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Mobilität von KünstlerInnen?

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(Beitrag in der Infobroschüre Selbstständig | Unselbstständig | Erwerbslos, 2012)

Das Herz des Rassismus

Ausländerbeschäftigungsgesetz vs. Mobilität von KünstlerInnen

Daniela Koweindl


Das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) regelt, welche Personen ohne EU-/EWR-Pass in Österreich unter jeweils welchen Bedingungen beschäftigt werden dürfen bzw. eine unselbstständige Beschäftigung aufnehmen dürfen. Das Gesetz gibt es seit 1975 und wird vom AMS vollzogen.

Die im Verfassungsrang stehende Freiheit der Kunst schlägt sich zwar auch explizit im AuslBG nieder, dennoch legt das AuslBG Kunstschaffenden eine Reihe von Steinen in den Weg. Die IG Bildende Kunst und der Kulturrat Österreich haben dies in einem Problemkatalog aufgezeigt und davon ausgehend den Forderungskatalog „Mobilität statt Barrieren!“ entwickelt. Im Zusammenspiel mit diversen Fremdenrechtsgesetzen ist das AuslBG das gesetzliche Grundgerüst für ungleiche Rechte abhängig von der StaatsbürgerInnenschaft.

Auf seiner Website zählt das AMS unter dem Stichwort Zugangsberechtigungen derzeit 15 verschiedene Varianten auf: Von A wie „Arbeitserlaubnis“ bis Z für „Zulassung ausländischer Schlüsselkräfte“. Hier sind Quoten zu erfüllen, dort wird die sogenannte Arbeitsmarktprüfung zum Ausschlussgrund (denn nur wenn „Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes“ es zulassen, darf eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt werden; d. h., das AMS prüft, ob „für die zu besetzende Stelle keine Arbeit suchend vorgemerkten inländischen oder integrierten ausländischen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen“). Für gewisse Tätigkeiten sind maximale saisonale Beschäftigungsdauern festgelegt, für andere ArbeitnehmerInnen wiederum ist ein hohes Einkommen der Schlüssel für den Zugang zum formellen Arbeitsmarkt. Während die einen eine Beschäftigungsbewilligung für maximal zehn Stunden pro Woche erhalten (Studierende im ersten Abschnitt bzw. bis zum Abschluss des Bachelor-Studiums), wird sie für andere – ungeachtet des tatsächlich erforderlichen Stundenausmaßes – stets für Vollzeitbeschäftigungen ausgestellt. Für u. a. künstlerische Tätigkeiten sind im AuslBG spezielle (Ausnahme-)Regelungen festgehalten.

Kurzum: Mit dem AuslBG werden bestimmte Personen aufgrund von StaatsbürgerInnenschaft bzw. Aufenthaltsstatus rigoros vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen oder zumindest kategorisch in einer prekären (Beschäftigungs-)Situation gehalten. So werden – für Prekarisierungsprozesse ebenfalls typisch – ungleiche Positionen zwischen ArbeitnehmerInnen hergestellt. Ljubomir Bratic bezeichnet in seinem 2010 erschienenen Buch Politischer Antirassismus das AuslBG folglich als ein „Trennungsinstrument zwischen Kategorien von verschiedenen Arbeiterinnen und Arbeitern“, das „in der Tradition einer nationalistischen Arbeitsmarktpolitik“ steht.

Vokabeltraining im Paragraphendschungel

Auch bei den Arbeitspapieren setzen sich noch deutliche Hierarchien fort: Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein heißen die alteingeführten, in Österreich verfügbaren Arbeitspapiere in der Reihenfolge ihres Werts am formellen Arbeitsmarkt. Erstere können lediglich ArbeitgeberInnen für eine bestimmte ArbeitnehmerIn für maximal zwölf Monate beantragen. Die Arbeitserlaubnis gilt für bis zu zwei Jahre und ist nicht an eine bestimmte Arbeitsstelle gebunden, erlaubt einen Stellenwechsel allerdings nur innerhalb desselben Bundeslandes. Der Befreiungsschein ist ebenfalls eine persönliche Berechtigung der ArbeitnehmerIn und erweitert den Aktionsradius schließlich auf ganz Österreich – nicht zeitlich unbegrenzt, nach fünf Jahren muss auch dieser verlängert werden. Darüber hinaus gibt es z. B. bestimmte Aufenthaltstitel, die einen Zugang zum Arbeitsmarkt abseits der bereits erwähnten Dokumente mit sich bringen, so etwa der Daueraufenthalt EG oder (seit 1. 7. 2011) die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ und die „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ für besonders qualifizierte ArbeitnehmerInnen sowie die „Blaue Karte EU“ für sogenannte „Spitzenfachkräfte“ mit entsprechendem Gehalt. Mit Entsendebewilligung, Sicherungsbescheinigung, Kontingentbewilligung u.a.m. lässt sich das einschlägige Vokabeltraining fortsetzen.

Die „Freiheit“ der Inflexibilität

Für künstlerische unselbstständige Tätigkeiten ist de facto nur die Beschäftigungsbewilligung relevant, und diese darf gemäß § 4a AuslBG nur dann verweigert werden, wenn die „Beeinträchtigung der durch dieses Bundesgesetz geschützten öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wiegt als die Beeinträchtigung der Freiheit der Kunst des Ausländers.“

Kunstschaffende haben zwar quasi einen Rechtsanspruch auf eine Beschäftigungsbewilligung, sind aber von anderen Arbeitspapieren, die einen flexibleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen, ausgeschlossen – gleichgültig wie lange sie bereits in Österreich leben und arbeiten. Der bürokratische Aufwand, dass für jede Beschäftigung aufs Neue beim AMS um eine Bewilligung angesucht werden muss, produziert – insbesondere angesichts oftmals sehr kurzer Beschäftigungsdauern – ein eigenes Beschäftigungsprogramm für alle Involvierten (und Gebühreneinnahmen für das AMS). Die 2007 durchgeführte Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen führte die Dominanz kurzer Beschäftigungsdauern eindrücklich vor Augen: Etwa ein Drittel aller unselbstständigen Beschäftigungen als KünstlerIn dauert maximal drei Monate. Wochen- oder auch tageweise Beschäftigungen sind keineswegs eine Seltenheit.

Organisierung gegen rassistischen Konsens

Künstlerischer Austausch über nationalstaatliche Grenzen hinweg war schon immer Bestandteil von KünstlerInnenbiografien. Internationalität steht auf Arbeit- wie auch FördergeberInnenseite im Kunst- und Kulturbereich hoch im Kurs. Im Zuge des vom bm:ukk im April 2009 initiierten interministeriellen Arbeitsprozesses zur Verbesserung der sozialen Lage der Kunstschaffenden konnte der Kulturrat Österreich aufzeigen, wie die bestehende Gesetzeslage den Mobilitätserfordernissen diametral entgegensteht. Schizophren mutet dabei das Handeln der involvierten AkteurInnen an. Während der Kulturrat Österreich ein erhöhtes Problembewusstsein schaffen konnte, fand sich in den im Februar 2011 einstimmig im MinisterInnenrat beschlossenen Entwürfen für die jüngsten fremden- und beschäftigungsrechtlichen Gesetzesnovellen letztlich keine einzige Verbesserungsmaßnahme aus den vorangegangenen Diskussionen. In derselben Woche kündigte ein bm:ukk-Mitarbeiter an, dass – nach Verzögerungen seit dem Sommer 2010 – nun von Kultur-, Sozial-, Innen- und Außenministerium gemeinsam die Arbeit an einer mehrsprachigen Broschüre aufgenommen werde, um verbindliche Informationen für Fragen rund um Aufenthalts- und Arbeitspapiere auszuhandeln und aufzubereiten – eine Aufgabe, die der Kulturrat Österreich im Zuge der Produktion der hier vorliegenden Broschüre nicht leisten konnte. Im Frühjahr 2012 soll eine Rohfassung fertig sein, die auch die im Kulturrat Österreich organisierten Interessenvertretungen für eine Feedbackrunde zum Testlesen erhalten sollen.

Informationen über bestehende Rechte und eine korrekte Durchführungspraxis verständlich aufzubereiten ist eine wichtige Maßnahme, geht aber nicht über einen unerlässlichen Mindeststandard hinaus. Solange sich der „Abbau“ von Mobilitätsbarrieren für Personen ohne EU/EWR-Pass jedoch auf Information und Service beschränkt, wird sich nichts am AuslBG als „Herz des Rassismus“ (Bratic) ändern. An der Organisierung gegen diesen Zustand wird auch der Kulturrat Österreich weiterhin arbeiten.