Artist Mobility Guide des bm:ukk demonstriert: Internationaler Austausch in der fremdenUNrechtlichen Sackgasse.
(Pressegespräch vom 13.2.2013)
Drei Inputs zur Nachlese, von:
- Sylvia Köchl (Kulturrat Österreich)
- Marie-Christine Baratta (ImPulsTanz Festival)
- Doris Einwallner (Rechtsanwältin)
Eine Theaterproduktion aus Belgrad erweckt internationale Aufmerksamkeit, ein Gastspiel in Wien wird organisiert. Im letzten Moment wird einem Ensemblemitglied das Visum verweigert. Performance per Skype?
Ein international besetztes Symposium wird geplant, Thema: Transnationaler Austausch. Ein aufwändig zusammengebasteltes Budget ermöglicht Reise- und Aufenthaltskosten, die zusätzliche Fahrt zur österreichischen Botschaft – notwendig aufgrund einer nachträglich „notwendig“ gewordenen Bestätigung – ist nicht mehr finanzierbar: Umbesetzung?
Eine Band aus der Ukraine tritt in Wien auf (nach vielen mühsamen bürokratischen Hürden). Kurzfristig hat einE beteiligte MusikerIn die Chance auf ein Engagement bei einer Videoproduktion. Aufenthaltsrechtlich hat die Person kein Problem, wohl aber beschäftigungsrechtlich …
Drei kleine Beispiele zeigen bereits: Wer in Österreich mit Kunst- und Kulturschaffenden aus aller Welt arbeiten möchte, hat ein Set an Problemen abzuarbeiten, Kunst- und Kulturschaffende von außerhalb, die in Österreich arbeiten möchten, haben de facto keinen eigenen Zugang. Über allem schwebt zudem das Element des Willkürlichen. Einreisende sind für die staatliche Verwaltung Einzelfälle, wer welches Dokument in welcher Form ein- oder nachzureichen hat, ist nicht verbindlich festgelegt, das entscheiden österreichische BeamtInnen in den Vertretungsbehörden.
Nach vielen Jahren Arbeit an der Verbesserung der transnationalen Mobilitätsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen, nach fast vier Jahren IMAG, in der eine Arbeitsgruppe dem Thema gewidmet war, ist jetzt der Artist Mobility Guide, herausgegeben vom bm:ukk, erschienen. Die Website enthält eine allgemeine Auflistung der rechtlichen Situation für Einreise nach und Arbeit in Österreich von Kunstschaffenden: Eine Darstellung des aufenthalts- und beschäftigungsrechtlichen Labyrinths, adressiert an KünstlerInnen und VeranstalterInnen.
Nicht enthalten sind Informationen über lokale Besonderheiten oder konkrete Erfordernisse, beispielsweise hinsichtlich der geforderten Einkommenslage. Gerade dies wäre aber notwendig, so Sylvia Köchl vom Kulturrat Österreich: „Ein Mobilitätsguide für KünstlerInnen ist dann sinnvoll, wenn klare, verbindliche, für alle geltende Regeln für Einreise oder Aufenthalt ausformuliert sind – in einer Form, die auch für BeamtInnen Gültigkeit hat.“ Zudem braucht es dringend festgelegte und vertretbare Bearbeitungsfristen.
Enorme Folgen hat diese gesetzliche Abschottung auch für VeranstalterInnen in Österreich. „Das wirtschaftliche Risiko der Abgabe einer Verpflichtungserklärung ist subventionstechnisch in der Regel nicht abgedeckt, daher für die VeranstalterInnen mit einem hohen Risiko verbunden – die Alternative wäre allerdings der Verzicht auf internationale AkteurInnen“, so Marie-Christine Baratta, Koordinatorin für internationale Kommunikation beim Festival ImPulsTanz. Zudem leidet die Programmierbarkeit: Visa-abhängige Programmbestandteile können aufgrund des Ausfallrisikos nur sparsam gesetzt werden.
Davon abgesehen ist Österreich bereits 2006 die internationale Verpflichtung eingegangen, Erleichterung der Mobilität von KünstlerInnen, Kulturschaffenden und anderen im Kulturbereich Tätigen zu schaffen – insbesondere durch präferentielle Behandlung von KünstlerInnen aus den Ländern des globalen Südens (Unesco-Konvention für kulturelle Vielfalt, Art. 16). Stattdessen, so Franz Schmidjell, stellvertretender Direktor des VIDC, „liegt der Schwerpunkt der visarechtlichen Überprüfungen häufig beim Versuch der Sicherstellung der Wiederausreise – eine geradezu widersinnige Herangehensweise für die Intensivierung internationalen Austauschs.“
An sich „bietet der aktuelle aufenthalts- und beschäftigungsrechtliche Rahmen zahlreiche Möglichkeiten zur Verbesserung, die es zu nutzen gilt“, so die Rechtsanwältin Doris Einwallner. Aktuell geschieht aber erneut das Gegenteil, wenn etwa im Ausländerbeschäftigungsgesetz die Anzahl der ArbeitgeberInnen für KünstlerInnen mit dem Aufenthaltstitel „Aufenthaltsbewilligung Künstler“ künftig auf eineN beschränkt werden soll und eine Änderung des/der ArbeitgeberIn auch die Änderung des Aufenthaltstitels notwendig macht.
Insgesamt ist zu konstatieren: Die Probleme sind bekannt, benannt nicht zuletzt durch den Artist Mobility Guide des bm:ukk. Notwendig und längst überfällig ist dagegen die Lösung der Probleme – zuallererst durch einen Fokus-Wechsel: Statt einer von tiefem Misstrauen jeglicher Mobilität gegenüber getragenen Verhinderungspolitik gilt es, den transnationalen Austausch zu fördern und das Augenmerk darauf zu richten, wie ein Austausch sinnvoll gefördert werden kann.
Vorschläge liegen auf dem Tisch.
Informationen:
- Mobilität von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. In: 42 Monate IMAG – eine Bilanz. Hg. Kulturrat Österreich, Dezember 2012
- Artist Mobility. Informationen zu Einreise, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ausländischer Künstlerinnen und Künstler in Österreich. hg. bm:ukk, Dezember 2012
- Ministerialientwurf Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetz (449/ME) (27.12.2012). Zusätzliche Empfehlung: Stellungnahme von Helping Hands.
- Artists‘ mobility and visas: a step forward. Hg. on the move, Dezember 2012.
- Workshopbericht: Across Europe and Beyond Eine Veranstaltung des bm:ukk in Kooperation mit der öst. UNESCO-Kommission und der IG Kultur Österreich, 23.2.2012
- Das Herz des Rassismus. Daniela Koweindl. In: Selbstständig | Unselbstständig | Erwerbslos, 3. Ausgabe, Hg. Kulturrat Österreich, Februar 2012.
- Problem- und Forderungskatalog Mobilitätsbarrieren (Erstellt von der IG BILDENDE KUNST in Zusammenarbeit mit dem Kulturrat Österreich, Stand 2010)