(10. Dezember 2014, Pressemitteilung) Nationalrat beschließt heute und morgen künstlerInnenrelevante Gesetze.
- AlVG-Novelle: Zugangshürde zu Arbeitslosengeld für Mehrfachbeschäftigte für eine einzige Berufsgruppe aufgehoben
- KSVFG-Novelle: Öffnung für mehr ZuschussbezieherInnen, aber drohende Austrocknung auf der Einnahmenseite
Müssen KünstlerInnen Hasen mästen, um gleiche Arbeitslosenrechte wie LandwirtInnen zu erhalten?
Zwei Novellen, die direkt oder indirekt auf die soziale Lage der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden verweisen, werden heute und morgen dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt: Das KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetz (KSVFG) wird zum wiederholten Mal nachgebesserte und der Zuschuss zu Sozialversicherungsbeiträgen nun 13 Jahre nach dessen Einführung endlich für eine größere Anzahl von KünstlerInnen zugänglich. Die AlVG-Novelle wiederum bringt eine kleine Verbesserung des Zugangs zum Arbeitslosengeld (ALG) für Personen in Mehrfachbeschäftigung, allerdings beschränkt auf die Berufsgruppe der LandwirtInnen.
Arbeitslosenversicherungsgesetz: Verbesserung für Bauern und Bäuerinnen
Nach einer Höchstgerichtsentscheidung im Sommer 2014 war klar: Für NebenerwerbslandwirtInnen ist – wie für alle selbstständig Tätigen – bei Jobverlust kein Bezug von Arbeitslosengeld möglich, wenn nicht zugleich auch die selbstständige Tätigkeit als LandwirtIn aufgegeben wird. In erstaunlicher Geschwindigkeit erfolgt nun die Reparatur: Die sogenannte Pflichtversicherungsklausel, nach der nicht als arbeitslos gilt, wer in der Pensionsversicherung pflichtversichert ist, soll nur für LandwirtInnen gelten, deren Landwirtschaft einen bestimmten Einheitswert übersteigt. Das ist sinnvoll und bringt mehr Sicherheit und Planbarkeit für viele Nebenerwerbsbauern und -bäuerinnen. In den meisten Fällen ist der Grenzwert auch deutlich großzügiger bemessen als die Geringfügigkeitsgrenze, die für alle anderen Selbstständigen gilt. Gut so, aber bitte für alle!
Pflichtversicherungsklausel als Falle für KünstlerInnen und andere Neue Selbstständige
Mit 1.1.2009 wurde die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige eingeführt. Das brachte auch eine Erweiterung der gesetzlichen Definition von Arbeitslosigkeit: Arbeitslos ist, wer keiner Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt. Der Haken an der Sache: Selbst wenn Selbstständige während eines vorübergehenden Bezugs von Arbeitslosengeld (z. B. auch aufgrund eines Anspruchs aus einer Anstellung) in diesem Zeitraum gar nicht selbstständig tätig sind oder bloß bis zur erlaubten Geringfügigkeitsgrenze selbstständige Einkünfte erzielen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht später doch noch mit einer Rückforderung des Arbeitslosengeldes konfrontiert sein können. Von Sicherheit und Planbarkeit also keine Rede.
Wie wäre das Problem zu lösen?
Eine schnelle Möglichkeit bietet die Streichung der Pflichtversicherungsklausel – anstatt sie nur um einen Satz für Bauern und Bäuerinnen zu ergänzen. Die Zuverdienstgrenze, die für alle Arbeitslosen einen Zuverdienst bis zur monatlichen Geringfügigkeitsgrenze erlaubt, gilt ohnehin dessen ungeachtet. Helfen würde auch eine allgemeine Ausnahme zugunsten all jener Selbstständigen, die ihre Selbstständigkeit nicht ruhend melden können – oder eine generelle Möglichkeit der Ruhendmeldung für alle Neuen Selbstständigen, unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit. Derzeit steht diese Möglichkeit ja nur wenigen KünstlerInnen sowie Gewerbetreibenden offen.
KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetz
Die Regierungsvorlage der Novelle des KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetzes (KSVFG) hingegen greift mehrere langjährige Kritikpunkte des Kulturrat Österreich auf und versucht sie zu lösen – wenn auch nicht mit aller Konsequenz. Der erkennbare Paradigmenwechsel hin zur Erweiterung des Zugangs ist sehr zu begrüßen, alarmierend ist jedoch die Fortschreibung der Abgabenreduktion für SAT- und Kabelrundfunk an den KSVF bis Ende 2020. Die finanzielle Ausstattung des KSVF wird dadurch kontinuierlich schrumpfen und in absehbarer Zeit nicht mehr zur Deckung der Zuschüsse ausreichen. Mit den vorhandenen 28 Millionen an KSVF-Reserven (Stand 31.12.2013) lässt sich dieser Zeitpunkt lediglich ein paar Jahre hinauszögern. Fakt ist jedoch schon heute, dass die KSVF-Einnahmen weit unter den Ausgaben liegen, und dieses Minus wird gemäß den Prognosen der GesetzgeberIn zukünftig bei knapp vier Millionen Euro jährlich liegen. Auch lässt diese erneute Novelle des KSVF-Gesetzes weiterhin viele dringende Forderungen des Kulturrat Österreich außer Acht: Abschaffung von Rückforderungen – vor allem bei Nichterreichung der Einkommens-Untergrenze –, keine Mindesteinkommensgrenze als Zuschussvoraussetzung, Erweiterung des EinzahlerInnenkreises in den KSVF u. a. m.
Einmal mehr muss es also heißen: Nach der Novelle ist vor der Novelle. Wir bleiben dran.
Info und Links:
KSVFG
- Geplante KSVFG-Novelle 2014: Kulturrat Österreich nimmt Stellung.
- Sofortforderungen des Kulturrat Österreich zum KSVF
- KünstlerInnensozialversicherungsfonds (KSVF). In: 42 Monate IMAG ‐ eine Bilanz. Hg. Kulturrat Österreich, Wien, Dezember 2012
- Kuhhandel KünstlerInnensozialversicherungsfonds (KSVF): Pensionsklausel gegen Beschneiden des KünstlerInnen*Sozialversicherungsfonds
- Übersicht zum Thema „Zehn Jahre KSVF“
- Regierungsvorlage Novelle KSVF 2014
Bauern und Bäuerinnen
Zum Einlesen in die Details, z.B. der Ruhendmeldung für KünstlerInnen:
- Selbstständig und arbeitslos: Wer bekommt Arbeitslosengeld? Aussendung des Kulturrat Österreich vom 14.10.2014
- Infobroschüre: Selbstständig – Unselbstständig – Erwerbslos. Hg. Kulturrat Österreich, Wien, Februar 2012 (3. Ausgabe)
- Infoblatt: Neue Informationen zu AMS bzw. zur Kompatibilität von SVA und AMS (Dezember 2013)
- Selbstständig und arbeitslos? Das kann existenzgefährdend sein. Zwei anschauliche Beispielfälle, dargestellt in einem Pressegespräch am 16.4.2013
- Arbeitslosengeld: Billiger Kredit oder Existenzsicherung? Eine Beispielgeschichte mit Fortsetzungscharakter
- Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Arbeitslosenversicherung
Zu LandwirtInnen und ihrem Anspruch auf Arbeitslosenversicherung, wenn sie Ansprüche aus Nebenerwerbstätigkeiten erworben haben:
- Existenzbedrohung für kleine Nebenerwerbslandwirte. In: Bauernzeitung.at vom 18.9.2014
- Rasches Handeln für mehr Gerechtigkeit für Nebenerwerbsbauern, SPÖ via APA-OTS vom 7.10.2014