(Pressemitteilung vom 2. August 2016) Hilfe in nur sehr begrenztem Ausmaß. Kulturrat fordert: Novellierung des Gesetzes und der Richtlinien.
Unterstützung für KünstlerInnen in Notfällen?
Kulturrat veröffentlicht neuen Leitfaden für Anträge beim Unterstützungsfonds des KünstlerInnen-Sozialversicherungsfonds (Version 2)
Leitfaden für Anträge beim Unterstützungsfonds des KSVF (PDF) (aktuell: Version 3, März 2020)
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Seit 2015 gibt es den neu geschaffenen Unterstützungsfonds für KünstlerInnen, der mit 500.000 Euro im Jahr ausgestattet ist. Daraus können in „besonders berücksichtigungswürdigen Notfällen“ pro Antrag bis zu 5.000 Euro an Beihilfen ausgeschüttet werden. Klingt soweit gut. Die Praxis aber zeigt, dass ein Zugang zu dieser Unterstützungsleistung extrem eingeschränkt und schwierig ist. Hier einige Beispiele:
# Der Brennofen einer bildenden Künstlerin wird aufgrund der lang andauernden Nutzung defekt. Um Keramiken für eine Ausstellung herzustellen, lässt sie den Ofen rasch reparieren und bezahlt die Rechnung auch. Die Ausstellung wird unerwartet abgesagt, ein Einkommensverlust ist in der Folge zu erwarten, aber noch nicht eingetreten. Da die Rechnung bereits beglichen ist und der Schaden durch jahrelangen Gebrauch vorhersehbar war, zahlt der Fonds die Reparatur nicht.
# Eine Schauspielerin bemüht sich um eine Rolle. Wie in diesem Beruf üblich, sind perfekte Zähne Voraussetzung. Die Konsultation beim Zahnarzt ergibt die Notwendigkeit einer Zahnaufhellung sowie zweier Porzellanfüllungen. Da die Aufhellung eine kosmetische Maßnahme ist, zahlt der Fonds diese nicht, Unterstützung für Porzellanfüllungen leistet der Fonds, wenn es dafür eine medizinische Notwendigkeit gibt, die auch nachzuweisen ist.
# Wer ein kleines Festival gestaltet und dafür zehn Jahre lang eine Strukturförderung erhalten hat, diese aber im elften Jahr nicht bewilligt bekommt, ist nach geltender Rechtslage nicht mit einem unvorhersehbaren Ereignis konfrontiert. Auch wenn eine Förderung über lange Zeit gewährt wurde, kann aufgrund des fehlenden Rechtsanspruchs nicht damit gerechnet werden, so die Begründung. Die aus dem Ausfall der Förderung resultierende ökonomische Notlage für den/die KünstlerIn wird vom Fonds nicht kompensiert.
Das alles sind Situationen, in denen KünstlerInnen dringend Hilfe brauchen. Der Unterstützungsfonds wurde eingerichtet, um Hilfe zu leisten, kann diesem Auftrag aber aufgrund der restriktiven gesetzlichen Bestimmungen nur sehr eingeschränkt nachkommen.
Die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache: Von Juni 2015 (dem Zeitpunkt der ersten Sitzung) bis Jahresende 2015 wurden etwas über 91.000 Euro an Beihilfen vergeben, im ersten Halbjahr 2016 waren es knapp 85.000 Euro. Gehen wir von einer gleichbleibenden Entwicklung bis zum Jahresende aus, dann wird auch dieses Jahr ein großer Teil der zur Verfügung stehenden Summe (jährlich 500.000 Euro) nicht ausgeschöpft werden (können). Konnte die geringe Auslastung im ersten Jahr noch an der mangelnden Bekanntheit des Unterstützungsfonds gelegen haben, so kann davon inzwischen nicht mehr ausgegangen werden. Vielmehr trägt das Gesetz der Arbeits- und Lebensrealität von KünstlerInnen viel zu wenig Rechnung.
Außergewöhnlich, unvorhersehbar?
Wer schwer erkrankt ist, hat gute Chancen auf eine Beihilfe aus dem Unterstützungsfonds: Erhöhte Aufwendungen bei Erkrankungen, medizinisch notwendige Aufenthalte in Kur- und Genesungsheimen sind zwei von vier im Gesetz angeführten Beispielen. Auch die Deckung des notwendigen Lebensunterhalts bei Einkommensausfall wegen schwerer oder lang andauernder Erkrankung oder anderer unvorhersehbarer Ereignisse ist genannt. Was aber gilt als unvorhersehbar? Und wenn keine Erkrankung vorliegt? Dann kann der Fonds jedenfalls „Kosten für dringende Anschaffungen oder Reparaturen“ ersetzen – aber nur „aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses“. Die erforderliche Verknüpfung von Notfällen mit außergewöhnlichen bzw. unvorhersehbaren Ereignissen wird zum Stolperstein par excellence. Zwei Beispiele: Gibt ein sechs Jahre altes Notebook (als unverzichtbares Arbeitsgerät) oder der alte Herd den Geist auf und fehlt das Geld für eine Neuanschaffung – keine Chance auf Beihilfe! Fällt das „alte“ Notebook bei einem Sturz vom Fahrrad und ist kaputt, dann liegt ein außergewöhnliches Ereignis zugrunde und eine Beihilfe ist möglich.
Eine Notlage ist kein Notfall – Mind the Gap!
Auch in der klassischen Notlage, wenn einmal das Einkommen zu gering zum Leben wird (siehe auch Beispiele oben), kann der Fonds nicht unterstützen. Denn: Einkommenseinbrüche bei KünstlerInnen gelten nicht als unvorhersehbare Ereignisse. Eine grundsätzlich oder vorübergehend ökonomisch prekäre Notlage entspricht nicht einem „besonders berücksichtigungswürdigen Notfall“ im Sinne des KSVF-Gesetzes… Eine Notlage ist eben kein Notfall, auch wenn die Not groß ist.
Was ist zu ändern? Kulturrat Österreich fordert:
Vieles von dem, was in einem KünstlerInnenleben passieren kann, passt nicht in das enge Korsett von Gesetz und Richtlinien. Der Kulturrat Österreich sieht hier dringenden Handlungsbedarf. Das KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetz und die Richtlinien für den Unterstützungsfonds müssen an die tatsächlichen Arbeits- und Lebensrealitäten von KünstlerInnen angepasst werden:
# Berücksichtigung vorübergehender Notlagen
# Schaffung der Möglichkeit, in dringenden Fällen unbürokratisch Soforthilfe zu gewähren
# Einführung einer Automatik, was grundsätzlich unterstützungswürdig ist, wie z.B. Zahnersatz (wenn er von Krankenversicherungen nicht übernommen wird), Laptops, Mietrückstände
# Berücksichtigung notwendiger Alltagsgegenstände wie defekte Kühlschränke, Heizungen
Diese Anpassung muss umgehend erfolgen – und ist umso dringender, weil Alternativen fehlen. Einerseits ist die KünstlerInnenhilfe der Kunstsektion im BKA, die Unterstützung auch in klassischen ökonomischen Notlagen (ohne Verknüpfung mit speziellen Ereignissen) gewähren konnte, abgeschafft. Andererseits mussten die meisten Verwertungsgesellschaften, die mit ihren Fonds für soziale und kulturelle Zwecke bis Anfang des Jahres rasch und unbürokratisch KünstlerInnen in Notlagen unterstützen konnten, diese Zahlungen aufgrund eines schwebenden Verfahrens, das die Speichermedienvergütung in Frage stellt, einstellen. Somit ist der KSVF-Unterstützungsfonds derzeit für viele KünstlerInnen die einzige Möglichkeit, Hilfe in mitunter äußerst dramatischen Notlagen zu erhalten.
Der Kulturrat fordert daher:
Novellierung des KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetzes und Anpassung der Richtlinien für den Unterstützungsfonds sofort!
Weiterführende Infos:
- Leitfaden des Kulturrat Österreich für Anträge beim Unterstützungsfonds des KünstlerInnen-Sozialversicherungsfonds
- KSVF Unterstützungsfonds
- Richtlinien Unterstützungsfonds
- KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetz (KSVFG)