)
2009 initiierte die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Claudia Schmied, Interministerielle Arbeitsgruppen (IMAG) mit dem Ziel, die signifikant schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen von KünstlerInnen zu verbessern. Ausgangspunkt dafür war die Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“, deren Ergebnisse einen Schock auslösten: 37% der Künstler-Innen befinden sich mit ihrem Jahreseinkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze (im Vergleich zu 13% der Gesamtbevölkerung).
Der IMAG-Prozess
Um diesen dramatischen und unhaltbaren Zuständen im Detail auf den Grund zu gehen und Wege aus der Misere zu suchen, wurden unter der Leitung von Sektionschefin Andrea Ecker im bm:ukk und Sektionschef Walter Pöltner im bm:ask interministerielle Arbeitsgruppen zu acht Themenfeldern begonnen: Mobilität, UrheberInnenrecht, Steuern, Kunstförderung, Arbeitslosenversicherung, feministische Kulturpolitik, Sozialversicherung, Schauspieler*Innengesetz.
Die sechs ersten Themen wurden in zumeist größeren Sitzungen, zum Teil auch in geschlossenen ExpertInnenrunden (Steuern, FilmurheberInnenrecht), innerhalb des bm:ukk besprochen. Die Verhandlung praktischer Fragen der Sozialversicherung und der Novellierung des Schauspieler*Innengesetzes fanden im Rahmen von Arbeitsprozessen im bm:ask statt – beide mit dem Ergebnis konkreter Gesetzesinitiativen. Insgesamt trafen sich VertreterInnen aus künstlerischen Interessenvertretungen, acht Ministerien, WKO, AK, AMS, SVA und fallweise zugezogene externe ExpertInnen mehr als siebzig Mal über einen Zeitraum von drei Jahren. 2012 ist dieser Prozess allerdings zum Erlahmen gekommen. Dies nimmt der Kulturrat Österreich zum Anlass, eine Bilanz des bisherigen IMAG-Prozesses zu ziehen:
Was sind die Ergebnisse dieses ressourcenaufwändigen Prozesses?
Wo konnten strukturelle Verbesserungen zugunsten der KünstlerInnen vorgenommen werden?
Konnte die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich insgesamt strukturell verbessert werden?
Aktueller Status quo
Leider sind die bisher erzielten Ergebnisse des großangelegten Prozesses kleinteilig und schmal, wie die kommenden Seiten zeigen werden: In einigen Themenbereichen wurden überhaupt keine Maßnahmen gesetzt und in anderen konnten nicht einmal gemeinsame Ziele definiert werden, sodass es insgesamt zu keiner grundlegenden Veränderung der Rahmenbedingungen künstlerischer Arbeit gekommen ist. Wo die Zuständigkeit nicht beim bm:ukk liegt, hat Bundesministerin Schmied es weitgehend verabsäumt, auf politischer Ebene Impulse zu setzen, um Lösungen auf Verwaltungsebene anzustoßen.
Herausgekommen sind wenige Gesetzesreformen wie die Novellierung des Theaterarbeitsgesetzes (TAG) und die Einführung des KünstlerInnensozialversicherungsstruk-turgesetzes (KSVSG) (beide mit Beginn 2011), eine Broschüre zur Mobilität von KünstlerInnen (in Arbeit), die der Intention einer substanziellen Verbesserung der sozialen Lage der KünstlerInnen allerdings zuwiderlaufende Aussicht auf einen in fünf Jahren auf die Hälfte seines Vermögens geschrumpften Künstler*Innen-Sozialversicherungs-fonds sowie eine Anzahl personenbezogener Spitzenförderungen, ein genderorientiertes Mentoringprogramm und die Einrichtung einer Nachwuchsförderung (START-Stipendien).
Unbeabsichtigtes Nebenergebnis in dem gesamten Arbeitsprozess ist ein Wissenszuwachs bei den interessierten Beteiligten, also vor allem bei den Interessenvertretungen. Große und dringend notwendige Veränderungen wie eine strukturelle Anpassung der Sozialversicherungssysteme an die projektbezogenen, kurzfristig wechselnden, zwischen Anstellung und Selbstständigkeit pendelnden Arbeitsverhältnisse von KünstlerInnen sind nicht gelungen, ja wurden nicht einmal begonnen. Die Gründe für dieses Scheitern sind vielfältig und vermutlich auch in einer gewissen Naivität gegenüber den groß-koalitionären Realitäten zu suchen. Die Ministerin selbst hat möglicherweise die Kooperationsbereitschaft ihrer KollegInnen überschätzt und sich im Einzelfall bei den ersten ernsthaften Widerständen für eine politische Kindsweglegung entschieden: Heute, gegen Ende der Legislaturperiode, wird die Verantwortung des bm:ukk für die soziale Lage der KünstlerInnen zurückgewiesen und ins Sozialministerium verschoben.
Jetzt handeln
Die Interessenvertretungen der KünstlerInnen haben in den Jahren 2009 bis 2012 enorme Arbeit geleistet, Daten geliefert, internationale Best-Practice-Modelle recherchiert und Konzepte erstellt – geleitet von der Intention, gemeinsam mit den BeamtInnen und EntscheidungsträgerInnen signifikante Resultate zustande zu bringen. Der international mit Interesse verfolgte und selbst als Best Practice wahrgenommene IMAG-Prozess hat die Arbeit des Kulturrat Österreich und der Interessenvertretungen in dieser Zeit daher wesentlich bestimmt.
Damit die intensive Arbeit von dreieinhalb Jahren nicht verloren geht und in Vergessenheit gerät oder in geduldigen Schubladen verschwindet, haben wir die vorliegende Dokumentation erstellt. Sie richtet sich an die aktuelle Regierung mit der Aufforderung, weiterhin an strukturellen Lösungen zur Verbesserung der sozialen Lage von Künstlern und Künstlerinnen in Österreich zu arbeiten. Kommende Regierungen aber auch ReferentInnen und MitarbeiterInnen in den Institutionen können und mögen sich in diesem Kompendium Handlungsanregungen holen.
Wir wünschen eine angeregte Lektüre!
Impressum
Medieninhaber, Verleger, Herausgeber: Kulturrat Österreich
Redaktion: Zuzana Brejcha, Clemens Christl, Sabine Kock, Sylvia Köchl, Maria Anna Kollmann, Elisabeth Mayerhofer, Sabine Prokop, Brigitte Rapp
Grundlegende Richtung dieser Publikation: siehe Editorial
Erscheinungsort: Wien
1. Auflage/ Dezember 2012
Kontakt Redaktion
Kulturrat Österreich
Bürogemeinschaft
Gumpendorfer Straße 63b
A 1060 Wien
www.kulturrat.at
Vorstand: Kolja Burgschuld, Sabine Kock (Vorsitzende), Sylvia Köchl, Maria Anna Kollmann, Elisabeth Mayerhofer, Brigitte Rapp, Günther Wildner
Vereinszweck: Zusammenschluss der Interessenvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden
(*) Offiziell gibt es in beiden Gesetzen keinen geschlechtergerechten Sprachgebrauch im Titel.