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Wirtschaft/ Prekariat/ Globalisierung

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(aus: Materialien zum Symposium State of the Art, Dezember 2008) Über Grenzen und Entgrenzungen: Kunst- und MedienarbeiterInnen in einem globalisierten Umfeld. Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre

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Wie jeder andere Teilbereich einer Gesellschaft unterliegt auch der Kunstbetrieb gesetz­lichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich wiederum stark auf die Produktionsbedingungen auswirken. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welchen Einfluss internationale Vertragswerke und Programme auf die Arbeits- und Lebenssituation von Kunstschaffenden haben. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf internationalen Handelsabkommen wie GATS und TRIPS, die Auswirkungen auf nationale Kunstförderungen haben, aber auch auf Abkommen, die geistiges Eigentum regeln und in Zukunft einen Dreh- und Angelpunkt jeglichen künstlerischen Schaffens darstellen werden. Abschließend wird die Relation zwischen den Auswirkungen nationaler und internationaler Gesetzgebungen auf Kunstarbeitsmärkte behandelt.

GATS, TRIPS und die Folgen

GATS

GATS, das „General Agreement on Trade in Services“, ist Teil des 1994 abgeschlossenen WTO-Abkommens (das Österreich 1995 ratifiziert hat). Es stellt die Übertragung der Regeln des freien internationalen Wettbewerbs auf den Bereich der Dienstleistungen dar und trägt damit der zunehmenden ökonomischen Bedeutung von Dienstleistungen Rechnung. GATS stellt eine Einbahnstraße in Richtung immer weiter gehender Liberalisierung dar. Einmal übernommene Verpflichtungen können im Sinne des InvestorInnenschutzes nicht rückgängig gemacht werden; jede neue Verhandlungsrunde bezweckt weitere Liberalisierungsschritte. Dabei werden von den einzelnen Nationen die Branchen festgelegt, die unter die Vereinbarung fallen.

Im GATS finden sich drei Kategorien, die für Kunst und Kultur von Relevanz sind:

  • Unterhaltungsdienstleistungen einschließlich Theater, Musikgruppen und Zirkus;
  • Büchereien, Archive, Museen und sonstige kulturelle Dienstleistungen;
  • audiovisuelle Dienstleistungen.

Was wären nun die Folgen, wenn GATS in diesen Bereichen Anwendung findet? Das Ziel von GATS ist bekanntlich die Liberalisierung des internationalen Handels mit Dienstleistun­gen. Dies bedeutet unter anderem, dass für in- und ausländische AnbieterInnen die gleichen Bedingungen gelten müssen. Erhält also etwa ein österreichisches Museum eine Sub­vention, so müsste die Dependance eines amerikanischen Museums in Österreich gleichfalls eine Subvention erhalten – so die Tätigkeiten der beiden Museen als gleichartige Dienst­leistung angesehen werden. Dies ist ein etwas künstliches und schwer vorstellbares Beispiel, eine realistischere Variante könnte so aussehen: Öffentlich finanzierte Büchereien bieten seit einiger Zeit auch Internetzugang an – eine Leistung, die im Sinne gleichen Zugangs zu Information auch sehr wichtig ist. Auf Grundlage dieses Angebots könnte nun allerdings der/die (ausländische) BetreiberIn eines Internetcafés argumentieren, dass auch er/sie Anspruch auf öffentliche Finanzierung hat [ 1]. Wobei sich daraus allerdings noch nicht automatisch ergibt, dass ihm/ihr in einem solchen Verfahren auch Recht gegeben wird. Und da diese Verfahren von den jeweiligen Regierungen zu führen sind, ist eine Flut von Klagen in diesem Zusammenhang ohnehin wenig wahrscheinlich.

Anders sieht die Sache freilich im audiovisuellen Bereich aus, denn hier könnten sich für die US-Filmindustrie durchaus gute Möglichkeiten ergeben, gezielter für den europäischen Markt zu produzieren und dabei auch noch Anspruch auf nationale und europäische Fördergelder zu erheben. Dies würde wohl in weiterer Folge zur Abschaffung bestimmter Förder­instrumentarien und damit zu einer existentiellen Gefährdung der europäischen Filmindustrie führen, die ohnehin nur mühsam gegen die US-amerikanische Konkurrenz besteht.

Zwar sind öffentliche Dienstleistungen vom GATS grundsätzlich ausgenommen; allerdings ist unklar, was das genau bedeutet. Der GATS-Text sieht eine Ausnahme öffentlicher Dienste nur dann vor, wenn diese weder „im Wettbewerb” mit anderen AnbieterInnen noch „auf kommerzieller Basis“ erbracht werden. Diese Ausnahme trifft also für den Bereich der Kultur nicht zu, in dem öffentliche und private AnbieterInnen nebeneinander agieren. Die EG hat aber 1994 einen horizontalen „public utilities”-Vorbehalt eingeführt. Dieser horizontale Vorbehalt könnte auch für Kulturdienstleistungen ins Treffen geführt werden. Denn die Definition von „public utilities“ setzt nicht an den Eigentumsverhältnissen (öffentliche/r oder private/r EignerIn), sondern am öffentlichen Interesse an. Die Ausnahmeregelung für Bereiche mit public utilities bedeutet, dass dort die öffentliche Hand das Recht hat, Konzessionen zu vergeben und Exklusivverträge zu schließen. Zwar muss sich im konkreten Fall erst erweisen, in welchen Fällen dieser horizontale Vorbehalt anerkannt wird – laut GATS muss ja im Streitfall stets nachgewiesen werden, dass das angestrebte Ziel nicht auch durch andere Mittel zu erreichen ist, die weniger wettbewerbsverzerrend sind – doch geht er jedenfalls über die allgemeine GATS-Regelung hinaus und ist auch als politisches Bekenntnis zum öffentlichen Dienst positiv zu werten.

Für einzelne Kulturschaffende stellt GATS in erster Linie dann ein Problem dar, wenn Subventionen unter Hinweis auf die Liberalisierung gestrichen werden sollen; gerade in Österreich würde das eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen gefährden. Wenn Kunst und Kultur immer stärker Wettbewerbsrichtlinien unterworfen werden, bedeutet dies, dass Maßstäbe wirtschaftlicher Produktion angewendet werden. Wie in den obigen Beispielen dargestellt, kann dies mit dem europäischen Ansatz einer öffentlichen Förderung von Kunst, Kultur, aber auch weiten Teilen der Kreativwirtschaft kollidieren.

Bisher ist eine solche Entwicklung nicht in Sicht, was nicht zuletzt an den zahlreichen Protesten gegen diese Art von Ökonomisierung der Kultur liegt. Wesentlich war hier die UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt, die 2005 verabschiedet wurde. Zwar ist die rechtliche Bindung durch solche Konventionen eine eher „weiche“, doch die politische Bedeutung sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Insbesondere für Kulturschaffende, die nicht im Bereich des kulturellen Erbes tätig sind, stellt sich allerdings die Frage, wie weit die Konvention ihre Bedürfnisse und die Zielsetzungen ihrer kulturellen und künstlerischen Arbeit abbildet. Während der Protest gegen Liberalisierungen in den Bereichen Bildung und Grundversorgung in erster Linie demokratie- und sozialpolitische Argumente ins Treffen führt, beruft sich die Konvention auf kulturelle Diversität und die kulturelle Identität von Nationalstaaten. Aber gibt es so etwas wie eine nationale kulturelle Identität überhaupt? Sehen wir nicht vielmehr viele, widersprüchliche und teilweise überlappende Identitäten, die teilweise auch durchaus grenzüberschreitenden Charakter haben? Und macht es wirklich Sinn, dass KünstlerInnen und Kulturschaffende all ihre Hoffnungen auf die nationale Kulturpolitik richten?

TRIPS
(Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) – Abkom­men über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums

Das TRIPS-Abkommen ist eine internationale Vereinbarung auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte und ist, wie GATS, an die WTO gebunden. Es legt minimale Anforderungen für nationale Rechtssysteme fest. Zwar sind die IPR-Bestimmungen in der EU strenger, die Relevanz von TRIPS ist aber in dem Umstand zu sehen, dass damit westliche Konzepte von UrheberInnenschaft und Kunstwerken über die WTO weltweit ausgedehnt werden.

Die Probleme von TRIPS ergeben sich aus der generell ambivalenten Funktion von Coypright für Kulturschaffende: Es schützt die, die schon kreiert haben, behindert aber jene, die erst kreieren wollen. KritikerInnen sehen daher in der Ausweitung von geistigen Eigentums­rechten eine Pervertierung des ursprünglichen Gedankens: Die InhaberInnen von Patenten und UrheberInnenrechten können zwar (zumindest potenziell) von ihrer künstleri­schen Produktion leben, andere werden jedoch an künstlerischem und wissenschaftlichem Schaffen gehindert, weil sie sich aufgrund der hohen Transaktionskosten die Rechte an wichtigem „Basismaterial“ nicht mehr leisten können. Will beispielsweise einE RegisseurIn ein Bild in einem Film verwenden, so muss sie/er zunächst die Rechte abklären, die/den UrheberIn finden bzw. die Person ausfindig machen, der die Rechte gehören. Wenn das Bild verwendet werden darf (was in Europa aufgrund der Urheberperönlichkeitsrechte auch untersagt werden könnte), sind Tantiemen auszuverhandeln und zu bezahlen. Der „secondary use“ von urheberrechtlich geschütztem künstlerischen Material ist also außerordentlich aufwändig und für EinzelkünstlerInnen in vielen Fällen nicht mehr leistbar.

Durch die Digitalisierung ist nun darüber hinaus eine Situation beendet, in der Kommuni­kations­güter ausschließbar waren, das heißt künstlich Knappheit erzeugt werden konnte. Die Natur des Gutes „Information“ i.w.S. hat sich durch digitale Technologien grundlegend verändert. Digitale Güter funktionieren ähnlich wie Wissen: Gibt jemand sein/ihr Wissen weiter, kann er/sie es trotzdem weiterhin benutzen. In ökonomischer Terminologie wird damit „Nicht-Rivalität im Konsum“ bezeichnet. Dasselbe gilt etwa für digitalisierte Musik und Filme. Die Kosten für die Weitergabe sind vernachlässigbar und es entsteht kein Nutzenverlust für den/die Weitergebende. Diese Eigenschaft von Wissen dient der gesellschaftlichen Entwicklung. Je mehr Menschen über möglichst großes Wissen verfügen, desto mehr zusätzliches Wissen kann erworben werden. Daher ist der einfache, gleiche und freie Zugang zu Wissen entscheidend für die gesellschaftliche Entwicklung. „Ausgehend von dieser großen Bedeutung der Verfügbarkeit von Wissen für die Allgemeinheit fordern zahlreiche WissenschafterInnen nicht nur ein „Copyright“ zum Schutz geistigen Eigentums sondern auch eine rechtliche „Copyduty“, mit der Verpflichtung die Allgemeinheit an geistigem Eigentum partizipieren zu lassen.“

Im Bereich des künstlerischen und kulturellen Schaffens ist die Frage des geistigen Eigentums schwieriger zu lösen. Im Musikbereich etwa profitiert die große Mehrheit der MusikerInnen nicht von der derzeitigen Verwertungslogik mit einigen wenigen (allmächtigen) Major-Labels. Diese Verwertungslogik lässt sich des weiteren unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen (Internet, Digitalisierung) nur mit Hilfe umfassender Digital Rights Management-(DRM)Technologien aufrecht erhalten. Daher fordern immer mehr KünstlerInnen den freien Tausch von Musik im Internet für privaten Gebrauch und ziehen die Grenze bei der kommerziellen Nutzung, über Pauschalabgaben oder über CD-Verkäufe und Eintrittskarten bei Konzerten. Ob sich die neue Verwertungslogik durchsetzt, ist aber fraglich. Dies scheint mittlerweile auch den Majors selbst unwahrscheinlich vorzukommen, da die meisten in der letzten Zeit auf DRM verzichten. Alternative Businessmodelle stehen aber nach wie vor aus, Schlagzeilen machen Umwegstrategien wie Subkriptionsmodelle (z.B. Einstürzende Neubauten), Merchandising, Versioning (zuletzt durch die Nine Inch Nails) oder eine Diversifizierung des Liveangebots (z.B. Prince). Creative-Commons-Lizenzen, vor allem die non-commercial-Option, sind hier bisher der einzige Ausweg, das vorhandene Material zur weiteren künstlerischen Nutzung freizugeben.

Intellectual Property Rights (IPR) in der EU

Das Urheberrecht wird in der EU nach wie vor national geregelt, allerdings beeinflusst durch die Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft, deren Fernziel ein einheitliches EUropäisches Urheberrecht ist. Die Stoßrichtung bisher ist jedoch eindeutig und geht nicht zuletzt unter dem Einfluss der aktiven Lobbies der Majors in Richtung einer Verschärfung von Schutzmaßnahmen zulasten einer freien Nutzung. Bei der Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen kann innerhalb der EU mit aller Härte vorgegangen werden [ 2]. Dabei entsteht allerdings das Problem, dass Klein- und KleinstanbieterInnen auf eine Stufe mit international operierenden Großunternehmen gestellt werden, was wiederum deren kulturpolitische Bevorzugung wettbewerbsrechtlich unmöglich macht und in letzter Konsequenz zulasten der kulturellen Vielfalt geht. Letztere ist aber auch durch eine Einschränkung künstlerischer Produktionsfreiheiten durch restriktive urheberrechtliche Bestimmungen massiv gefährdet.

Schengener Abkommen

Das Schengener Abkommen schränkt die Mobilität von KünstlerInnen ein und liegt dabei im internationalen Trend zur Verschärfung von Reisebestimmungen, die die (auch kurzfristige) Bewegungsfreiheit im Allgemeinen einschränkt. Dabei ist nicht nur die EU-Gesetzgebung von Relevanz, sondern auch (und häufig wichtiger) nationale Gesetzgebungen, die dem allgemeinen Trend folgen. In Österreich etwa wurden die Aufenthaltsbedingungen für KünstlerInnen mit einer Gesetzesnovelle von 2006 erheblich verschärft. Grundsätzlich wird KünstlerInnen nicht mehr eine (potenziell unbefristete) Niederlassung, sondern nur mehr begrenzter Aufenthalt gewährt. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Novelle auch diejenigen betrifft, die bereits vor dieser Gesetzesänderung aufgrund einer Niederlassungsbewilligung in Österreich waren.

Die Lissabon-Agenda und die Kommerzialisierung von Kunst und Kultur

Die Lissabon-Agenda (1995) beschreibt die Wachstums- und Beschäftigungsstrategie der EU für die Jahre 2007-13. Ihre Hauptsäulen sind Wissen und Innovation. Diese Strategie schlug auf andere Politikbereiche durch, in der Kulturpolitik etwa in Form einer verstärkten Hinwendung zur Kreativwirtschaft. Auf nationaler Ebene zieht dies die Einrichtung von Förderprogrammen nach sich, die die angewandten Künste und besonders den Vertrieb ihrer Produkte unterstützen sollen. Nicht produktorientierte Kunstformen geraten dadurch in Schwierigkeiten, da sie einem stärkeren Legitimationsdruck ausgesetzt sind.

Die Ausrichtung der Kulturförderungen aufgrund von Lissabon ist klar, in den „Schlussfolgerungen des Rates zum Beitrag des Kultur- und Kreativbereichs zur Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie“ heißt es etwa:

  • Europas reiches kulturelles Leben erhöht die Attraktivität seiner Städte und Regionen als globale Zentren wirtschaftlicher Aktivität.
  • Der kulturelle Reichtum, das kulturelle Erbe und die kulturelle Vielfalt Europas machen es zu einem attraktiven Reiseziel für Touristen aus aller Welt.
  • Kulturelle Inhalte und Kreativität werden eine immer wichtigere Rolle für die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas spielen.

Daher werden die Kommission, aber auch die Mitgliedstaaten aufgefordert:

  • Anreize für Tätigkeiten zu bieten, die auf eine optimale Nutzung des wirtschaftlichen Potenzials von Kultur und Kreativität durch KMU ausgerichtet sind, und dabei ihre Zusammenarbeit und den Aufbau von Netzen zu fördern;
  • den Zugang von KMU zu Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern;
  • den ausgewogenen gegenseitigen Austausch kultureller Güter und Dienstleistungen mit Drittländern zu fördern, im Hinblick auf die Förderung der kulturellen Vielfalt und die Intensivierung des interkulturellen Dialogs;
  • den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu gewährleisten und die Bekämp­fung von Nachahmung und Produktpiraterie im Kultur- und Kreativbereich weltweit zu verstärken [ 3].

Zwar lassen sich aus diesen Forderungen auch durchaus positive Impulse für die EUro­päische Kulturpolitik ziehen, doch der generelle Fokus auf wirtschaftliche Impulse ist offen­sichtlich. Und wiederum werden es wohl weniger die Politiken auf EUropäischer Ebene sein, die hier für individuelle KünstlerInnen von Relevanz sind, als die Aktivitäten der Mitglied­staaten, die sich auf diese Zielsetzungen ausrichten sollen. Zumindest in Österreich zeigen einige kulturpolitische Neuerungen der letzten Jahre eine Orientierung an kreativwirt­schaft­lichen Parametern.

Schließlich führt die EUropäische Integration mit ihrem klaren Fokus auf wirtschafts­politi­schen Zielen zur Aushöhlung nationalstaatlicher Sozialstandards, die in der einschlägigen Literatur als „race to the bottom“ von Sozialpolitik bezeichnet werden. Wenn Wettbewerbs­fähigkeit nationaler und supranationaler Ökonomien das höchste Ziel ist, dann geraten sozialpolitische Standards unter Beschuss. Dies wird besonders bei den Ländern deutlich, die Teil der EUropäischen Währungsunion sind. Eurostat-Daten zeigen klar, dass ökono­mische Ungleichheit in den Mitgliedsstaaten parallel zur wirtschaftlichen Integration steigt ‒ während vor der Währungsunion Einkommensunterschiede geringer wurden. Der allgemeine Wohlstand stieg durch die Währungsunion (Pro-Kopf-Einkommen sind gestiegen und Arbeits­losigkeit ist gesunken), aber die Ungleichheit nahm zu. Die offensichtliche Erklärung für diese Entwicklung liegt darin, dass der Anteil von Sozialausgaben (ohne Pensionen) am BSP gesunken ist [ 4].

Mobilität von KünstlerInnen

Die Frage nach den Auswirkungen internationaler Vertragswerke auf die Arbeits- und Lebenssituation von KünstlerInnen ist in zweierlei Hinsicht zu stellen: Einerseits in Bezug auf die Mobilität, andererseits in Bezug auf künstlerische Arbeit an einem Hauptstandort unter dem Einfluss internationaler Verträge. Dabei gilt es zu beachten, dass viele der folgenden Ausführungen nicht auf alle Sparten künstlerischen Schaffens gleichermaßen zutreffen bzw. sich voneinander stark unterschieden. Eine angestellte Orchestermusikerin arbeitet unter vollkommen anderen Bedingungen als ein freischaffender bildender Künstler, zunächst völlig unabhängig davon, ob die jeweilige Person in der Ausübung ihrer Arbeit mobil ist oder nicht. Die jeweilige Staatsbürgerschaft ist der zweite wesentliche Faktor, der die Arbeitsbedingun­gen prägt: Handelt es sich um eineN europäischeN StaatsbürgerIn, inner- oder außerhalb des Schengenabkommens oder um eineN „DrittstaatsangehörigeN“? Letzteres prägt die Bewegungs- und Arbeitsfreiheit innerhalb der Europäischen Union.

Die Mobilität von KünstlerInnen und Kunstwerken ist zentraler Bestandteil EUropäischer Kulturpolitik [ 5] und wird auch in einer Vielzahl von Programmen (z.B. Kultur 2000 und Kultur 2007-2013) gefördert. Dabei fällt auf, dass diese Mobilität aber alles andere als leicht vonstatten geht, sondern im Gegenteil zwar für die Beteiligten künstlerisch-inhaltlich befriedigend ist, in Bezug auf soziale Absicherung und Entlohnung aber oft ein Risiko oder im schlimmsten Fall sogar eine deutliche Schlechterstellung bedeutet. Bei der Mobilität von KünstlerInnen handelt es sich zumeist um kurzfristige Aufenthalte, in vielen Fällen für die Dauer eines Projekts. Je nach nationaler Gesetzeslage angestellt oder – häufiger – auf selbständiger Basis und auf eigenes Risiko. Eine fehlende Anstellung ist in den meisten Fällen mit massiven Informationsdefiziten über die eigenen Rechte und Pflichten verbunden und bedeutet auch das Fehlen einer Sozialversicherung.

Die Haupthindernisse für die Mobilität von KünstlerInnen sind Intransparenz, Bürokratie und die angesprochenen Informationsdefizite; die in Studien immer wieder geforderten „one-stop-shops“ existieren nach wie vor nicht, die Interessenvertretungen haben in der Praxis meist nicht die Resourcen, um die entsprechende Information bereitzustellen.

Insbesondere treten folgende konkrete Probleme auf:

  • Steuerrecht: Doppelbesteuerungen, unterschiedliche Steuersysteme, in denen beispielsweise öffentliche Förderungen unterschiedlich behandelt werden;
  • Verwertungsgesellschaften: Mangelnde Abstimmung der Verwertungsgesellschaften untereinander verhindert, dass KünstlerInnen adäquat von ihren Werken profitieren können;
  • Kranken- und Sozialversicherung;
  • Relevanz des Berufsstatus (angestellt, selbständig) und der Staatsbürgerschaft;
  • Nationale Gegebenheiten, die den (Arbeits-)Alltag bestimmen, wie z.B. die Unmöglichkeit, ohne Arbeitsvertrag/Bankgarantie eine Wohnung auf dem Markt zu finden oder die Schwierigkeiten, Konten ohne fixes Anstellungsverhältnis zu eröffnen; KünstlerInnen werden dadurch in die Informalität, ja oft Illegalität gedrängt.

Andererseits erleichtern die Programme der EU transnationale Kooperationen, die über nationale Förderprogramme oft schwer zu realisieren, i.e. zu finanzieren sind. Obwohl die Einreichung und Abwicklung von EU-Projekten noch immer mit erheblichem organisatoris­chen Aufwand verbunden sind, wurden doch die Bedingungen in einer Form verändert, die, wenn schon keinen Einzelpersonen, so doch auch kleineren Institutionen eine Teilnahme ermöglicht. Durch technokratische Verbesserungen kam es auch zu Veränderungen auf inhaltlicher Ebene: So hat sich etwa die Abwicklung der Geldflüsse verbessert, wodurch Vorfinanzierungen durch die ProjektbetreiberInnen nur noch in viel geringerem Ausmaß nötig sind. Dadurch können kleinere Institutionen eher die Durchführung eines Projekts riskieren. Was weiters die Durchführung von oder Teilnahme an Kultur (2007-2013)-Projekten erleichtert, ist das Fallen der Bestimmungen über eine finanzielle Mindestbeteiligung (in Kultur 2000 noch mindestens 5% der Gesamtprojektsumme durch Koordinator/in und jede/n Mitorganisator/in). Auch gibt es nun die Möglichkeit, bis zu 15% des jeweiligen Projekt­budgets außerhalb der am Programm teilnehmenden Staaten auszugeben; diese Neuregelung erlaubt es den Projekten, sich über Europa hinaus zu entwickeln [ 6].

Effekte der Globalisierung

Die Auswirkungen der sogenannten Globalisierung schlagen sich im Kunstbetrieb weniger nieder als in der Wirtschaftswelt. Die Auslagerung von Leistungen ist zwar möglich, bleibt aber noch ein Randphänomen (anders als in der Kreativwirtschaft). Die zentralen Effekte sind bislang weniger der Globalisierung geschuldet, als den technischen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung ergeben haben: Werke zirkulieren weitaus unkontrollierter als früher, wodurch neue Kontakte und Kooperationen entstehen (können). Generell haben die EU-Gesetzgebungen und breite politische Entwicklungen weitaus mehr Auswirkungen als die Nebeneffekte der Globalisierung.

Wer profitiert wovon? ‒ Fazit

Internationale Reglementierungen schlagen bisher relativ wenig auf KünstlerInnen und ihre Arbeitsbedingungen durch, was sich mit weiteren Verschärfungen der IPR/Intellectual Property Rights – der Rechte am geistigen Eigentum – ändern wird. Politische Zielsetzungen wie die Lissabon Agenda und ihre Durchsetzung auf EU- wie auf nationaler Ebene sind einflussreicher, weil sie finanzielle Schwerpunktsetzungen nach sich ziehen, die wiederum die künstlerische Produktion steuern. GATS und TRIPS können über die Beeinflussung von nationalen Förderpraktiken relevant werden, sind es aber noch nicht.

Von den EU-Kulturförderungsprogrammen profitieren jedenfalls eher Institutionen als Einzel­personen. Zudem ist der Prozentsatz dieser Programme, der für künstlerische Leistung aus­ge­geben wird, relativ gering im Vergleich zum administrativen Aufwand. Das Lebensniveau von KünstlerInnen bleibt somit unverändert niedrig. Dazu kommen hohe Eigenmittelanteile und ein Mangel an Infrastruktur, der oft privat ausgeglichen werden muss. Die Inkompati­bilität nationaler Förderschienen erschwert es zusätzlich, weitere Gelder zu lukrieren. Mobilität wird zwar auf allen Ebenen eingefordert und mit Programmen unterstützt, allerdings wird ein beträchtlicher Teil der Gelder durch Administration und fehlende Akkordierung verschlungen. Durch den Mobilitätsfetischismus EUropäischer Kulturpolitik in Kombination mit ungenügenden sozialen Absicherungsmechanismen wird die Prekarität künstlerischer Arbeitsbedingungen verstärkt, da die Rahmenbedingungen für ein abgesicher­tes Arbeiten fehlen – wie beispielsweise die Definition eines KünstlerInnenstatus mit entsprechenden Harmonisierungen, die grenzüberschreitendes künstlerisches Arbeiten möglich machen. Generell ist jedoch auch für die Zukunft anzunehmen, dass nationale Regelungen für KünstlerInnen und ihre Arbeitsbedingungen eine weitaus größere Rolle spielen werden als internationale Abkommen. Allerdings schlägt sich der internationale Trend zur Ökono­misierung und Kommerzialisierung von Kunst und Kultur immer deutlicher in nationalen Gesetzgebungen nieder, sodass internationale Regelwerke und die dahinter stehenden Philosophien auf diesem Weg indirekt wirksam werden.

Handlungsoptionen für KünstlerInnen

KünstlerInnen bleibt ein geringer Spielraum gegenüber (inter)nationalen Gesetzen. In den meisten Fällen gibt es zwei Optionen: das Befolgen einerseits und die damit verbundenen Einschränkungen künstlerischer Aktivität oder das Nicht-Befolgen und die Arbeit im rechtsfreien Raum, in Prekarität, Informalität bis hin zur Illegalität.

Eine Chance können transnationale Netzwerke darstellen, wenngleich es sich dabei um „weak ties“ handelt, die auf Informationsaustausch und Kooperationsmöglichkeiten beruhen, aber keine wie auch immer gearteten Rechte und/oder Absicherungen bereitstellen können.


Elisabeth Mayerhofer ist Kulturwissenschaftlerin und Vorstandsmitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS). Arbeitsschwerpunkte: Arbeitsverhältnisse in Kunst/Kultur, Creative Industries, Kunst im öffentlichen Raum.

Monika Mokre ist Politikwissenschaftlerin, stellvertretende Direktorin des EIF, Institut für europäische Integrationsforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Vorstandmitglied der „Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS)“, Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW), Lehraufträge an den Instituten für Politikwissenschaft in Innsbruck, Wien und Salzburg. Forschungsschwerpunkte: Europäische Öffentlichkeit, Demokratietheorie, Gender Studies, Kulturpolitik.


Anmerkungen:
[ 1] Ein/e inländische/r BetreiberIn hinge­gen hat die­se Möglichkeit nicht, da GATS nur in Hin­blick auf die Gleich­stellung ausländischer In­vestorInnen von Relevanz ist.
[ 2] Vgl. eipcp.net; 2008-04-02
[ 3] Vgl. consilium.europa.eu ; 2008-04-02
[ 4] Vgl. eurointelligence.com
[ 5] Commission of the European Communities (2007): Communication from the Commis­sion to the Euro­pean Parliament, the Coun­cil, the Euro­pean Economic and Social Com­mittee and the Committee of the Regions: Commu­nication on a European Agenda for Culture in a Globalizing World, p. 8.
[ 6] Vgl. Gerald Raunig bei Konferenz Eine Kul­turagenda für Europa


Dieser Text entstand auf Einladung des Symposium-Teams im Vorfeld des Symposiums im März 2008 und war allen Vortragenden und Diskutierenden vorab zugänglich.