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Was tun, wenn ich mit dem AMS-Gebaren nicht einverstanden bin
Das Folgende ist ein kleiner Einblick in das Thema. Umfangreichere und vor allem thematisch breitere Information gibt es z. B. in der Broschüre „Rechtshilfetipps von Erwerbsarbeitslosen“, herausgegeben von Autonome AMSandFrauen / Die Erwerbsarbeitsloseninitiative AMSandStrand.
Siehe auch Materialien
Das AMS ist eine ausgegliederte Behörde. Seine Kernaufgaben, wie Prüfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld/Notstandshilfe und deren Auszahlung, sind jedoch nach wie vor staatliche Aufgaben und unterliegen somit den Verfassungs- und Verwaltungsgesetzen. Daher gibt es für die/den Einzelne/n Möglichkeiten, zu ihrem/seinem Recht zu kommen (oder dies jedenfalls zu versuchen). Wer Arbeitslosengeld in Anspruch nimmt, hat allerdings in der Regel kaum großes Vermögen. Wer längere Zeit mit Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe leben muss, hat de facto keine Chance, Geld anzusparen. Die vorgesehenen Sanktionen sind aber finanzieller Natur: sechs bis acht Wochen Sperre des Bezugs. Und die Strafen kommen fast immer zuerst. Die vorhandenen Möglichkeiten, Sperren als ungerechtfertigt aufheben zu lassen (falls es so ist), können erst genutzt werden, wenn sie bereits aufrecht sind – und das kann dauern. Aufschiebende Wirkung kann aber auf Antrag zuerkannt werden.
Versäumnis eines Kontrolltermins
Kontrolltermin ist der Fachbegriff für die normalen Termine am AMS, die während der Betreuung durch das AMS von den Erwerbslosen einzuhalten sind. Im AlVG sind diese Termine mindestens wöchentlich vorgesehen, dürfen aber auch öfter oder seltener vorgeschrieben werden. In der Regel gibt es die Termine wesentlich seltener.
Laut § 47 AlVG (bestätigt durch ein VwGH-Erkenntnis 2007; anders: VwGH v. 4. 6. 2008, Zl. 2007/08/0165) gelten nur jene Termine als Kontrolltermine nach § 49 AlVG, die in der Terminkarte eingetragen sind. Andere (auch schriftlich ausgefertigte) Mitteilungen des AMS, die Termine vorschreiben, können rechtlich keine Kontrolltermine ergeben. In der Praxis geht das AMS nicht immer rechtskonform vor und greift auch dann zur vorgesehenen Sanktion, wenn ein nicht ordnungsgemäß angekündigter Kontrolltermin versäumt wurde. (Es ist auch fraglich, ob der VwGH nicht mittlerweile aufgrund vermehrter Onlineberatung anders entscheiden würde).
Die Folge eines versäumten Termins ist die unmittelbare Einstellung von Zahlungen (Arbeitslosengeld, usw.) zumindest bis zur nächsten persönlichen Vorsprache der/des Betroffenen beim AMS. Kann die/der Betroffene triftige Gründe (z. B. Arzttermin, Vorstellungsgespräch) für die Terminversäumnis vorweisen, wird die Zahlungseinstellung unmittelbar und rückwirkend aufgehoben. Ohne triftige Gründe geht der erworbene Anspruch in der Zeit zwischen Versäumnis und erneuter Meldung verloren.
Kontrolltermine dürfen seit 1. 1. 2008 auch bei Adressen/Institutionen außerhalb des AMS vorgeschrieben werden. Einziger Vorteil: Ist ein Vorstellungsgespräch / eine Einführung in eine Maßnahme seitens des AMS gem. § 49 AlVG (Kontrolltermin) vorgeschrieben, dürfen die Regeln gem. § 10 AlVG (Sperre, siehe nachstehende Ausführungen) nicht angewendet werden.
Sperre des Arbeitslosengeldes / der Notstandshilfe gem. § 10 AlVG
Eine Sperre gem. § 10 AlVG wird seitens des AMS verhängt, wenn die/der Erwerbslose ihre/seine Pflichten nicht wahrnimmt, konkret angebotene zumutbare Beschäftigungen, (Um-)Schulungen bzw. Maßnahmen nicht annimmt oder aber vereitelt bzw. wenn die/der Erwerbslose nachweislich nicht alles unternimmt, um eine Beschäftigung aufzunehmen. Eine Sperre dauert zunächst sechs Wochen, bei einem weiteren Vergehen acht Wochen; oder sie wird für die Zeit der Weigerung der/des Erwerbslosen verhängt.
Wichtig: Aufrechte Sperren verlieren ihre Wirksamkeit nicht durch die Aufnahme einer Beschäftigung (das heißt, etwaige Rest-Sperrzeiten gelten ab Beginn einer erneuten Phase der Erwerbslosigkeit weiter; bei Aufnahme einer Beschäftigung kann die Sperre aber vom Regionalbeirat nachgesehen werden). Die Pflichten der Erwerbslosen sind detailliert im § 9 AlVG (Arbeitswilligkeit) nachzulesen.
Grundsätzlich gilt: Eine Zuweisung zu (Um-)Schulungen bzw. Maßnahmen muss in Bezug auf die individuelle Situation und die Sinnhaftigkeit für die erneute Arbeitsaufnahme begründet werden (konkret im Betreuungsplan). Allgemeine Formulierungen, die nicht auf die konkrete Person abzielen, sind zwar die Regel, juristisch aber im Normalfall nicht haltbar.
Im Falle einer Sperre gem. § 10 AlVG ist das AMS verpflichtet, der/dem Erwerbslosen die Einstellung des Bezugs schriftlich mitzuteilen. Daraufhin kann die/der Erwerbslose binnen vier Wochen einen rechtswirksamen Bescheid beantragen. Dieser muss binnen vier Wochen zugestellt werden (es gilt der Tag, an dem der Brief persönlich ausgehändigt bzw. eine entsprechende Benachrichtigung hinterlassen wird). Falls der Bescheid innerhalb dieser vier Wochen nicht zugestellt wird, ist die Sperre aufzuheben (was in solchen Fällen aber oft eingeklagt werden muss).
Ist der Bescheid eingelangt, kann bei der Landesgeschäftsstelle binnen zwei Wochen Berufung eingelegt werden. Wird der Berufung stattgegeben, sind die ausstehenden Bezüge nachzuzahlen. Andernfalls kann entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Berufungsbescheid entweder beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde eingelegt werden (hierfür braucht es eine Anwältin oder einen Anwalt, Zeit und zusätzliches Geld; es gibt jedoch auch Verfahrenshilfe). Eine aufschiebende Wirkung ist grundsätzlich bei keinem der Schritte vorgesehen, kann aber auf Antrag zuerkannt werden.
Die Zumutbarkeitsbestimmungen werden derzeit auch vom Verwaltungsgerichtshof rigoros ausgelegt – insbesondere bei Lohnverhandlungen: Lässt ein/e potenzielle/r DienstgeberIn erkennen, dass die Lohnvorstellungen der/des Erwerbslosen zu hoch sind, hat die/der Erwerbslose ihre/seine Forderungen derzeit bis auf das Niveau des Kollektivvertrags (bzw. des ortsüblichen Lohns, falls es keinen Kollektivvertrag gibt) herabzusetzen. Scheitert eine Einstellung an den Lohnvorstellungen der/des Erwerbslosen, ist eine Sperre gem. § 10 derzeit zulässig.
Achtung: Auch die Ablehnung eines Jobangebots durch ausgelagerte Betreuungseinrichtungen (Beratungs- und Betreuungseinrichtungen BBE, sozialökonomischer Betrieb SÖB, gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt GBP) kann zu einer Sperre gem. § 10 führen.
Sperre nach Beschäftigungsende gem. § 11
In den ersten vier Wochen der Erwerbslosigkeit ist der tatsächliche Bezug derzeit nur nach dem Ende einer befristeten Beschäftigung möglich oder wenn die Beschäftigung ohne eigenes Verschulden unfreiwillig beendet wurde. Diese Sperre verkürzt nicht den Arbeitslosengeldanspruch, sondern schiebt den Beginn der Anspruchszeit um vier Wochen hinaus (wobei der Krankenversicherungsschutz auch während der Sperrfrist gilt).
Die Sperre ist per Bescheid mitzuteilen. Eine Anhörung (Niederschrift durch die/den BeraterIn) beim AMS ist durchzuführen, ebenso wie die schriftliche Aufnahme von Gründen der/des Erwerbslosen, wenn die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses nicht freiwillig erfolgte. Der Regionalbeirat kann diesen befristeten Ausschluss aus dem Bezug in „berücksichtigungswürdigen Fällen“ nachsehen (auch ohne dass die Betroffenen davon erfahren). Darüber hinaus ist auch, wie oben, eine Berufung bei der Landesgeschäftsstelle möglich.
Ombudsstelle
Jeder Landesgeschäftsstelle des AMS ist eine Ombudsstelle zugeordnet, an die allfällige Beschwerden gerichtet werden können. Die Ombudsstellen sind zwar meist bemüht, Beschwerdegründe abzustellen bzw. abstellen zu lassen, haben aber weder rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten, noch bieten sie die für Ombudsstellen an sich üblichen Voraussetzungen: Anonymität und Weisungsungebundenheit sind nicht vorgesehen.
Allgemeine Tipps
Gegenüber dem AMS ist grundsätzlich Skepsis angebracht – nicht weil allen BetreuerInnen am AMS „böse Absichten“ zu unterstellen sind, sondern aufgrund der Tatsache, dass Verwaltungssanktionen des AMS immer vor einer allfälligen Rechtsklärung greifen und zudem potenziell existenzbedrohend sind. Die grundsätzliche Skepsis wird selbst von Institutionen geteilt, die durch sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen im Verwaltungsrat des AMS Sitz und Stimme haben. So empfiehlt die Arbeiterkammer, vorgeschriebene Meldungen betreffend Wohnsitzwechsel, Änderungen in der Einkommenssituation, Krankenstand usw. per eingeschriebenem Brief abzugeben, statt diese telefonisch mitzuteilen (siehe AK-Broschüre: „Arbeitslos – Ihre Rechte”, S. 8).
Zusätzlich hilft es im Fall des Falles, wenn Kontrolltermine, Vorstellungsgespräche und v. a. Niederschriften per Gedächtnisprotokoll festgehalten werden. Ebenso sollte beachtet werden: Was nicht in den Akten steht, gilt rechtlich nicht. Insbesondere bei Niederschriften sollte man überprüfen, ob die schriftliche Fassung alles enthält, was man gesagt hat und aufnehmen möchte. Andernfalls sollte das Protokoll nicht oder nur mit dem Vorbehalt unterschrieben werden, dass wichtige Aspekte nicht enthalten sind.