in der Pressekonferenz des Kulturrat Österreich am 13.2.2013 zum Artists-Mobility Guide (Hg. bm:ukk)
„And even though efficient means of communication exist in today’s world, it is still often necessary for artists to move from one place to another in person.“ (1)
Der Kulturrat Österreich hat zu diesem Pressegespräch eingeladen, um zur Website artistmobility.at Stellung zu nehmen, die das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur im Dezember 2012 online gestellt hat.
„ARTIST MOBILITY – Informationen zu Einreise, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ausländischer Künstlerinnen und Künstler in Österreich“ lautet der Titel der Website. Es handelt sich um eine allgemeine Sammlung fremden- und beschäftigungsrechtlicher Bestimmungen. Sie soll „zur Information von Kunstschaffenden dienen, die nach Österreich kommen sowie von KulturveranstalterInnen, die Einladungen nach Österreich aussprechen, und sie bei der Verwirklichung ihrer künstlerischen Vorhaben unterstützen.“ (artistmobility.at)
„artistmobility.at“ wurde zusammengestellt von bm:ukk, Sozialministerium, Innenministerium und Außenministerium sowie der österreichischen UNESCO-Kommission. Auch „die Interessenvertretungen der Kunst“ hätten daran mitgewirkt, wird überaus unpräzise auf der Website behauptet – worin diese angebliche Mitarbeit bestanden hat, werden Sie gleich hören.
„artistmobility.at“ ist jedenfalls – kurz gesagt – das traurige Ergebnis jahrelanger politischer Arbeit mit dem Ziel, die Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden nach Österreich zu verbessern.
Traurig, weil diese Website in keiner Weise Mobilität fördert, sondern nur einer amtlichen Problembeschreibung der katastrophalen fremdenrechtlichen Situation gleichkommt.
Die Chronologie der Entstehung der Website:
- 2006 hat Österreich das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen unterzeichnet. Eine der wesentlichen Verpflichtungen darin ist die Förderung des internationalen Kulturaustausches durch Erleichterung der Mobilität von KünstlerInnen, Kulturschaffenden und anderen im Kulturbereich Tätigen – insbesondere durch präferentielle Behandlung von KünstlerInnen aus den Ländern des globalen Südens (Artikel 16 des UNESCO-Übereinkommens).
Bundesministerin Claudia Schmied hat sich mehrfach öffentlich zur Umsetzung des Übereinkommens bekannt, dennoch stimmte sie in ihrer Amtszeit bislang allen Verschärfungen des Fremdenrechts im Ministerrat zu. - Ende 2009 sowie Anfang 2010 fanden in den von Ministerin Schmied initiierten Interministeriellen Arbeitsgruppen zur Verbesserung der sozialen Lage der KünstlerInnen zwei Sitzungen zum Thema Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden statt. An diesen Arbeitsgruppen nahmen neben verschiedenen Ministerien auch mehrere Interessenvertretungen teil.
Die Interessenvertretungen brachten hier zahlreiche Beispiele vor, die die Problemlage illustrieren sollten – und zwar die strukturelle Problemlage, wie sie sich vor allem bei der Visa-Politik der österreichischen Vertretungsbehörden darstellt.
Solche Beispiele wurden in der interministeriellen Arbeitsgruppe prinzipiell als „Einzelfälle“ deklariert oder es wurde behauptet, dass die „Schuld für abgewiesene Visumsanträge meist bei den AntragstellerInnen“ liege. Konkrete Arbeitsvorhaben blieben aus – der ausführliche Forderungskatalog ist bis auf wenige Kleinigkeiten bis zum heutigen Tag gültig. - Im Juni 2010 beklagte der Kulturrat Österreich in einer Pressekonferenz den generellen Stillstand bei den Interministeriellen Arbeitsgruppen, so auch beim Thema Mobilität. Kurz darauf teilte Bundesministerin Schmied mit, es werde ein „KünstlerInnen-Guide“ zu fremden- und beschäftigungsrechtlichen Fragen für Kunstschaffende erarbeitet.
- Bei einem Arbeitstreffen im März 2011 wurde der Plan für diesen Guide vorgestellt. Das Ergebnis der Sitzung: Alle Themen, die über den Guide hinausgehen, werden auf die Zeit nach der nächsten Nationalratswahl verschoben.
- Ende Juni 2012 wurde der „KünstlerInnen-Guide“ intern zur Begutachtung verschickt – der Kulturrat Österreich sandte eine ausführliche Punktation dazu zurück. Die zentrale Kritik: In dieser Fassung bietet der Guide zwar einen guten Überblick zur Rechtslage – an der Praxis, vor allem der restriktiven Visa-Vergabe und den enormen bürokratischen Hürden für einladende Organisationen, ändert ein solcher Guide aber gar nichts.
Und besonders wichtig: Den MitarbeiterInnen österreichischer Vertretungsbehörden im Ausland bietet der Guide keinerlei Anleitung zum Procedere der Visa-Vergabe – die vielfach als willkürlich kritisierten Vorgehensweisen in den österreichischen Botschaften und Konsulaten wurden in keinster Weise angetastet. Es gibt hier also nach wie vor keine verbindlichen Regeln – es gelten einfach die sogenannten „lokalen Besonderheiten“, die im Guide auch nicht konkret benannt werden. - Am 3. Dezember 2012 ging die Website „artistmobility.at“ endlich online – „damit leistet Österreich einen weiteren Beitrag zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens“, hieß es in der Presseaussendung des bm:ukk.
Gleichzeitig war die Website aber absurderweiser ausschließlich auf Deutsch verfügbar.
Erst seit gestern, 12. Februar 2013, ist die englische Fassung online – offenbar geht nichts weiter, bis nicht der Kulturrat Österreich eine Pressekonferenz einberuft.
Verräterische Wortwahl
Umrahmt wurde diese ganze jahrelange Angelegenheit von Anfang an von einer verräterischen Wortwahl. „Kunst darf eh überall präsentiert werden. Und die KünstlerInnen: Wofür gibt es Skype?“, war in einer der interministeriellen Arbeitssitzungen einmal zu hören.
Und auf der Frontpage von „artistmobility.at“ heißt es nun – und ich übersetze aus der englischen Fassung, die an dieser Stelle viel deutlicher wird als die deutsche: „Und obwohl in der heutigen Welt effiziente Kommunikationsinstrumente existieren, ist es für KünstlerInnen immer noch oft notwendig, sich persönlich von einem Ort zu einem anderen zu bewegen.“ („And even though efficient means of communication exist in today’s world, it is still often necessary for artists to move from one place to another in person.“)
Aus solchen Formulierungen spricht ein genereller Unwillen seitens Politik und Behörden, sich mit dem Thema zu befassen – und gewissermaßen auch die enttäuschte Hoffnung, dass sich in Zeiten von Skype und Facebook die physische Anwesenheit ausländischer Kunst- und Kulturschaffender in Österreich erledigt haben könnte.
Gleichzeitig ist transnationale KünstlerInnenmobilität nach wie vor en vogue. In kaum einem anderen gesellschaftlichen Feld wird der Mehrwert internationaler Beteiligung höher geschätzt als im Bereich der Kunst. Die globalen Grenzregime sind jedoch stabiler denn je. StaatsbürgerInnenschaft oder die Zugehörigkeit zu regionalen Binnenreiseräumen wie Schengen sind ausschlaggebend dafür, wer sich mit welchem juristischen Titel wohin bewegen darf. In Kombination mit beschäftigungsrechtlichen Reglementierungen laufen diese Restriktionen jeder Form von gleichberechtigtem Austausch zuwider.
In diesem Kontext ist „artistmobility.at“ vor allem ein Katalog des Schreckens – bzw. der Abschreckung, gerade weil er schlicht die aktuelle Rechtslage abbildet.
(1) Zitat aus Einleitung zur englischen Version des Artist Mobility Guide