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Grundeinkommen für alle!

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(Positionspapier, 2006) Ein Existenz sicherndes Grundeinkommen stellt die einzige Möglichkeit dar, abseits von dringendsten Ängsten produzieren zu können. Was eine Gesellschaft im Gegenzug erhält, ist eine Neudefinition von Arbeit. Die zwei wichtigsten Diskriminierungsfaktoren Geschlecht und Herkunft, die sämtliche Arbeitsmärkte durchziehen, könnten damit zumindest abgeschwächt werden.

Die Erwerbsarbeit und ihre Rahmenbedingungen befinden sich in einer radikalen Umbruchsphase. Ein zentraler Schauplatz dieser Veränderungen ist das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Einkommen, wobei die unter dem Stichwort „Flexibilisierung“ zusammengefassten Entgrenzungsphänomene auch andere Bereiche betreffen wie sozialrechtliche Absicherungen, längerfristige Planbarkeit etc.

Das Versprechen, dass Erwerbsarbeit die Existenz sichert, wird immer weniger eingelöst, die Zahl der „working poor“ nimmt zu. Historisch gesehen waren gesicherte Vollzeitarbeitsplätze immer primär von weißen Männern besetzt. Aber die Zielvorstellung mit einer kontinuierlichen Arbeit den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, war dennoch tief im Wertekatalog westlicher Industriestaaten verankert, auch wenn nur eine privilegierte Minderheit am Arbeitsmarkt dazu Zugang hatte. In Zeiten flexibilisierter Arbeitsmärkte wird dieses Ziel nun verabschiedet.

Der 9-5-Job, das „Normalarbeitsverhältnis“, ist nicht mehr länger das Ziel der Erwerbstätigen und derer, die es werden wollen (siehe dazu auch Grundlagentext Prekarität, 2005). Stattdessen werden in beschäftigungspolitischen Direktiven Anleihen am Kunst- und Kulturbereich genommen, denn diese weisen seit langem jene Merkmale auf, die die Arbeitsmärkte der Zukunft bestimmen sollen: hohe Qualifikation der Arbeitenden, multiple Job-holding in Form mehrerer paralleler Arbeitsverhältnisse, unterdurchschnittliche Entlohung, praktisch nicht vorhandene ArbeitnehmerInnenvertretungen, nicht exekutierbare Schutzbestimmungen sowie eine durchgehend schwache soziale Absicherung. Dabei aber eine außerordentlich hohe intrinsische Motivation der Arbeitenden, die sämtliche andere Mängel aufwiegen soll. Das heißt konkret: Unorganisierte Hochqualifizierte, die zu Bettellöhnen arbeiten und sich dabei auch noch in Konkurrenzkämpfen aufreiben. Wobei der Kunstbereich als Experimentierfeld verwendet wird, um neue Herrschaftsinstrumente zu erproben. Prekarität und Individualisierung spielen hier die Hauptrollen.

So sieht eine polemische Beschreibung der Arbeitsbedingungen in sämtlichen Bereichen künstlerischer und wissenschaftlicher Produktion aus. Damit dies aber nicht so unattraktiv erscheint, wie es in Wirklichkeit auch ist, wurde das Bild des Hungerkünstlers mit erheblichem Aufwand überarbeitet: Nicht mehr der Dachkammerpoet, sondern die/der „creative entrepreneur“ ist das neue Leitbild. Junge, technisch versierte und gut ausgebildete Menschen, die sich selbst kreativ verwirklichen. Unentfremdete Arbeit bei freier Zeiteinteilung in der Symbol- und Wissensproduktion, die die zentrale Stütze für die künftige wirtschaftliche Hegemonie Europas darstellt. Das wäre die Glamourvariante der neuen Arbeitsbedingungen, wie sie seit nunmehr fast zehn Jahren innerhalb der EU vehement unterstützt wird.

Allerdings sind Alternativen möglich und umsetzbar. Denn selbst in einer neoliberalen Logik gedacht, scheinen Arbeitsbedingungen, die sämtliche arbeitsrechtlichen Standards und Mindestsätze hinter sich lassen, nur schwache Anreize um auf lange Sicht Spitzenleistungen erzielen und vor allem halten zu können. Ein nüchterner Blick auf den Zustand der österreichischen Universitäten ist wohl der beste Beweis, dass Unsicherheit und Unterbezahlung nur Mittelmäßigkeit fördert und sonst gar nichts. Ein existenzsicherndes Grundeinkommen – sehr zum Unterschied zu einer Grundsicherung, die letztendlich nur eine Neufassung der Sozialhilfe bedeutet oder zu diversen andere Lohnstützungen – stellt die einzige Möglichkeit dar, abseits von dringendsten Ängsten produzieren zu können. Aus dieser Perspektive gesehen, wäre das Kunstfeld auch ein geeignetes Feld um Experimente in diese Richtung zu versuchen, wo es darum geht, mittels Grundeinkommen für alle WohnbürgerInnen innovatives Arbeiten frei von kurzfristigen Verwertungszusammenhängen zu ermöglichen. Ein existenzsicherndes Grundeinkommen hat das Potenzial wesentliche soziale Innovationsschübe auszulösen. Dies gelingt aber nur, wenn der politische Mut vorhanden ist, gewisse Eckpfeiler des Konzeptes umzusetzen. Die da wären:

  • Entkoppelung eines Grundeinkommens von jeglicher Arbeitsverpflichtung
  • Keine Bindung an StaatsbürgerInnen-, sondern an WohnbürgerInnenschaft
  • Individualisierter Rechtsanspruch auf Grundeinkommen

Nur so kann verhindert wären, dass ein Grundeinkommen den Niedriglohnsektor fördert und dass die Qualität der Arbeitsbedingungen sich noch weiter verschlechtert. Was eine Gesellschaft im Gegenzug erhält, ist eine Neudefinition von Arbeit, die nicht mehr in sichtbare, bezahlte und mit Rechten ausgestattete Erwerbsarbeit und in eine unsichtbare, unbezahlte und weitgehend im rechtsfreien Raum schwebende Subsistenzarbeit (Haushalt, Kinder, Alten- und Krankenpflege) trennt, sondern den Weg für eine neue Umverteilung von Arbeit frei macht. Auch könnten die zwei wichtigsten Diskriminierungsfaktoren Geschlecht und Herkunft, die sämtliche Arbeitsmärkte durchziehen damit zumindest abgeschwächt werden.



Der vorliegende Text wurde von Elisabeth Mayerhofer im Auftrag des Kulturrat Österreich erarbeitet.