(Pressemitteilung vom 2. August 2013)
Das Sommer-Einmaleins für KulturpolitikerInnen
… und solche, die es werden wollen.
Eine Textserie des Kulturrat Österreich im laufenden Wahlkampf
Heute: Veranstaltung abgesagt! Visaverweigerungen verhindern Internationalität (nicht nur) im Kunst- und Kulturbereich.
Die nächste Regierung ist aufgefordert, endlich Mobilitätsbarrieren zu beseitigen und ihren Verpflichtungen aus dem UNESCO-Abkommen für kulturelle Vielfalt nachzukommen.
„Aufgrund unlösbarer Visaschwierigkeiten muss das Konzert leider abgesagt werden“, stellt das „Porgy&Bess“, einer der Spielorte des Jazz Festival Wien 2013, auf seiner Website fest. Betroffen sind in diesem Fall die „Musicians of the Nile“ aus Ägypten, die seit Jahrzehnten in ganz Europa auftreten und bei Real World Records unter Vertrag stehen.
Durch die Nicht-Ausstellung von Visa werden regelmäßig KünstlerInnen von Österreich ferngehalten. 2014 wiederum tritt die nächste Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit neuen Hindernissen in Kraft, die in Österreich lebende KünstlerInnen ohne EU/EWR-Pass treffen werden.
Wie lange müssen sich Kunst- und KulturveranstalterInnen fremdenrechtliche Eingriffe in ihre Programmgestaltung noch gefallen lassen? Ist Arbeiten und Leben ohne schikanöse Hürden für KünstlerInnen ohne EU/EWR-Pass hierzulande tatsächlich denkunmöglich?
Anlässlich der Pressekonferenz des Kulturrat Österreich zum „Artist Mobility“-Guide des bm:ukk am 13. Februar 2013 berichtete Marie-Christine Baratta vom ImPulsTanz-Festival von ähnlichen Problemen, die die international renommierte Arbeit des Festivals immer wieder stark behindern. Um nur zwei Beispiele zu erwähnen: Die international erfolgreiche südafrikanische Choreografin Robyn Orlin soll mit ihrer Company am Festival teilnehmen, drei Monate vorher beginnt ImPulsTanz mit der notwendigen Visa-Organisation. „Doch erst 48 Stunden vor ihrer Abreise nach Wien erhalten die letzten TänzerInnen der Company die notwendigen Schengen-Visa, und auch dies nur nach massiven Hürden, u.a. eine zweimalige achtstündige Busreise von Johannesburg nach Pretoria für Gespräche, beide Male ohne Garantie, dass es damit dann klappen würde“, erzählte Baratta. Fünf TänzerInnen der Company von Adedayo Liadi, renommiertester Choreograf Nigerias, hatten im selben Sommer weniger „Glück“: „Trotz dreimonatiger (!) Vorlauffrist, Einladungsbriefen und diversen Interventionen erhielten sie kein Visum der österreichischen Botschaft“, so Baratta.
Solche Absurditäten sind möglich, obwohl Österreich bereits 2006 die internationale Verpflichtung eingegangen ist, Erleichterungen der Mobilität von KünstlerInnen, Kulturschaffenden und anderen im Kulturbereich Tätigen zu realisieren – insbesondere durch präferentielle Behandlung von KünstlerInnen aus den Ländern des globalen Südens (UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt, Art. 16). Kunst- und Kulturministerin Claudia Schmied hat sich mehrfach öffentlich zur Umsetzung des Übereinkommens bekannt, dennoch stimmte sie in ihrer Amtszeit bislang noch jeder Verschärfung des Fremdenrechts im Ministerrat zu. Bleibt also das von Österreich mitunterzeichnete UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen auf immer und ewig bloßes Lippenbekenntnis?
Aber nicht nur Visa erschweren und verhindern internationalen Austausch. Seit 2006 können KünstlerInnen nur noch eine einjährige Aufenthaltsbewilligung erhalten. Auch bei der Beschäftigung sind die Möglichkeiten für KünstlerInnen ohne EU/EWR-Pass sehr beschränkt.
Zudem wird ab 2014 die Beschäftigungsbewilligung gänzlich an die Aufenthaltsbewilligung gekoppelt. Aus der Idee der grundsätzlichen bürokratischen Vereinfachung gemäß einer EU-Richtlinie hat Österreich eine bemerkenswert künstlerInnenfeindliche Umsetzung gemacht: Da die Beschäftigungsbewilligung stets an den/die ArbeitgeberIn gebunden ist, muss in Zukunft bei einem ArbeitgeberInnenwechsel jeweils der Aufenthaltstitel erneuert werden.
Der bisher einzige Schritt des bm:ukk betreffend die Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden, die als Thema immerhin auch auf der Agenda der seit 2009 eingesetzten Interministeriellen Arbeitsgruppen stand, ist der „artist mobility guide“ (www.artistmobility.at) – eine Website, die „Informationen zu Einreise, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ausländischer Künstlerinnen und Künstler in Österreich“ detailliert auflistet. Schon die Begründung macht allerdings deutlich, worum es bei diesem Guide geht: „And even though efficient means of communication exist in today’s world, it is still often necessary for artists to move from one place to another in person.“
Vorerst kann der Guide – als Sammlung der fremdenrechtlichen Gesetzeslage – nur als Katalog der Abschreckung gelesen werden. Dringend notwendig ist jedoch ein Fokuswechsel: statt eines unverbindlichen Informationsangebots endlich realpolitische Veränderungen zur Abschaffung von Mobilitätsbarrieren.
Die nächste Regierung ist dringend aufgefordert, zumindest ihre Verpflichtungen, die aus dem UNESCO-Abkommen resultieren, endlich ernst zu nehmen, zuallererst durch das Ermöglichen von Mobilität, nicht durch Abwehr.
Info und detailliertes Forderungspapier:
- Kunst kann überall hin, KünstlerInnen nicht. Pressekonferenz des Kulturrat Österreich zum „Artist Mobility“-Guide des bm:ukk
- Mobilität von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. In: 42 Monate IMAG – eine Bilanz. Hg. Kulturrat Österreich, Wien, Dezember 2012
- Porgy & Bess, Konzertabsage wegen Visaschwierigkeiten
Das Sommer-Einmaleins für KulturpolitikerInnen
Eine Textserie des Kulturrat Österreich im laufenden Wahlkampf
Der Kulturrat Österreich, der Zusammenschluss der Interessenvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden, rückt im laufenden Wahlkampf die Kulturpolitik als Querschnittsmaterie ins Blickfeld. Vierzehntägig wird daher je eines der derzeit drängendsten Problemfelder beleuchtet: AMS und Sozialversicherung, UrheberInnenrecht, Mobilität von KünstlerInnen, KünstlerInnensozialversicherungsfonds, Kunst- und Kulturbudget.