(Pressemitteilung vom 24.3.2025) Ministeriumsweisung vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) teilweise zurückgewiesen, darin angeordnete Ausschlüsse vom Arbeitslosengeld sind rechtswidrig.
Schlechte Nachrichten warten im Regierungsprogramm
Mehrfach geringfügig Beschäftigte hatten jahrelang keinen Zugang mehr zur Arbeitslosenversicherung. Bereits 2022 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden, dass dies rechtswidrig ist und eine großzügige Reparaturfrist bis 31.3.2024 gesetzt. Mit dieser Entscheidung hob der VfGH ein Detail im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) auf und stellte fest, dass zur praktischen Anwendung gesetzliche Regelungen zu treffen sein werden. Das ist nicht passiert. Stattdessen hat das zuständige Ministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) im Frühling 2024 eine nicht öffentliche Durchführungsweisung erlassen, die weitgehendere Verschärfungen enthielt. Auch Teile davon sind rechtswidrig, wie nun der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) festgestellt hat.
Schon das Bundesverwaltungsgericht (eine juristische Ebene darunter) hatte zum Teil drastische Worte für die Vorgehensweise des Arbeitsministeriums und zu dessen Durchführungsweisung an das AMS: „Diese behördliche Argumentation, die auf den gegenständlichen Fall zutrifft, ist vor dem Hintergrund des Gesetzestextes jedoch denkunmöglich. […] Abschließend scheint aufgrund dieser Ausführungen behördenintern hinterfragenswert, ob die Mitarbeiter der belangten Behörde durch solche Handlungsanleitungen oder die aktenkundige Durchführungsweisung des BMAW überhaupt bei der Durchführung ihrer Arbeitstätigkeit gebunden werden können.“
Was bedeutet die neue Rechtsentscheidung praktisch? Schluss mit bestimmten AMS-Ausschlüssen.
Mehrfach geringfügig Beschäftigte, die aus diesen Beschäftigungen in einem Kalendermonat insgesamt mehr als die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (2025: 551,10 Euro) verdienen, sind seit 1.4.2024 auch arbeitslosenversichert. Das führt zu Änderungen sowohl im Zugang zu Arbeitslosengeld als auch in Bezug auf die Höhe des Arbeitslosengeldes.
Mit seiner Entscheidung hebt der VwGH einen besonders perfiden Teil der ersten Durchführungsweisung vom Frühling 2024 als rechtswidrig auf. Das AMS muss bestimmte Ausschlüsse vom Arbeitslosengeld beenden, die das Arbeitsministerium im Frühling 2024 per Durchführungsweisung angeordnet hatte. Das gilt auch rückwirkend ab dem 1.4.2024.
Eine geringfügige Beschäftigung, bei der zumindest einen Tag Arbeitslosenversicherung anfiel, darf nicht automatisch zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen, solange diese geringfügige Beschäftigung noch aufrecht ist. Was bedeutet das praktisch? Wird beispielsweise eine Teil- oder Vollzeitanstellung beendet, muss eine dazu parallele geringfügige Beschäftigung nicht gekündigt werden, um als arbeitslos zu gelten und Ansprüche auf Arbeitslosengeld geltend machen zu können.
Neue Durchführungsweisung wieder nicht öffentlich. Kulturrat veröffentlicht Infoseite.
Die jüngsten Änderungen sind bislang nicht öffentlich nachvollziehbar. Auch die neuen dem AMS vorgeschriebenen Durchführungsweisungen sind nicht veröffentlicht. Schnipsel finden sich auf den Websites des AMS (nicht auf allen aktualisiert), nicht aber z. B. bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) als zuständige Sozialversicherungsanstalt. Der Kulturrat Österreich hat eine Informationsseite zum praktischen Stand der Dinge zusammengestellt.
Aktuelle Informationen: Änderungen bei mehrfach geringfügig Beschäftigten
Nächste Probleme durch Regierungsprogramm angekündigt
Der geringfügigen Beschäftigung (u.a. als möglicher Zuverdienst zu AMS-Geldleistungen) will die neue Bundesregierung an den Kragen. Im aktuellen Regierungsprogramm sind nun – noch kryptisch – Maßnahmen angekündigt, die sehr viel weitreichendere Auswirkungen auf Existenzsicherung und Jobsuche während eines Arbeitslosengeldbezugs haben werden als die aktuellen Umsetzungen.
Wir sagen klar: Zuverdienst am AMS stärken, nicht schwächen! Zuverdienstmöglichkeiten zu AMS-Bezügen sind existenziell notwendig. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass neben vielen anderen auch Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen kontinuierlich in ihren Branchen tätig sein können – in einem Umfeld, in dem es in der Regel darauf ankommt, präsent zu bleiben, manchmal auch nur mit kleinen, kurzfristigen Jobs.
Zum besseren Verständnis der Reihe nach. Was ist hier passiert? Eine Chronologie.
2017 wird die tägliche Geringfügigkeitsgrenze abgeschafft, in der Folge vertritt die ÖGK die Rechtsansicht, dass mehrfach geringfügig Beschäftigte nicht mehr in die Arbeitslosenversicherung einzubinden sind auch wenn sie innerhalb eines Kalendermonats die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Die Arbeiterkammer Wien unterstützt Betroffene, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren – erfolgreich.
2022 entscheidet schließlich der Verfassungsgerichtshof (VfGH), dass diese Praxis rechtswidrig ist und setzt eine großzügige Reparaturfrist bis 31.3.2024. Eine Rechtsänderung findet jedoch nicht statt.
Frühling 2024: Im letzten Moment vor Fristablauf erlässt das Arbeitsministerium die erwähnte Durchführungsweisung, erneute Verschärfungen und Ausschlüsse inklusive. Die Durchführungsweisung ist nicht öffentlich. Nicht nur der Kulturrat Österreich protestiert, siehe z. B. hier und hier.
November 2024: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hebt einen besonders perfiden Teil dieser ersten Durchführungsweisung vom Frühling 2024 als rechtswidrig auf. Eine geringfügige Beschäftigung, bei der zumindest einen Tag Arbeitslosenversicherung anfiel, darf nicht automatisch zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen. Was bedeutet das praktisch? Wenn also beispielsweise eine Teil- oder Vollzeitanstellung beendet wurde, wäre die Arbeitslosigkeit erst eingetreten, wenn auch eine dazu parallele geringfügige Beschäftigung gekündigt wird.
Infolge der Entscheidung gibt es eine neue Durchführungsweisung des Arbeitsministeriums. Diese ist erneut nicht öffentlich. Aktuelle Informationen haben wir hier zusammengetragen.