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Kunst hat Recht? KünstlerInnen haben Rechte!

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(Kommentar vom 16.2.2012)

Kommentar des Kulturrat Österreich zur Kampagne „Kunst hat Recht“

Die Diskussion um ein zeitgemäßes UrheberInnenrecht ist komplex und insbesondere angesichts der sich permanent beschleunigenden technologischen Entwicklung andauernd (neu) zu führen. Die Diskrepanz zwischen einer behäbigen politischen Entscheidungsfindung und dem schnellen Wandel in der Gesellschaft ist in diesem Bereich besonders deutlich und – verbunden mit drastischen ökonomischen Verschiebungen und allgemeinen Einkommensverlusten (im unteren Drittel) sowie den Auseinandersetzungen um ein offenes Internet – häufig Anlass für dringende Handlungsaufrufe.

Kunst hat Recht?

Vor diesem Hintergrund wurde Ende Jänner 2012 die von den österreichischen Verwertungsgesellschaften konzipierte Kampagne „Kunst hat Recht“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Sechs der sieben Verwertungsgesellschaften fordern mit Unterstützung von KünstlerInnen im Wesentlichen eine bessere Durchsetzung der bestehenden Rechte, und zwar auf Grundlage der „Gleichung“ besserer Schutz der UrheberInnenrechte = mehr Einkommen für KünstlerInnen. Abgesehen von der zweifellos unterstützenswerten Forderung nach Erhaltung des UrheberInnenrechtssenats lässt sich aus der Deklaration und den Forderungen der Kampagne wenig Konkretes herauslesen: Verlangt werden die Festplattenabgabe und die Einführung der Vorratsdatenspeicherung als Mittel gegen die Bedrohung der „Kulturnation“ Österreich durch Piraterie. Entsprechend wurde für den Fall, dass die Regierung das Thema UrheberInnenrecht nicht im Rahmen einer Regierungskommission behandelt, als erste Maßnahme der Boykott des Nationalfeiertags angedroht.

Wie selbst diese zentralen Forderungen in der Umsetzung aussehen sollen, bleibt vage: Soll die Festplattenabgabe als Flatrate (jährliche Gebühr für freies Kopieren) eingeführt werden (nach Gerhard Ruiss in Ö1) oder als Teil der Leerkassettenvergütung (zuletzt Michael Kos im Standard)? Zwar hat die Austro Mechana Tarife für eine Festplattenabgabe veröffentlicht, erzielt jedoch noch keine nennenswerten Erträge, weil GeräteherstellerInnen und Handel sich – auch vor Gericht – dagegen wehren.

Ebenso interpretationsoffen bleibt die Forderung nach wirksamen Instrumenten der Rechtsdurchsetzung: Während alle ProponentInnen der Kampagne (KünstlerInnen und VertreterInnen der Verwertungsgesellschaften) erklären, dass es nicht um die Kriminalisierung der NutzerInnen gehe, spricht die Ausformulierung in den Presseunterlagen der Kampagne eine andere Sprache: Vorratsdatenspeicherung, Three Strikes (Beschreitung des Rechtsweges bei der dritten Verwarnung – es geht also um die Vereinfachung der Rechtsdurchsetzung, nicht um deren Ermöglichung) sowie die juristische Verantwortung von Telekommunikationsunternehmen und Content-Plattformen für den Inhalt im Internet – das wäre das Ende der Netzneutralität.

KünstlerInnen haben Rechte?

Auf den ersten Blick erstaunlich mutet an, dass zwei so zentrale Forderungen von KünstlerInnen und Interessenvertretungen der letzten Jahrzehnte wie jene nach der Einführung eines UrheberInnenvertragsrechts und der Abschaffung der Cessio Legis (gesetzliche Abtretung aller Verwertungsrechte der FilmurheberInnen an die FilmproduzentInnen) keinen Eingang in die Kampagne gefunden haben. Die Vermutung, dass das Fehlen der beiden Forderungen, die auf einen rechtlichen Ausgleich der finanziellen Interessen zwischen ProduzentInnen und KünstlerInnen und eine Verbesserung der Verhandlungsposition der UrheberInnen gegenüber den VerwerterInnen abzielen, auf die Zusammensetzung der KampagneninitiatorInnen zurückzuführen ist, hat sich inzwischen bestätigt: Sandra Csillag (Literar-Mechana) beantwortete die entsprechende Frage auf dem letzten Branchen-Jour Fixe von EU XXL lapidar damit, dass die enthaltenen Forderungen der kleinste gemeinsame Nenner seien, der gegenüber den ProduzentInnen durchsetzbar war. (In den Verwertungsgesellschaften sitzen mit einer Ausnahme UrheberInnen und VerwerterInnen – die Ausnahme, die Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden (VDFS), hat die Unterstützung der Kampagne noch vor Beginn eingestellt).

Das Nichtthematisieren des österreichischen Spezifikums im UrheberInnenrecht, der Cessio Legis, nach der bei Filmen die Verwertungsrechte am Filmwerk automatisch ausschließlich den ProduzentInnen und nicht den FilmemacherInnen – also den UrheberInnen – zustehen, führte letztendlich zu der paradoxen Situation, dass ein Filmproduzent im Rahmen der Kampagne die Verbesserung der Rechte für KünstlerInnen einfordert, die er ihnen gleichzeitig de facto vorenthält. Bislang war als Erklärung zu hören, die Cessio Legis werde aufgrund eines anhängigen Verfahrens am Europäischen Gerichtshof ohnedies bald Geschichte sein. Trotz des tatsächlich positiven Ausgangs des Verfahrens vor wenigen Tagen wird jetzt nicht automatisch eine Verbesserung der rechtlichen Situation der Filmschaffenden hergestellt, da eine Folgelösung erst ausgehandelt werden muss.

Einkommen für UrheberInnen!

UrheberInnen sollen aus ihrer künstlerischen Produktion angemessene Einkommen lukrieren können. Und sie sollen auch weiterhin in der Lage sein, überhaupt produzieren zu können. Knapp auf den Punkt gebracht ist das zumindest im Kulturrat Österreich, aber auch in weiten Teilen der mit dem UrheberInnenrecht Beschäftigten Konsens. Die Frage, wie das sichergestellt werden kann, ist schon seit Jahren Gegenstand von Diskussionen – mit unterschiedlichen Einschätzungen und Antworten. Der Status quo, d.h. die Einkommenssituation der Kunstschaffenden in Österreich (zuletzt in der Studie „Die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich“ im Auftrag des bm:ukk ausführlich erhoben), ist unzweifelhaft katastrophal. Wie die Einkommenssituation spezifisch mit urheberInnenrechtlichen Einkommensbestandteilen korreliert, ist dagegen umstritten. Was jedenfalls fehlt, ist eine konkrete und nachvollziehbare Erhebung des Sachstandes unter Einbeziehung der Daten der Verwertungsgesellschaften, wie sie derzeit im Filmbereich im Auftrag des bm:ukk durchgeführt wird. Des Weiteren wäre eine Erhebung der Kosten, die KünstlerInnen durch die Rechteabklärung (für Bearbeitungen etc.) entstehen, von Interesse.

Die im Kulturrat Österreich zusammengeschlossenen Interessenvertretungen wurden in die Kampagnenplanung nicht involviert. Dies ist umso bedauerlicher, als gerade die Unterschiedlichkeit der Standpunkte, die hier jeweils vertreten werden, Gelegenheit geboten hätte, eine konstruktive, breite Diskussion über geistige Eigentumsrechte im Kunstbereich zu führen. Klar ist im Kulturrat Österreich: Die Einführung des UrheberInnenvertragsrechts und die Abschaffung der Cessio Legis tragen zur Verbesserung der rechtlichen Situation von UrheberInnen bei und müssen daher realisiert werden. Inwieweit es dadurch auch zur Verbesserung der ökonomischen Lage der KünstlerInnen kommen kann, werden die Auseinandersetzungen im Umfeld solcher Rechtsänderungen zeigen müssen. Die Frage der Einkommen von KünstlerInnen ist jedenfalls nicht nur über das UrheberInnenrecht zu klären, denn hier fehlt es an allen Ecken und Enden: Es besteht rechtlicher Verbesserungsbedarf, der im Kulturrat Österreich seit Jahren Thema ist (siehe Forderungspakete), für die Einhaltung sozial- und arbeitsrechtlicher Standards ist zu sorgen, die Umgehung vorhandener Rechte muss ausgeschlossen werden. Und nicht zuletzt braucht es die dringend notwendige Akzeptanz von Honorarrichtlinien, um der „Gratismentalität“ ein Ende zu setzen. Alles andere sollte auf Basis nachvollziehbarer, valider Daten diskutiert werden.

Eine Vorratsdatenspeicherung sowie Zensurbestrebungen im Netz wird der Kulturrat Österreich dagegen nicht mittragen.



Weitere Informationen:

Anstehende Diskussionsveranstaltungen:

  • DO 16.2.2012, 19h30. Projekt Space. Karlsplatz. Treitlstraße 2, 1040 Wien.
    Austrian Directors‘ Association (ADA) lädt unter dem Titel „Urheberrecht im Netz“ zu einer Konfrontation.
    (um Anmeldung wird gebeten)
  • FR 17.2.2012, 19h. METAmART . Karlsplatz 5, 1010 Wien
    METAmART lädt unter dem Titel „Ad ACTA #KünstlerInneneinkommen: Will Kunst neue Rechte?“ zum Gespräch.
  • DO 23.2.2012, 18h. RTR-GmbH, Mariahilfer Straße 77-79, 1060 Wien
    EU-XXL lädt unter dem Titel „Kampf gegen die Hydra? Zum Meinungsstreit in Sachen Internetpiraterie“ zum 10. Jour Fixe (in Kooperation mit dem Dachverband der Filmschaffenden).

Diskussionsbeiträge:

Materialien und Texte auf der Website des Kulturrat Österreich:

  • Kulturrat Österreich: UrheberInnenvertragsrecht in Österreich? Bericht zur Veranstaltung „UrheberInnenvertragsrecht – in Österreich: bitte warten?“ des Kulturrat Österreich am 19.1.2011
  • Kulturrat Österreich: UrheberInnenvertragsrecht? Theorie und Praxis. Bericht zur Veranstaltung „UrheberInnenvertragsrecht – Theorie und Praxis“ des Kulturrat Österreich am 14.12.2010
  • Clemens Christl: Kultur-Flatrate? À la longue wird sie kommen! Bericht zur Veranstaltung „Flatrate = Filesharing + Einkommen aus künstlerischer Arbeit?“ des Kulturrat Österreich am 27.11.2009
  • Beiträge zum Thema in: Kulturrat Österreich: Anstöße zur Kultur- und Medienpolitik. 2006

Materialien zu Forderungen und Diskursen um die Verbesserung der sozialen Lage von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden auf der Website des Kulturrat Österreich: